Philipp Lahm im exklusiven Interview mit Sky
Lahm im Sky Interview über Alaba, Boateng, Upamecano & Rose
18.02.2021 | 20:28 Uhr
Philipp Lahm spricht im exklusiven Interview mit Sky über sein neues Buch, den Abschied von David Alaba und dessen Folgen für den FC Bayern sowie seinen Nachfolger Dayot Upamecano. Außerdem äußert sich der EM-Botschafter zur aktuellen Planung des Turniers in der Corona-Pandemie.
Sky Sport: Was ist der Unterschied bei diesem Buch im Vergleich zu Ihrem ersten?
Philipp Lahm: Das erste war eine klassische Biografie. Das zweite ist eher meine Meinung und die Sicht auf den Fußball, auf einen Querschnitt des Fußballs sozusagen: verschiedene Themen wie Jugendfußball, ehrenamtliches Engagement im Fußball, aber auch die Schattenseiten des Fußballs wie Rassismus, Gewalt im Stadion und Homophobie. Das sind alles Themen."
Sky Sport: Was war für Sie die wichtigste oder die persönlichste Botschaft in Ihrem Buch?
Lahm: Das sind alles wichtige Themen, die ich da in dem Buch behandle. Was mir sehr, sehr wichtig ist, ist der Jugendfußball und was der Fußball in unserer Gesellschaft für einen Stellenwert hat, auch zu Recht hat. Das ist mir sehr wichtig und das wird man da auch rauslesen können.
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Sky Sport: Sie haben das Thema Homophobie angesprochen. Die Redaktion von 11Freunde hat die Aktion "Ihr könnt auf uns zählen" gestartet mit dem Aufruf, sich zu outen. Sie sagen ihn Ihrem Buch, dass aktuell noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Warum ist das aus Ihrer Sicht so?
Lahm: Erst einmal ist das eine tolle Aktion und es freut mich auch sehr, dass es so eine Aktion gibt. Ich warne eher vor den Gefahren. Was auf einen zukommen kann. Ich denke, dass ist auch meine Aufgabe, auf Gefahren hinzuweisen. Aber ich würde jeden unterstützen, der diesen Schritt geht.
Sky Sport: Welche Gefahren meinen Sie konkret?
Lahm: Ich denke vor allem an die Gefahren im Stadion, wenn man sich einige Spiele anschaut und sieht, was im Stadion passiert in Sachen Gewalt und Rassismus. Wenn jeder Fan so reagieren würde wie damals in Münster gegen Würzburg, wo die Zuschauer reagiert haben auf eine rassistische Beleidigung und die Person ausgeschlossen und sie identifiziert haben. Wenn das immer so passieren würde, das wäre wünschenswert.
Sky Sport: In Ihrem Buch geht es auch um Erfolg. Sie haben einmal fünf Titel in einer Saison gewonnen, die Bayern haben jetzt sechs Titel. Was sagen Sie zu dieser historischen Leistung?
Lahm: Sensationell, besser geht es nicht! Ich habe mir so gut es geht alle Spiele angeschaut und halte es auch für absolut verdient.
Sky Sport: David Alaba hat seinen Abschied vom FC Bayern jetzt offiziell verkündet. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung? Wird er eine Lücke reißen?
Lahm: Das ist schade, weil man sich den FC Bayern ohne David Alaba nicht mehr vorstellen kann. Andererseits muss man den Spieler auch verstehen, wenn er eine neue Herausforderung sucht. Was den Bayern fehlen wird, ist ein herausragender Fußballer, der Verantwortung übernommen hat, vor allem als Innenverteidiger. Und einer, der sich zu einhundert Prozent mit diesem Verein identifiziert hat, was enorm wichtig ist.
Sky Sport: Waren Sie überrascht von der Wucht der Aussagen aus der Fan-Szene? Nach dem Motto: Er hat nur auf das Geld geschaut.
Lahm: Er hat ja seine Beweggründe erklärt und das muss man auch verstehen, dass Spieler auch mal weg wollen, etwas anderes sehen wollen und eine neue Herausforderung suchen. Das muss man einem Spieler zugestehen.
Sky Sport: Jerome Boateng wird die Bayern evtl. auch noch verlassen. Damit würde eine zweite Säule bei den Bayern wegbrechen.
