Grifo vor Duell mit BVB: "Hier schon einige geile Spiele absolviert"
06.02.2021 | 15:33 Uhr
Vincenzo Grifo ist Freiburgs Top-Scorer in dieser Saison. Der frischgebackene Vater erklärt exklusiv gegenüber skysport.de, wie die Breisgauer die Negativ-Serie gegen den BVB beenden wollen. Zudem spricht er über seine Ziele mit der italienischen Nationalmannschaft und seinen großen Traum.
skysport.de: Herr Grifo, vor einigen Tagen sind Sie zum ersten Mal Vater geworden. Was hat sich seit der Geburt Ihrer Tochter in Ihrem Leben verändert und erhält man durch solch ein Ereignis einen Extra-Push?
Vincenzo Grifo: Es hat sich einiges getan, in den ersten Wochen muss jetzt schon alles nach ihrer Nase tanzen. Du bereitest das Essen vor, und dann will sie plötzlich die Milch oder die Windel ist voll. Aber natürlich gibt es mir und meiner Frau auch einen Extra-Push. Wir sind jetzt seit zehn Jahren zusammen und haben uns zusammen weiterentwickelt. Wenn du deine Tochter im Arm hältst und sie dich anlächelt, dann kommen mir die Tränen. Wir sind stolz und es macht sehr viel Spaß.
skysport.de: Wissen Sie, was am 8. Mai 2010 war?
Grifo (überlegt): 2012 habe ich mein Bundesliga-Debüt gefeiert, davor war ich beim KSC. Vielleicht habe ich bei einem Hobby-Turnier mitgespielt ...
skysport.de: Möglich, aber so lang liegt der letzte Sieg von Freiburg gegen den BVB zurück. Ihr Trainer Christian Streich hat in der Bundesliga gegen jeden Gegner mindestens einmal gewonnen - nur nicht gegen Dortmund. Warum tut ihr euch gegen diesen Gegner so schwer?
Grifo: Sie haben natürlich eine unglaublich hohe Qualität in ihren Reihen und sind auch individuell herausragend besetzt. Jeder Fehler wird da gnadenlos ausgenutzt. Im Pokal gegen Paderborn mussten sie jetzt ordentlich Kilometer abspulen, aber natürlich werden sie am Samstag (15:30 live auf Sky) wieder brennen. Sie sind immer sehr heiß hier in Freiburg, weil sie genau wissen, was sie erwartet.
skysport.de: Wie wollt ihr die Negativ-Serie beenden?
Grifo: Wir wollen genauso griffig, genauso eklig und genauso guten Fußball spielen, wie wir es in den letzten Wochen gemacht haben. Kämpfen, ehrgeizig mit Herz dabei und zuhause ein richtiges Ausrufezeichen setzen. Wenn das Spielglück auch etwas auf unserer Seite ist, dann ist auf jeden Fall alles möglich. Wir haben hier schon einige geile Spiele absolviert gegen die großen Teams wie Bayern, Dortmund, Gladbach oder Leverkusen und schon öfters unter Beweis gestellt, dass wir es können.
skysport.de: Der BVB musste im Pokal in die Verlängerung, einige Spieler schienen am Limit zu sein …
Grifo: Wenn man Samstag, Mittwoch, Samstag oder gar Freitag spielt, ist das schon eine harte Belastung. Wenn man das über Jahre macht - und in dieser Saison ist es aufgrund der geringen Pause ja sehr speziell - kann man sich da nicht viel erholen.
skysport.de: Ist das möglicherweise ein kleiner Vorteil für ihre Mannschaft?
Grifo: Ich kenne ja den Ablauf eines Fußball-Profis. Am Tag danach wird regeneriert und anschließend auch nicht so hart trainiert. Nach der Anreise kann man samstags auch wieder frisch sein, je nachdem, wie man es mental verarbeitet hat. Wir wollen das aber schon als Vorteil ausnutzen und immer einen Schritt schneller sein. Wenn wir das hinkriegen, sind die Chancen auf alle Fälle da.
skysport.de: Nun hat die Borussia in dieser Saison schon einige Tore nach Standards kassiert und Sie gelten als einer der besten Standardschützen der Bundesliga. Wird darauf in der Vorbereitung nochmal ein besonderer Fokus gelegt?
