Kolumne zur EM 2024 von Sky Reporter Sven Töllner - Euro-Visionen

WIR BRAUCHEN DEN KICK!

Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne ''EURO-VISIONEN'' auf die EM 2024 in Deutschland.
Image: Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne ''EURO-VISIONEN'' auf die EM 2024 in Deutschland.  © Sky

Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne ''EURO-VISIONEN'' mit Vorfreude auf die Heim-EM und hofft auf ein erfolgreiches Turnier. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Verlauf eines Heim-Turnieres positiven Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft nimmt.

Die EM hat noch nicht mal begonnen, und wir beschäftigen uns bereits mit den möglichen Folgeerscheinungen. Ernsthaft? Und überhaupt: Eine Fußball-Veranstaltung mit gesellschaftspolitischen Forderungen zu überladen, hatte sich ja bei der in vielfacher Hinsicht merk- und deshalb denkwürdigen WM in Katar nicht gerade als Erfolgsmodell erwiesen. Ein kluges Erwartungs-Management ist gefragt - ABER: Hoffnungen dürften ja wohl erlaubt sein. Atmosphärische UND sportliche! Seien wir ehrlich: WIR BRAUCHEN DEN KICK!

EURO 2024: Wann spielt Deutschland?

  • Gruppe: A
  • Gruppengegner: Schottland, Ungarn, Schweiz
  • 1. Spiel am 14.6. um 21 Uhr: Deutschland – Schottland
  • 2. Spiel am 19.6. um 18 Uhr: Deutschland - Ungarn
  • 3. Spiel am 23.6. um 21 Uhr: Schweiz - Deutschland

Die beiden jüngsten Groß-Turniere standen bekanntermaßen unter befleckten Sternen. Die als kunterbunte Vielvölker-Veranstaltung eingeplante Euro '21 zerfloss im Corona-Gewirr. Zu Katar ist alles gesagt - leider, könnte man hinzufügen. Denn die erhoffte Dauer-Lautstärke der Menschenrechts-Befürworter nach dem 18.12.2022, dem Tag des Finales, war bereits an Heiligabend in nennenswertem Ausmaß abgeklungen. In den Sportgeschichts-Büchern werden beide Events als Feste mit beschränkter Freude verewigt.

Ein unbelasteter EM-Sommer (!) wäre also mehr als wünschenswert. Aber geht denn das in einer Zeit, in der Kriege dem Kontinent eine Zerreißprobe auferlegen und die Europawahl beängstigende Tendenzen bestätigt hat? Vermutlich schon. Symbolische Gesten, die nach tagelanger Diskussion ungelenk auf die öffentliche Bühne gehievt werden, sind in diesem Zusammenhang nicht notwendig.

Die Spieler der 24 Teilnehmer-Nationen müssen sich sehr wohl ihrer Verantwortung bewusst sein. Niemand sollte sie gleichwohl in Kostüme zwingen, die ihnen nicht passen und ihnen Rollen zuteilen, die ihnen nicht behagen. Nicht nur aus deutscher Sicht heißt das: Geht raus und spielt Fußball! Das wäre beim ersten Turnier ohne den Kaiser gewiss nicht nur in Beckenbauers Sinne, sondern auch der verlässlichste Brückenbauer zwischen allen Beteiligten und Beobachtern.

EURO 2024 - Alle Gruppen im Überblick

  • Gruppe A: Deutschland, Schottland, Ungarn, Schweiz
  • Gruppe B: Spanien, Kroatien, Italien, Albanien
  • Gruppe C: Slowenien, Dänemark, Serbien, England
  • Gruppe D: Polen, Niederlande, Österreich, Frankreich
  • Gruppe E: Belgien, Slowakei, Rumänien, Ukraine
  • Gruppe F: Türkei, Georgien, Portugal, Tschechien

Vier Wochen Spaß an spektakulärem Spitzensport, der gerne auch ein paar kuriose, irritierende, aufregende, kontroverse und vor allem emotionale Momente produzieren darf - und möglichst wenig zusätzliche Belastungen heraufbeschwören sollte. Am besten gar keine! Ein Miteinander, das dabei hilft, die Sorgenfalten vieler Menschen straff zu ziehen - sozusagen ein Gute-Laune-Lifting-Mechanismus, dem niemand vorwerfen sollte, dass er mutmaßlich mit begrenzter Halbwertszeit daherkommt. Gestatten wir der Euro, uns einen Monat lang Erleichterung zu verschaffen und Lebensfreude zu kreieren.

WIR BRAUCHEN DEN KICK!

