Gündogan über Sanes Zukunft: "Ist jetzt etwas schwieriger"
25.04.2020 | 22:06 Uhr
Ilkay Gündogan von Manchester City spricht im exklusiven Sky Interview über die Corona-Krise, Leroy Sane, die EM-Verschiebung und seine Hilfsaktionen in Heinsberg und Nürnberg.
Sky Sport: Ilkay, schön, dass es geklappt hat. Schön, dass Sie Zeit für uns haben. Wo sind Sie denn gerade?
Ilkay Gündogan: Das ist mein Büro. Ich sitze am Schreibtisch und habe hier ein paar schöne Erinnerungen auch an die letzten Jahre.
Sky Sport: Was sehen wir direkt hinter Ihnen?
Gündogan: Das Foto hier ist von der ersten Meisterschaft. Da ist Leroy auch drauf und ein paar andere Mitspieler. Da hatten wir einen Team-Event nach der Meisterschaft und da gab es eine Fotobox, in der man Bilder mit Hüten und Masken machen konnte. Dieses Bild hat glaube ich unsere Klubfotografin gemacht. Das hing bis vor ein paar Monaten noch im Trainingszentrum. Dann wurden neue Fotos aufgehängt und ich wurde gefragt, ob ich das Foto haben möchte. Das ist eine schöne Erinnerung.
Sky Sport: Haben Sie heute schon trainiert?
Gündogan: Noch nicht. Ich sitze schon in Sportklamotten hier. Ich habe noch ein paar Verpflichtungen, die ich machen muss. Danach geht es los. Es wird ein wenig anstrengender heute. Es ist ehrlich gesagt nicht so leicht, sich in dieser Zeit selbst zu motivieren. Jeden Tag aufs Neue und immer wieder dann das Training. Man kennt das, wenn die Leute im Homeoffice sind. Das ist auch nicht ganz so wie jeden Tag in die Arbeit zu fahren und da dann den Job zu erledigen. Man muss sich schon selber motivieren, etwas zu machen und zu arbeiten. Es gibt einige Tage, da fällt es etwas schwerer.
Sky Sport: Trainieren Sie mit Leroy zusammen oder nacheinander?
Gündogan: Leroy und ich sind nacheinander dran. Heute ist ein Tag, wo ich nicht weiß, was er macht. Aber es gibt so Tage, meistens Dienstag, Donnerstag und Samstag - wir haben beide den gleichen Fitnesstrainer in Deutschland - und wir machen immer unsere Einheiten über Facetime. Meistens bin ich zuerst dran, damit Leroy noch ein wenig schlafen kann. Es klappt bisher ganz gut und wir sind regelmäßig dabei und versuchen, uns zu disziplinieren.
Sky Sport: Sie wohnen ja quasi im selben Haus. Wie erleben Sie ihn gerade? Ist er wieder topfit? Ist er der Alte von den Skills her?
Gündogan: Für jeden ist die Situation ein wenig Fluch und Segen. Einerseits ist es nicht so schön, weil Leroy schon wieder mit der Mannschaft trainiert hatte, er war auch schon kurz davor, wieder zu debütieren, auch wenn er noch nicht ganz so weit war und noch das ein oder andere Wehwehchen hatte. Aber wie gesagt, er war kurz davor, wieder zu spielen. Und gerade für die Psyche ist es wichtig, nach so einer langen Zeit wieder zu spielen. Andererseits hat er jetzt vielleicht etwas mehr Zeit, an seinem Körper zu arbeiten und dann noch ergänzend etwas zu machen. Die Tatsache, dass alle anderen auch nicht spielen können, ist für ihn auch nicht so schlecht ehrlich gesagt. Die EM wurde jetzt auch verschoben. Das sind alles so Sachen, die ihm etwas mehr Zeit verschaffen. Ähnlich ist es zum Beispiel für Niklas Süle, der vielleicht die EM verpasst hätte. Ich habe vor ein paar Tagen mit ihm gesprochen. Ich finde, für ihn ist es auch eine schöne Situation, dass er jetzt noch ein Jahr Zeit hat, topfit zu werden, das ist für uns alle besser. Diesen Jungs kommt das schon ein bisschen entgegen, auch wenn die Situation etwas außergewöhnlich ist.
Sky Sport: Sie sind ja fast so ein bisschen der große Bruder von Leroy, wenn es um Ratschläge geht. Leute, die Sie kennen, sagen zumindest, dass Leroy sich schon mal ein Ratschlag abholt, z.B. bei seiner Verletzung. Sie hatten ja leider die identische Verletzung. Wie beratschlagen Sie über seine Zukunft aktuell?
Gündogan: Es gibt manche Themen, da sage ich schon mal was, aber eigentlich nur, wenn er mich fragt. Sportlich wurde ich von Leroy noch nie gefragt. Das ist auch ein Thema, über das wir nicht reden. Von dem her ist das ein Thema, dass er für sich selbst entscheiden muss. Er hat jetzt noch ein Jahr Vertrag. Das ist natürlich jetzt auch etwas schwieriger mit der ganzen Situation. Ich stelle mir das gerade nicht so leicht vor für Leute, deren Vertrag jetzt im Sommer ausläuft. Das ist natürlich der Worst Case. Ich habe das Glück, dass ich letztes Jahr erst verlängert habe um drei Jahre. Ich bin vertraglich noch okay soweit. Wie gesagt, das ist eine Situation, die muss er selbst entscheiden. Ich denke, dass in den nächsten Wochen schon wieder Normalität einkehren und sich die Sache wieder beruhigen wird. Dann wird er auch klarere Gedanken entwickeln und eine vernünftige Entscheidung treffen. Ich schätze ihn schon so ein, dass er selbst weiß, was er will.
