Löw kontert Kritik und gibt Einblicke in seinen Taktik-Plan
Pressekonferenz vor Länderspielen
16.03.2019 | 13:21 Uhr
Bundestrainer Joachim Löw hat die heftige Kritik an der Ausbootung von Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng ungewohnt angriffslustig gekontert und Einblicke in seinen Master-Plan gegeben.
Joachim Löw verließ den Sepp-Herberger-Raum nach seiner 42-minütigen Verteidigungsrede lächelnd und sichtlich erleichtert. Der angriffslustige Bundestrainer hatte sich in der DFB-Zentrale gegen die Kritik nach der Ausbootung der Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng emotional zur Wehr gesetzt. Gleichzeitig trieb er mit der Nominierung der Neulinge Maximilian Eggestein, Niklas Stark und Lukas Klostermann den Umbruch weiter voran.
"Ich finde es befremdend, wenn manche über Respekt und Wertschätzung urteilen, obwohl sie gar nicht beim Gespräch dabei waren. Zeit ist auch kein Indikator für die Qualität eines Gesprächs", sagte Löw bei der Pressekonferenz anlässlich der Kadernominierung zum Start des Länderspieljahres.
Löw: Wollte unbedingt ehrlich sein
Es sei für ihn "das Allerwichtigste" gewesen, den Bayern-Spielern das Aus persönlich mitzuteilen. "Es ist mir emotional wahnsinnig schwergefallen, weil wir den Spielern viel zu verdanken haben." Außerdem habe er mit allen nochmals "in aller Ruhe telefoniert".
Für Kritik an dem Fakt, dass Löw die Nationalmannschaftskarrieren von Hummels, Müller und Boateng quasi für beendet erklärt hat, zeigte der Bundestrainer ebenfalls kein Verständnis. "Es wäre ein Eiertanz gewesen, Spielern mit 80, 90 oder 100 Länderspielen zu sagen: Mal sehen, was im Juni ist und wie sich die jungen Spieler entwickeln. Solchen Spielern will ich mit Ehrlichkeit begegnen."
Löw schließt Rückkehr von Hummels, Müller und Boateng aus
Die harte Wahrheit ist: Löw plant für die EM-Qualifikation und die Endrunde 2020 nicht mehr mit dem Trio. Eine mögliche Rückkehr der Spieler, wie zuletzt von Hummels öffentlich angesprochen, schloss Löw so gut wie aus: "Gibt es da so viele offene Fragen? Ich plane ohne sie." Löws Vorgänger Jürgen Klinsmann findet die Endgültigkeit unklug: "Was machst du denn, wenn Thomas Müller Torschützenkönig wird und auf einmal durchstartet?", fragte der frühere Bundestrainer am Freitag in Berlin.
Reinhard Grindel hat von der Ausbootung nicht von Löw erfahren. Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff habe am Vormittag der Mitteilung die Information des DFB-Präsidenten telefonisch übernommen, berichtete Löw. "Sportliche Entscheidungen treffe ich autark. Ich habe die absolute Entscheidungshoheit", stellte er klar. "Warum wir manche Leute nicht informiert haben? Der Kreis war klein, Oliver Bierhoff plus mein Trainerteam." Seine Aufgabe sei, Entscheidungen mit Bierhoff abzusprechen: "Er war involviert."
Das ist Löws Spielidee für die Zukunft
Generell unterstrich Löw, dass er den spät eingeleiteten Umbruch nach dem Horror-Jahr 2018 mit aller Macht fortsetzen will. Die jungen Spieler müssten nun "noch mehr zeigen, dass sie Stammspieler und Führungsspieler sein wollen", und "eine Schippe drauflegen", forderte Löw, der auch auf Jonas Hector (1. FC Köln) verzichtete.
Seine Spielidee für die Zukunft ist klar. "Ballbesitzfußball ist nicht tot", sagte Löw, "aber unser Spiel wurde berechenbar". Daher fordert er: "Mehr Dynamik, mehr Zielstrebigkeit, mehr Tempo. Die Spieler müssen handlungsschneller werden."
Die Kritik an Löw dürfte trotz des offensiven Auftritts nicht verstummen. Matthias Sammer kritisierte die Kommunikation im Fall der Bayern-Spieler. Keiner habe "wie ein Depp dastehen" wollen, sagte der Europameister von 1996 bei Eurosport, "und was ist passiert? Sie stehen im Prinzip alle beschädigt da." Löw wirkte dennoch zufrieden.