Lahm: Ich habe mit beiden lange zusammen gespielt. Es sind beides hervorragende Fußballer, die immer, wenn es drauf ankam, Top-Leistung abgerufen haben. Nicht umsonst haben beide zweimal das Triple gewonnen. Jerome ist auch noch Weltmeister geworden. Die Frage ist: Wie sehen es die Verantwortlichen? Wie sieht es Boateng selbst? Will er überhaupt bleiben? Diese Fragen müssen sich alle Beteiligten stellen. Aber es war eine große Erfolgsgeschichte mit den beiden.
Sky Sport: Aber wie ist Ihre persönliche Einschätzung dazu - auch aus Ihrer Erfahrung heraus?
Lahm: Man kennt den FC Bayern gar nicht mehr ohne Manuel Neuer, Thomas Müller, Robert Lewandowski, der jetzt schon lange da ist, aber eben auch Boateng und Alaba. Und deshalb wird es mir auch weh tun, da ich jahrelang mit ihnen beim FC Bayern gespielt habe. Aber man muss beide Seiten immer verstehen.
Sky Sport: Es wurde ja bereits Ersatz geholt. Was sagen Sie zur Verpflichtung von Dayot Upamecano?
Lahm: Das ist ein sehr guter Spieler in einem super Alter, der sich noch entwickeln kann und wahrscheinlich auch noch ein bisschen entwickeln muss. Er muss noch etwas mehr Erfahrung sammeln. Aber er hat gute Voraussetzungen, hat Tempo, ist zweikampfstark sowie ein gutes Passspiel. Ein richtig guter Transfer, wie ich finde.
Sky Sport: Er muss sich aber auch erst noch an die Bayern gewöhnen und den Erfolgsdruck. Das ist schon etwas anderes als in Leipzig.
Lahm: Ja, und der Konkurrenzkampf ist eventuell auch etwas größer. Klar, jeder muss sich immer wieder neu beweisen, das gilt aber auch für die etablierten Spieler beim FC Bayern. Es geht jede Saison immer wieder von vorne los und man muss immer wieder seine Leistung zeigen - und das beim FC Bayern München in der Regel alle drei bis vier Tage.
Sky Sport: Sie waren ein Weltklasse-Rechtsverteidiger und haben eine Ära geprägt. Nun ist hinter Benjamin Pavard ein kleines Vakuum entstanden, Bouna Sarr hat nicht wirklich gezündet.
Lahm: Ich finde, man muss den Spielern, vor allem auch jüngeren Spielern Zeit geben. Wenn man nur ab und zu spielt, muss man genau dann in diesen Spielen auf den Punkt die Leistung bringen. Deshalb ist es für mich auch schwierig, das zu beurteilen. Dass Pavard seine Sache gut gemacht hat, hat das Triple gezeigt. Mit Josuha Kimmich haben sie ja noch eine weitere Option. Ich sehe ihn auch eher im Mittelfeld, aber sie haben mit ihm eben auch eine Option als Außenverteidiger.
Sky Sport: Marco Rose wechselt von Borussia Mönchengladbach zu Borussia Dortmund. War das ein guter Transfer für den BVB? Wird Rose so eine Art Jürgen Klopp 2.0?
Lahm: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nie unter ihm trainiert habe. Für mich macht er aber einen sehr, sehr guten Eindruck. Aber das kann nur jemand beurteilen, der tagtäglich mit ihm arbeitet, deswegen kann ich dazu sehr wenig sagen.
Sky Sport: Er hat eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag. Das haben jetzt immer mehr Trainer. Finden Sie das gut, dass Trainer solche Möglichkeiten haben oder sehen Sie das in Hinblick auf die Kontinuität auf so einer wichtigen Position schwierig?
Lahm: Der Optimalfall ist natürlich, wenn ein Trainer länger bleibt. Aber Verträge werden ja von beiden Seiten unterschrieben. Deshalb gibt es immer ein Für und Wider. Wenn beide damit einverstanden sind, ist es in Ordnung.
Sky Sport: Die Europameisterschaft 2021 soll in zwölf verschiedenen Ländern ausgetragen werden. Ist das in Zeiten von Corona noch praktikabel?
Lahm: Glauben Sie mir, da machen sich aktuell ganz viele Leute ganz viele Gedanken darüber. Wir lernen jeden Tag in der Pandemie dazu. Jeden Tag gibt es neue negative oder auch manchmal positive Nachrichte wie zuletzt in Sachen Inzidenzwerte. Wir werden es dann sehen. Aktuell wird weiter mit zwölf Austragungsorten geplant.
Das Interview führte Torben Hoffman.