Sky Sport: Stand jetzt müssen Sie sich noch keinen neuen Nachbarn suchen. Wir sind gespannt und warten ab, was passiert. Ilkay, Sie haben die Nationalmannschaft schon angesprochen. Sind die Chancen, im nächsten Jahr Europameister zu werden, besser als es dieses Jahr gewesen wäre, weil die Mannschaft in einer Findungsphase war?
Gündogan: Ehrlich gesagt weiß ich es nicht, das ist immer schwierig zu sagen. Es ist jetzt einfach so eingetroffen und das müssen wir akzeptieren. Vielleicht haben wir jetzt nochmal ein Jahr mehr Zeit, uns einzuspielen. Wir haben ja auch gerade vor ein, zwei Jahren angefangen, einen neuen Prozess einzuleiten. Der Bundestrainer hat manches ausprobiert mit etwas anderen Spielern, etwas anderen Systemen. Natürlich braucht sowas auch manchmal Zeit, sich zu entwickeln. Aber trotzdem glaube ich, dass bei solch großen Turnieren auch immer das Momentum wichtig ist. Wenn man gut in ein Turnier startet und vielleicht auch eine gute Vorbereitung hatte und das Team gut zusammengewachsen ist, dann spielt es oft keine Rolle, auf welchem Stand man gerade ist. Ich glaube, dass dann einfach der Moment wichtig ist, dass man darauf einfach voll fokussiert sein muss. Dann kann immer Großes passieren. Von dem her sehe ich das jetzt nicht unbedingt als Vorteil.
Sky Sport: Sie engagieren sich sehr in der Corona-Krise vor allem auch mit vielen Einzelaktionen. Sie haben der Feuerwehr Gelsenkirchen Masken gespendet, Sie haben in Heinsberg Lebensmittel ausgeliefert, Sie haben im Klinikum Nürnberg, in Ihrer alten Heimat, auch etwas hinterlassen. Warum engagieren Sie sich gerade bei diesen kleinen Aktionen? Warum ist Ihnen das so wichtig?
Gündogan: Weil ich mich mit diesen Dingen extrem identifizieren kann. In Heinsberg war ja quasi der Ausbruch, der in Deutschland stattgefunden hat. Heinsberg ist auch nicht so weit weg von meiner Heimatstadt, deswegen ist auch eine örtliche Beziehung da. Gelsenkirchen ist meine Heimatstadt. Da gab es auch die Möglichkeit, etwas zu machen. Natürlich haben wir das sofort verwirklicht. Und in Nürnberg habe ich jahrelang gelebt, habe dort meine erste Profistation gehabt. Und wurde angesprochen von meinem ehemaligen Schuldirektor, den ich sehr mag und den ich sehr schätze als Menschen, der mich auch schon hier besucht hat und mit dem ich auch ständig im Austausch bin. Er hat mich kontaktiert und wir haben uns etwas überlegt. Dementsprechend waren das alles Aktionen, wo ich zu 100 Prozent dahinter stand. Und wo ich als privilegierter Mensch einfach denke, das sind die Dinge, für die ich dankbar bin, das ich auch in der Situation bin, auch gerade da dann bei solchen Dingen zu helfen. Es gibt viele Menschen, denen es nicht besser geht. Es gibt Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben und jeden Tag schauen müssen, wo sie ihr Essen herholen. Und das nicht nur in dieser Corona-Krise, sondern das geht natürlich auch über diese Corona-Krise hinaus. Deswegen glaube ich, dass man immer irgendwo helfen kann. Gerade in dieser schwierigen Zeit jetzt umso mehr und dementsprechend war das für mich jetzt schon fast eine Ehrensache, da auch meinen Teil abzuliefern.
Sky Sport: Sie haben vor drei Wochen in einem Interview gesagt, dass man ja manchmal schon Angst haben muss, spazieren zu gehen, dass es komisch ist, raus zu gehen. Wie ist die Situation aktuell bei Ihnen? Wie geht es Ihnen damit? Wie ist es in England, wo es ja ein bisschen schwieriger ist als in Deutschland?
Gündogan: Ich glaube, wir hinken hier in England so ein bisschen hinterher. Unsere Zahlen sind nicht so prickelnd wie in Deutschland, obwohl ich mir das auch nicht immer so genau anschaue ehrlich gesagt. Ich will mir da auch nicht immer schlechte Laune machen. Aber man merkt schon, wenn man hier mal aus dem Fenster rausschaut, da merke ich schon, und ich wohne in der Stadtmitte, ist es ziemlich leer. Man sieht vielleicht vereinzelt Leute, die Fahrrad fahren, jetzt gerade bei schönem Wetter, und Leute auch, die Joggen gehen. Maximal Zweiergruppen, die spazieren gehen, aber auch nicht großartig viel. Ich persönlich versuche alle ein, zwei Tage auch mal kurz rauszugehen, gerade wenn das Wetter schön ist, wenn die Sonne scheint. Mich in einer einsamen Ecke hinzusetzen und einfach auch ein bisschen aufzutanken. Ich mache meinen Kaffee hier zu Hause, nehme mir dann vielleicht eine Flasche Wasser, gehe raus und setze mich dann in irgendeine Ecke.
Das Interview führte Marc Behrenbeck.