Was macht der Bundestrainer?
02.07.2018 | 09:26 Uhr
Wie geht es bei der deutschen Nationalmannschaft weiter? Joachim Löw und Oliver Bierhoff haben Fehler gemacht, doch beim DFB sind sich die Verantwortlichen einig, dass sie bleiben müssen.
Vor der Woche der Wahrheit nahm sich Joachim Löw eine "Auszeit". In einem gleichnamigen Cafe in Freiburg besprach der Bundestrainer nach der WM-Blamage mit Freunden am Wochenende wohl auch seine Zukunft.
Löw kann ohne den großen Druck entscheiden, sein Job ist schließlich sicher: Denn trotz der krachend gescheiterten Titelmission in Russland hat sich das DFB-Präsidium in einer Telefonkonferenz schnell und einstimmig für eine Fortführung des bis 2022 datierten Vertrags ausgesprochen.
Löw ist am Zug, der einzige Wunsch der Verantwortlichen ist eine rasche Verlautbarung dessen, was er zu tun gedenkt. "Wir haben mit ihm besprochen, dass die Entscheidung zügig fallen muss. Er sieht das genau so", sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch am Sonntag. Eine Erklärung des Bundestrainers wird in den nächsten Tagen erwartet, wie sie ausfallen wird, davon hat Koch klare Vorstellungen: "Wir setzen darauf, dass er erklärt, weiter zu machen."
In seiner badischen Heimat grübelt Löw seit dem vergangenen Donnerstag. Dabei gibt er sich gewohnt lässig. Im schwarzen Mercedes-Cabriolet fuhr der 58-Jährige entspannt ins Cafe. Im Sonnenschein sitzend genoss er im weißen T-Shirt seinen geliebten Espresso.
Unterdessen erhält der Weltmeistercoach weiterhin viel Rückendeckung, seinen Rücktritt hat zumindest öffentlich noch kein Spieler, Verantwortlicher oder Experte gefordert. "Wir Spieler waren und sind in der Pflicht. Wir standen auf dem Spielfeld. Der Trainer hat uns klare Worte und Anweisungen mitgegeben, die wir nicht umgesetzt bekommen haben", sagte Jerome Boateng der Welt am Sonntag.
Ex-Nationalspieler und Sky Experte Christoph Metzelder gehört zu denen, die ohnehin keinen geeigneten Nachfolger sehen. "Da bin ich relativ blank, so wie wahrscheinlich alle anderen auch", sagte er im Gespräch mit Sky Sport News HD. Nun, Dietmar Hamann hätte da einen Vorschlag. "Mir fällt da nur der Freiburger Christian Streich ein, ich weiß aus der Liga von dessen großartigem Training und seinen taktischen Fähigkeiten", sagte der 59-malige Nationalspieler dem kicker.
Dieser Fakt wird Löw in seiner Entscheidung aber angeblich nicht beeinflussen: Die Süddeutsche Zeitung zitiert ein "langjährigen Vertrauten" Löws, der es für "wahrscheinlicher" hält, "dass Jogi aufhört, als dass er weitermacht". Doch einen Anhaltspunkt dafür gibt es nicht. DFB-Präsident Reinhard Grindel sieht "keine Anzeichen", dass Löw zurücktreten könnte.
Sollte Löw sich für die Erfüllung seines Kontraktes entscheiden, wird er wie angekündigt auch harte Entscheidungen treffen müssen, um die Nationalmannschaft zukunftsfähig zu machen. "Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, es braucht klare Veränderungen", sagte Löw. Oliver Bierhoff hatte schon Anfang März erklärt: "Wir brauchen den nächsten Masterplan."
Der Nationalmannschaftsdirektor muss sich ebenso wie Löw kritisch hinterfragen. Mit der Auswahl des WM-Quartiers in Watutinki, dem Löw den "Charme einer schönen Sportschule" attestierte, lag Bierhoff daneben. Wie Löw nach dem kurzzeitigen Umzug in sein geliebtes Sotschi für Bilder wirkungsvoll an der Strandpromenade posierte, darf als Seitenhieb gegen Bierhoff gesehen werden. Beide müssen wieder enger und vertrauensvoller zusammenarbeiten.
Bierhoff will sich durch den "Misserfolg" nicht alles schlecht reden lassen. "Es ändert nichts an dem, was die Spieler, Trainer und auch ich in den letzten 14 Jahren geleistet haben", hatte der Europameister von 1996 schon während des Turniers gesagt. Ob weitere Jahre hinzukommen? Diese Frage muss jetzt Joachim Löw beantworten. (sid)