Für den Meistertitel muss der BVB seine Geschichte ändern
11.01.2022 | 15:28 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus blickt in seiner Kolumne "So sehe ich das" blickt auf den ersten Rückrunden-Spieltag zurück und ordnet die Niederlage des FC Bayern sowie die Titelchancen von Borussia Dortmund ein. Zudem lobt er BVB-Stürmer Erling Haaland und spricht über dessen Zukunft.
Ist der Kampf um die deutsche Meisterschaft wirklich wieder spannend? Ich glaube es noch immer nicht. Auch wenn Dortmund an diesem Wochenende dank des tollen 3:2-Sieges in Frankfurt den Rückstand auf sechs Punkte verkürzt hat.
Warum? Weil die Erfahrung, die individuelle Qualität, der Siegeswille und vor allem die Vergangenheit gezeigt haben, dass es keinem gelingt, einen Bayern-Vorsprung aufzuholen. In den letzten Jahren hat es ja noch nicht einmal gereicht, wenn Mannschaften um diese Zeit mit ein paar Zählern vor den Bayern lagen, geschweige denn ihnen hinterherrennen mussten.
Für die Bundesliga und die Fans wäre es klasse, wenn es weiterhin spannend bliebe. Der Kader der Bayern ist aufgrund der vielen Corona Ausfälle und anderer Verletzungen derzeit stark dezimiert und hinzu kommt ein sehr schweres Auswärtsspiel in Köln am Wochenende. Also wer weiß. Wenn Nagelsmann allerdings schnell genug alle mit an Bord hat, wird es mit der Spannung nicht weit her sein.
Ja, der FCB hat gegen Gladbach verloren, aber allein die Rückkehr von Manuel Neuer wird beim nächsten Spiel schon einen gewaltigen Unterschied ausmachen. Nichts gegen Sven Ulreich. Aber so wie damals bei Oliver Kahn, ist es für die eigene und erst recht die gegnerische Mannschaft etwas ganz anderes, wenn Manuel im Tor steht.
Und wenn der Kader wieder vollständig ist, dürfte der Abstand zu Dortmund eher größer als kleiner werden. Ich kann mir aktuell noch nicht vorstellen, dass die Bayern richtig straucheln.
Was man aber festhalten muss, und das macht im Hinblick auf einen spannenden Titelkampf ein wenig Hoffnung, dass Borussia Dortmund am Wochenende eine wahnsinnig gute Moral gezeigt hat. Sie haben ein Spiel gedreht, das lange Zeit aussichtslos erschien.
Sie haben einen 0:2-Rückstand nicht etwa bei einem Abstiegskandidaten, sondern bei den sehr heimstarken Frankfurtern in einen Sieg umgemünzt. Und das geht nur wenn der Teamgeist, der Glaube und alles andere wirklich intakt sind.
Wenn ihnen dieser Sieg dazu verhilft, dass das Selbstvertrauen noch viel größer wird als ohnehin, dann ist vieles möglich in dieser Saison. Vorausgesetzt, sie schaffen es, die Energie aus Frankfurt lange aufrechtzuerhalten. Denn auf viele Niederlagen der Bayern kann man sich bekanntlich nicht verlassen. Ganz wichtig wäre, dass sie den direkten Vergleich, also das Spiel in München gewinnen und sich auch sonst keine Blöße geben.
In der Vergangenheit war es allerdings so gut wie immer so, dass die Bayern vor allem solche Spiele immer für sich entschieden haben. Wollen die Dortmunder tatsächlich Deutscher Meister werden, müssten sie diese Geschichte eben ändern. Auch in Frankfurt haben sie jahrelang nicht gewinnen können.
Das Spiel kippte für mich mit der Auswechslung von Sebastian Rode. Als der Kapitän und Anführer im Mittelfeld vom Platz musste, hatte ich den Eindruck, dass ein Ruck durch die Dortmunder Mannschaft ging und spätestens mit dem 1:2 kam der Glaube an die Wende.
Ich fühlte mich ein wenig an das Champions-League-Finale von 1999 erinnert, als meine Auswechslung für die Spieler von Manchester United möglicherweise eine Art Initialzündung war. Nach dem Motto: "Vielleicht geht noch was, wenn der nicht mehr auf dem Platz steht."
Dortmund hat diesen Sieg jedenfalls verdient. Auch weil Erling Haaland nach einem lustlosen Eindruck in der ersten Halbzeit niemals aufgesteckt hat. Er war zunächst frustriert über seine eigene Leistung und die Performance seiner Kollegen. Ob es der fällige, aber nicht erhaltene Pass in die Tiefe von Marco Reus war oder andere missglückten Aktionen. Der Sturm-Riese hat sich am Ende nicht hängen lassen und seiner Mannschaft bei der tollen Aufholjagd geholfen.
Aufgeben ist ein Fremdwort für ihn. Und auch sonst lässt er sich nichts gefallen und das finde ich klasse. Nachdem ihm die Attacken von Hinteregger und Borre zurecht nicht gefallen haben, hat er sich gewehrt. Er zeigt Emotionen, feiert mit seiner Mannschaft den Sieg wie einen Titel und stellt sich jeder Situation. Ich mag das. Und ich habe auch den Eindruck, dass er trotz der täglichen weltweiten Spekulationen um seine Zukunft alles auf dem Platz ausblendet. Das ist in so jungen Jahren nicht selbstverständlich. Er ist auch mental schon sehr stark.
Wo er landet, wird man sehen. Natürlich wären Real Madrid oder die Premier League total reizvoll. Vielleicht wird es aber auch der FC Bayern. Ich bleibe zwar dabei, dass die Gegenwart noch immer Robert Lewandowski gehört. Er ist heute der Beste der Welt. Wenn er allerdings nochmal etwas anderes möchte und die Chance hat, nach England in die spektakulärste Liga oder nach Madrid zu gehen, weil der Glanz dort ein wenig ausgeprägter ist, dann sollte man sich natürlich in München mit der größten Wette auf die Zukunft beschäftigten. Und die heißt Erling Haaland.
Wenn sich die Bayern und Lewy trennen sollten, was ich nicht hoffe, wäre Haaland der perfekte Nachfolger. Ob Bayern ihm finanziell aber das bieten kann, was die Top-Klubs im Ausland bereithalten, weiß ich nicht. Noch können wir mindestens ein paar Monate das genießen, was uns Lewandowski und Haaland Woche für Woche bieten. Spektakel und eine vielleicht spannende deutsche Meisterschaft…
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