Kommentar zum Zerfall der Super League: Diese Runde ging an die Fans
22.04.2021 | 10:09 Uhr
Wenn im Fußball von einem Beben die Rede ist, wird häufig übertrieben, oft geht es nur um eine Trainerentlassung. Die Meldung, die in der Nacht vom 18. auf den 19. April über die Newsticker ging, war jedoch tatsächlich eine von erdrutschartigem Ausmaß. Ein Kommentar zur gescheiterten Super League.
Zwölf Vereine verkündeten ihre Teilnahme an der Super League und stellten sich damit gegen den Rest der Fußballwelt.
Die Aufregung war enorm, die Reaktionen - vor allem der Fans - waren heftig. So heftig, dass die Super League nur zweieinhalb Tage nach ihrer Verkündung wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist.
Nachdem die sechs englischen Vereine schon am Dienstag einen Rückzieher gemacht hatten, stiegen am Mittwochmittag auch Atletico Madrid, Inter und AC Mailand aus. Juventus Turin erklärte, "dass derzeit nur begrenzte Chancen bestehen, das Projekt in der ursprünglich angedachten Form zu realisieren." Real Madrid und der FC Barcelona haben bisher noch keine Statements abgegeben.
Klar ist: Der Schaden, den die beteiligten Vereine mit ihrem rücksichtslosen Vorpreschen angerichtet haben, ist enorm. Die Risse dürften kaum oder nur sehr schwer zu kitten sein.
Das "dreckige Dutzend" hatte komplett die Bodenhaftung verloren und aus reiner Geldgier gehandelt. Was die nationalen Ligen oder andere Vereine davon hielten, war ihnen egal. Selbst die Meinung ihrer eignen Trainer, die wie Jürgen Klopp oder Pep Guardiola keinen Hehl aus ihrer Ablehnung machten, interessierte sie nicht.
Doch sie hatten die Rechnung ohne die Fans gemacht. Die Anhänger wollen lieber Liverpool gegen Everton sehen als ständig Real Madrid gegen Juventus Turin, sie wollten sich nicht als Kanonenfutter für eine Geldbeschaffungsmaschinerie missbrauchen lassen. Sie gingen auf die Straße und vor die Stadien und brachten zumindest einige der Klubchefs zur Einsicht.
Manchester Uniteds Geschäftsführer Ed Woodward trat zurück, Liverpools Eigentümer John W. Henry entschuldigte sich bei den Fans der Reds, bei den Spielern und bei Klopp.
Auch aus kommunikativer Sicht war der Vorstoß eine Vollkatastrophe, die an Inkompetenz nicht mehr zu überbieten ist. Es gab weder eine gemeinsame Pressekonferenz, noch offizielle Erklärungen der zwölf Klubs, lediglich Real-Präsident Florentino Perez hatte im Anschluss ein Interview gegeben.
Bis kurz vor der Veröffentlichung in der Nacht zum Montag hatten die beteiligten Klubchefs den europäischen Fußballverband hinters Licht geführt, UEFA-Präsident Aleksander Ceferin bezeichnete Juventus Turins Boss Andrea Agnelli öffentlich als Lügner. Und das, obwohl dieser immerhin der Patenonkel seiner Tochter ist.
Agnelli hat sich als treibende Kraft verbrannt, Juve und die elf übrigen Klubs stehen als Verlierer da.
Gewinner sind die Vereine, die sich gar nicht erst nicht an der Super League beteiligen wollten, wie der FC Bayern, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain. Karl-Heinz Rummenigge, Agnellis Nachfolger in der UEFA-Exekutive, erklärte, der FC Bayern stehe "solidarisch zur Bundesliga" und ergänzte, für den deutschen Rekordmeister sei die Champions League "der weltweit beste Klubwettbewerb."
Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass die Champions League auch nicht gerade ein Wohltätigkeitsverein ist. Die gerade erst beschlossenen Reformen sind ein Zugeständnis der UEFA in Richtung der Big Players. Von den Fans werden sie jedoch äußerst kritisch gesehen. Sie sind es, die mit ihrem massiven Protest letztendlich die Super League verhindert haben.
Zumindest vorerst. "Juventus ist weiterhin bestrebt, die langfristige Wertschöpfung für das Unternehmen und die gesamte Fußballbranche zu verfolgen", hieß es in der Stellungnahme des italienischen Rekordmeisters. Es klang wie eine Drohung.
Doch es gibt Hoffnung. Das, was seit der Nacht vom Sonntag passiert ist, hat gezeigt, dass der Fußball noch nicht völlig verloren ist. Ohne die Basis läuft es nicht. Die Seismographen haben ausgeschlagen, diese Runde ging an die Fans.