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Ottmar Hitzfeld über Corona, Fußball und Geisterspiele

Hitzfeld: Geisterspiele vielleicht ein kleines Glücksgefühl

Ottmar Hitzfeld im Jahr 2014 während einer Gala der FIFA.
Image: Ottmar Hitzfeld im Jahr 2014 während einer Gala der FIFA.  © Imago

Im zweiten Teil des großen Interviews spricht Ottmar Hitzfeld bei Sky Sport über seine Gedanken zur Corona-Krise, Erinnerungen an seine Zeit bei Borussia Dortmund, die Sehnsucht nach Bundesliga-Nachmittagen, Geisterspiele und das Fußballgeschäft.

Sky Sport: Herr Hitzfeld, Sie sind ja mittlerweile dreifacher und stolzer Großvater. Wie sehr vermissen Sie ihre Enkel?

Hitzfeld: Sehr. Wir sehen uns täglich via FaceTime. Mein Sohn lebt mit seiner Frau und den Kindern in München. Die Kleinen sind ein, zwei und vier Jahre alt. Da ist natürlich was los daheim. Sobald es wieder geht, fahren wir natürlich hin. Wir können alle dankbar sein, dass es diese tolle Möglichkeit gibt und man sich jetzt beim Telefonieren sehen kann. Das war ja früher undenkbar. Und die schweren Zeiten, haben auch ein paar positive Seiten. Normalerweise telefoniert man ein bis zweimal die Woche. Jetzt kann man sich jeden Tag ein paar Minuten sehen und tut das auch. Die Familie rückt trotz der Distanz näher zusammen.

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Sky Sport: Welche Gedanken und Gefühle beschäftigen Sie in unserer aktuell schwierigen Zeit am ehesten?

Hitzfeld: Die unschönen Nachrichten beschäftigen uns alle ja mittlerweile seit vielen Wochen und ich entziehe mich nun langsam aber sicher mehr und mehr den täglichen Schreckens-Informationen. Das zieht einen ja nur noch mehr runter. Täglich gibt es mehr Experten, die uns immer noch mehr Erkenntnisse liefern. Aber das macht das Leben auch nicht einfacher. Was mich am meisten beschäftigt, sind die vielen Schicksale und Existenzen, die bedroht sind. Menschen, die ihre Arbeit verlieren und denen das so sehr schadet. Das kommt ja zur Gesundheits-Bedrohung erschwerend hinzu.

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Sky Sport: Überwiegen die Hoffnung oder die Sorgen bei Ihnen?

Hitzfeld: Man kann nicht viel mehr machen, als sich an die Regeln zu halten, vernünftig zu sein und auf das Beste zu hoffen. Ich war schon immer ein Mensch, der versucht, alles so positiv wie möglich zu sehen und niemals die Hoffnung aufgibt. Politiker will ich in diesen Tagen nicht sein. Man kann ja nicht auf alles eine Antwort haben und doch stehen Angela Merkel und alle anderen permanent unter Beobachtung. Ich finde es gut, dass sie sich nicht täglich zu Wort meldet, sondern das mit ruhiger Hand macht. Generell habe ich den höchsten Respekt vor diesen Menschen, die nun so wichtige Entscheidungen für uns alle treffen müssen.

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Sky Sport: Was vermissen Sie momentan am meisten? Einen Besuch beim Friseur, eine Runde Golf…?

Hitzfeld: Den Fußball. Samstag, 15.30 Uhr. Tore, Spannung, Entscheidungen. Das fehlt mir schon ziemlich. Auch die entscheidende Phase der Champions League und der europäische Spitzenfußball. Da ich mir so gut wie nie alte Spiele anschaue, vermisse ich die Aktualität auf dem Rasen umso mehr.

Sky Sport: Dabei gab es doch so einige tolle Spiele, bei denen Sie auf der Bank saßen. Keine Lust auf schöne Erinnerungen?

Hitzfeld: Ich musste mich kürzlich mit meiner Zeit beim BVB von 1995 beschäftigen. Da habe ich gemerkt, wie das sofort wieder Stress in mir verursacht hat.

Sky Sport: Obwohl das 25 Jahre her ist?

Ottmar Hitzfeld gönnt sich bei Borussia Dortmunds Meisterfeier 1996 eine Zigarre.
Image: Ottmar Hitzfeld gönnt sich bei Borussia Dortmunds Meisterfeier 1996 eine Zigarre.  © Imago

Hitzfeld: Ja. Das ist in Fleisch und Blut übergegangen. Das kann man kaum abstreifen. Dieses Gefühl, eine Entscheidung treffen zu müssen. Die Folgen für einen Klub und all die Fans zu verantworten. Es war eine tolle Zeit, aber sie hat auch viel Kraft und Nerven gekostet. Und da ich selbst beim Zuschauen sofort wieder daran erinnert werde, muss ich das nicht permanent wieder heraufbeschwören.

Sky Sport: Sollte der Ball so schnell wie möglich wieder rollen? Oder sollte man in ihren Augen lieber etwas länger warten und das Risiko weiter minimieren?

Hitzfeld: Wenn Sie mich fragen, was ich mir wünsche, sage ich Ihnen, dass das die Spiele sind. Ob das jetzt forciert werden soll und darf, ist eine andere Sache. Das entscheiden ja am Ende nicht die Vereine, sondern die Entscheidungsträger der Politik. Eines ist ganz klar: Die Gesundheit steht über allem. Wenn es aber die Maßnahmen gibt, von denen die Rede ist und mit denen die höchst mögliche Sicherheit garantiert werden kann, dann wäre es für alle Fans bestimmt eine schöne Ablenkung für die Seele. Deshalb wären auch Geisterspiele am Ende vielleicht doch eine Art kleines Glücksgefühl in dieser schweren Zeit. Aber nur, wenn es vernünftig ist. Wäre doch schön, wenn man im Fernsehen nicht nur Corona-Talks zu sehen bekäme.

Sky Sport: Was denken Sie, wenn Sie lesen, dass so mancher Verein, nach nur ein paar Wochen ohne Einnahmen am Rande der Existenz steht?

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Hitzfeld: Die Vereine stehen unter enormen Druck der Medien, der Fans, der Öffentlichkeit. Alle wollen Siege und Erfolge und drängen zu immer mehr Investitionen. Wenn die Erfolge dann trotzdem ausbleiben, gerät man in einer Millionen-Branche schnell in Schwierigkeiten. Es steht denke ich fest, dass ein Umdenken stattfinden muss. Transfersummen, Gehälter, Kadergrößen. All das sollte zurückgeschraubt werden und gesünder und schlanker finanziert sein. Der 222-Millionen-Euro-Transfer von Neymar hat dem Fußball geschadet und wird sich so schnell nicht wiederholen. Das war kaum vermittelbar und wird es in Zukunft überhaupt nicht mehr. Die Vereine könnten sich in Zukunft mehr auf die Ausbildung ihrer Jugendspieler konzentrieren. Talente fördern. Vielleicht ist es eine Idee, Spieler in Zukunft zu leihen und nicht gleich für extrem viel Geld zu kaufen. Der Fußball hat eine Vorbild-Funktion und muss dem Menschen auf der Straße vermittelbar sein. Das könnte eine positive Folge der Corona-Krise sein. Mehr Nachhaltigkeit und weniger Risiko-Geschäfte.

Hier geht es zu Teil 1: Hitzfeld über den FC Bayern, Flick, Kahn, Salihamidzic und Hoeneß

Das Interview führte Mario Volpe

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