Citys überraschender Stabilisator
11.06.2023 | 00:02 Uhr
Experten und Fans waren erstaunt, als Manuel Akanji vergangenen Deadline Day vom BVB zu ManCity wechselte. In Dortmund war er während seiner viereinhalb Jahre nie wirklich unumstritten, aber in Manchester hat er sich zum absoluten Stabilisator entwickelt und greift nun nach Unsterblichkeit.
Akanji ist immer für eine Überraschung gut.
Auch sein Wechsel von Borussia Dortmund zu Manchester City schlug bei Twitter, Facebook & Co. hohe Wellen. Tenor: Was will ein englisches Topteam wie City mit dem Schweizer Nationalspieler, der in Dortmund zwar fast immer spielte und teils auch überzeugen konnte, aber den Ruf hatte, immer für einen dicken Bock gut zu sein? Tatsächlich kam Akanji in den vier kompletten Spielzeiten, in denen er in Schwarz-Gelb verteidigte und fit war nur zwei Mal in der Bundesliga nicht zum Einsatz.
Die Defensive war beim Vizemeister mit Akanji aber nie wirklich das Prunkstück - mindestens 41 Gegentore pro Saison setzte es für die Dortmunder immer. In seiner letzten Spielzeit waren es sogar 52. Der heute 27-Jährige überzeugte dabei zwar teilweise durch tolle Übersicht, eine clevere Zweikampfführung und starke Spieleröffnung, sorgte beim Anhang mit seiner Laize-fairen Spielweise aber auch wiederholt für Stirnrunzeln, ein Raunen und teils sogar für Pfiffe im weiten Rund des Signal Iduna Parks.
Als Akanji frühzeitig kommunizierte, seinen eigentlich noch bis 2023 laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen, war der Aufschrei bei den Fans dementsprechend nicht besonders groß. Erst recht, als die BVB-Bosse mit Niklas Süle vom FC Bayern und Freiburgs Nico Schlotterbeck zwei hochkarätige Verstärkungen für die Innenverteidigung an Land zogen.
Für Akanji war kein Platz mehr und er sollte schnellstmöglich verkauft werden, um noch einen Teil der 22 Millionen, die der BVB im Januar 2018 an den FC Basel überwies, wieder einzuspielen. Es gab wohl Interesse aus der Serie A und auch der FC Arsenal wurde immer wieder mit dem gebürtigen Wiesendangener in Verbindung gebracht, aber Akanji hatte klare Vorstellungen und war am Deadline Day immer noch Spieler von Borussia Dortmund.
Zumindest auf dem Papier, denn in den Planungen von Edin Terzic spielte er keine Rolle mehr. Für den 1,88-Meter-Mann unverständlich, wie er in einem Interview mit dem Blick erklärte: "Es war keine einfache Zeit für mich. Ich war ja Teil der Mannschaft und hatte einen laufenden Vertrag, war fokussiert und habe weiterhin Gas gegeben im Training", kritisierte Akanji. Und weiter: "Das Leistungsprinzip zählte nicht mehr, ich saß auf der Tribüne, egal, wie gut ich trainierte".
Das Interesse aus Manchester war somit für alle Beteiligten das Beste. Pep Guardiola wollte ob der enormen Belastung einen weiteren Abwehrspieler, der BVB kassierte ein Jahr vor Vertragsende noch rund 17,5 Millionen Euro für einen Spieler, für den man keinen Bedarf hatte und Akanji selbst konnte einerseits einen finanziell lukrativen Vierjahres-Vertrag unterschreiben und sich andererseits sportlich auf aller höchstem Niveau beweisen.
Und das hat Akanji - vieler Unkenrufe zum Trotz - tatsächlich gemacht. Egal ob als rechter Part der Dreierkette oder als einer der beiden Innenverteidiger der Viererkette und egal, wer neben ihm auflief: Akanji spielte bei City im Grunde immer - und konnte dabei auch vollstens überzeugen. Der Rechtsfuß kam in 47 Pflichtspielen zum Einsatz. Mehr als jeder andere Abwehrspieler beim Champions-League-Finalisten.
Zum Vergleich: Ruben Dias kam auf 42 Einsätze, Nathan Ake stand 40 Mal auf dem Platz, John Stones absolvierte 33 Pflichtspiele und Aymeric Laporte wurde 24 Mal von Guardiola auf den Rasen beordert. Überhaupt: Im gesamten Kader kommen nur Rodri (4386 Minuten), Ederson (4184), Erling Haaland (4041) und Ilkay Gündogan (4041) auf mehr Einsatzminuten als Akanji mit 3719 Minuten. Und das obwohl die Abwehrkante sein Debüt im himmelblauen Dress erst am achten Spieltag gab.
Beim Wechsel am Deadline Day wurde Guardiola belächelt, als er erklärte, dass Akanji "perfekt" in die Planungen der Sky Blues passen würde. Doch er hatte Recht: Vor allem die schnelle Auffassungsgabe sorgt beim Coach für Verzückung: "Manchen Spielern muss man alles zehn Mal erklären oder mit ihnen zehn Mal üben, bevor sie verstehen, was man von ihnen will. Er bestreitet eine Trainingseinheit und kapiert es sofort", schwärmt Guardiola. Überhaupt sei Akanji "ein Geschenk für jeden Trainer".
Und dieses "Geschenk" zahlte das entgegengebrachte Vertrauen zurück. Oasis-Sänger und City-Edelfan Liam Gallagher adelte Akanji nach dem 6:3-Kantersieg gegen Stadtrivale United im Oktober 2022 als "neuen Kompany".
Ralf Rangnick schwärmte bei Sky während des Spitzenspiels der Cityzens gegen Arsenal im April: "Man kann ihn gegenüber seiner Zeit bei Borussia Dortmund kaum wiedererkennen. So etwas ist möglich, wenn ein Trainer wie Guardiola so von einem Spieler überzeugt ist, sich in einen Spieler verliebt hat, mit ihm so viel arbeitet, spricht und ihn entwickelt."
In den K.o.-Spielen der Königsklasse stand Akanji folglich in jeder Partie über die komplette Spieldauer auf dem Platz und heimste nach dem 3:0-Sieg im Viertelfinalhinspiel gegen den FC Bayern ein Sonderlob von Guardiola ein: "Er war großartig", so der 52-Jährige über seinen Stabilisator.
Auch im Finale am kommenden Samstag gegen Inter wird Akanji höchstwahrscheinlich wieder in der Startformation stehen. Mit einem Sieg gegen die Italiener würde City endlich den langersehnten Henkelpott ins Etihad holen. Es wäre logischerweise auch das erste Triple für den Klub.
Bei den Fans würde sich die Mannschaft - und somit auch Akanji, unsterblich machen. Nach vielen Enttäuschungen in den vergangenen Jahren könnte es also ausgerechnet mit dem ehemaligen Dortmunder als Leistungsträger zum großen Coup reichen. Das hätten wohl die wenigsten erwartet, als der Transfer verkündet wurde.
Aber Akanji ist eben immer für eine Überraschung gut.