Mehr Fußball

Das gilt im Übrigen auch für den deutschen Fußball. Die vergangenen zehn Jahre waren schließlich überwiegend ernüchternd. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Verlauf eines Heim-Turnieres positiven Einfluss auf die Entwicklung der DFB-Elite nimmt. Der Gewinn des Titels ist dabei keineswegs eine Grundvoraussetzung. Der Triumph in München 1974 sollte sich in der Nachbetrachtung - beginnend mit Cordoba '78 - ja sogar eher als Ausgangspunkt einer bleiernen Zeit herausstellen, in die mit dem EM-Titel 1980 zwar ein Farbtupfer eingefädelt und mit den WM-Endspiel-Teilnahmen 1982 und 1986 das statistische Soll erfüllt wurde. Das Euro-Vorrunden-Aus 1984 und die mit unrühmlichen Episoden (Skandal von Gijon '82, Suppenkasper-Affäre '86) gespickten glanzarmen Kraftakte in Spanien und Mexiko gehören aber zweifellos zu den Wahrheiten einer Rumpel-Epoche.

EM 2024: Die EM-Fakten zur deutschen Nationalmannschaft

  • Gruppe: A
  • Gruppengegner: Schottland, Ungarn, Schweiz
  • Trainer: Julian Nagelsmann
  • Kapitän: Ilkay Gündogan
  • EM-Teilnahmen: 13
  • Europameister-Titel: 3 (1972, 1980, 1996)
  • EM-Rekordsieger: Deutschland und Spanien

Der Drehpunkt war 1988. In Deutschland ruckelte sich seinerzeit das Gerüst zurecht, das 1990 in Italien den verdienten Lohn einfahren sollte. Bei der unglücklichen Niederlage im EM-Halbfinale in Hamburg gegen die Niederlande, seinerzeit die Übermannschaft des Turniers, hat sich Jürgen Kohler vermutlich geschworen, dass er in internationalen Turnieren nie wieder eine unzureichend getimte Grätsche ansetzen wird. Klinsmann und Völler nährten die Hoffnungen, dass man sie als künftiges Weltklasse-Sturmduo einplanen darf und Lothar Matthäus wurde endgültig zum Anführer. Aus einer sportlichen Enttäuschung entstand eine der besten Mannschaften der deutschen Fußballgeschichte.

WIR BRAUCHEN DEN KICK!

Das Sommermärchen, das alle, die es vor 18 Jahren bewusst miterleben durften, so gerne nochmal reloaden würden, hatte ebenfalls eine beachtliche Signalwirkung. Die Skepsis zu Turnierbeginn weggewirbelt von frischen Gesichtern und einer Art Fußball zu spielen, die in Südafrika verfeinert und in Brasilien vergoldet werden sollte.

Trotz der jüngsten Stimmungsdämpfer gegen die Ukraine und Griechenland spricht einiges dafür, dass heute ein Turnier beginnt, das abermals als Impulsgeber taugen könnte. Der Trainer könnte endgültig den Schritt vom Not-Nagelsmann zum progressiven DFB-Vordenker vollziehen, dem angesichts seines überragenden Potenzials (und seines Alters) eine Erfolgs-Ära zuzutrauen ist - und der Deutschland bei der Dreistaaten-WM in Amerika 2026 wieder in den Kreis der ernstgenommenen Favoriten manövrieren könnte. Musiala und Wirtz sind sicher nicht so unterhaltsam wie Schweini und Poldi es ab 2006 waren. Rein fußballerisch wird man die beiden Ausnahmetalente dereinst aber womöglich sogar noch in ein höheres Qualitäts-Regal einsortieren dürfen.

Wir haben aktuelle Champions-League-Sieger im Kader (Rüdiger, Kroos), einen abgezockten Raumdeuter und Stimmungsbeschleuniger (Müller), einen uneigennützigen Polyvalenzler (Kimmich) und einen Weltklasse-Mann im Tor, der alles daransetzen wird, in sieben (!) Spielen sämtlichen Zweiflern den Stecker zu ziehen (Neuer).

In München haben die Deutschen am Freitagabend gegen Schottland die Gelegenheit, gemeinsam mit ihren Fans loszufliegen in ein erfolgreiches Turnier und eine vielversprechende Zukunft - mit EM-Titel oder ohne. Die Gute-Laune-Welle (wenn's geht mit Gute-Wetter-Unterstützung) könnten wir in dem Fall ziemlich sicher als erwünschtes Bei-Produkt einplanen.

KRIEGEN WIR ALLE GEMEINSAM DEN KICK '24? Gebrauchen könnten wir ihn jedenfalls ganz gut!

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