Grifo: Natürlich beschäftigen wir uns mit den Standards, aber wir bereiten uns generell auf jeden Gegner auch über die Standards vor, denn das kann immer ein Dosenöffner sein. Wir haben starke Schützen mit Johnny (Jonathan Schmid, Anm.d.Red.), Günni (Christian Günter, Anm.d.Red.) und mir und wollen das natürlich ausnutzen. Ein Tor zu erzielen oder ein Spiel zu gewinnen mit einer eingeübten Standardsituation ist sensationell.
skysport.de: Woher kommt die Gefährlichkeit bei Ihren ruhenden Bällen und worauf kommt es beim Trainieren der Standards besonders an? Haben Sie da bestimmte Vorbilder?
Grifo: Absolut, ich habe mir in etlichen Videos die Schusstechniken beispielsweise von Ronaldinho, Juninho, David Beckham, Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi angeschaut. Aber am Ende bin ich Vincenzo Grifo und schieße so, wie ich es am besten kann. Man kann sich viele Tipps holen, aber letztlich muss man für sich herausfinden, was der beste Ablauf eines Freistoßes für einen ist. Wie bekomme ich die Bälle am besten so hin, dass sie für meine Mitspieler passen und für den Gegner gefährlich sind? Dahinter steckt viel Arbeit und in Verbindung mit Videoanalysen kann man sich da weiterentwickeln. Daran arbeite ich sehr hart.
skysport.de: Jetzt stehen Sie mit Freiburg aktuell auf Platz neun und haben zehn Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang: Ist es schon erlaubt, nach oben zu schielen und welche Ziele habt ihr euch gesetzt für die Rückrunde?
Grifo (schüttelt energisch den Kopf): Nach oben zu schauen ist bei uns definitiv nicht erlaubt. Wir haben uns eine gute Position erarbeitet, wissen aber auch, wie kurios der Fußball sein kann. Wir hätten sogar noch den einen oder anderen Punkt mehr holen können, aber wir jammern und beklagen uns nicht. Wir haben uns das Ziel gesetzt, in der Rückrunde genauso zu punkten und vor allem von der Art und Weise her so zu spielen wie in der Hinrunde.
skysport.de: Was macht Freiburg trotz des Abgangs von einigen Leistungsträgern im Sommer so stark?
Grifo: Wir sind sehr fokussiert, sehr demütig, sehr hungrig und arbeiten tagtäglich an uns. Keiner schert aus und läuft hier rum, als wäre er der König von Freiburg. Auch im Erfolg arbeiten wir an unseren Schwachstellen und das macht uns als Truppe aus.
skysport.de: Sie haben einen großen Anteil daran und sind mit sieben Toren sowie vier Vorlagen Freiburgs Top-Scorer. Wieso läuft es für sie persönlich derzeit so gut?
Grifo: Da kommen viele Komponenten zusammen. Ich bin glücklich, fit, in einer guten Form und stehe häufig auf dem Platz. Momentan habe ich eine Phase, in der vieles gut für mich läuft. In erster Linie geht es aber um die Mannschaft. Ich möchte helfen, alle mitreißen und zeigen, dass ich vorangehe. Ich habe natürlich auch schon andere Zeiten als Fußballprofi erlebt, in denen es nicht so rund lief, aber auch daraus konnte ich viel lernen. Wenn ich mit Toren oder Vorlagen dazu beitragen kann, dass wir als Mannschaft erfolgreich sind, bin ich der glücklichste Mensch.
skysport.de: Kurz vor Weihnachten ist Ihnen sogar ein Kopfball-Tor gelungen. Hat Nils Petersen mittlerweile seine Wettschulden eingelöst? Stichwort Waschtasche …
Grifo (lacht): Nein, hat er noch nicht, aber ich setze ihn da auch nicht unter Druck. Nils ist ein feiner Kerl und wird sein Wort halten. Das war am Anfang ein kleiner Gag zwischen uns und er hat mich damit etwas aufgezogen. Das Tor gegen Berlin war ja auch ein bisschen glücklich, weil ich den Ball etwas weiter oben getroffen habe, aber anders wäre er wohl auch gar nicht reingegangen. Ich war so überglücklich und bin direkt zu Nils gerannt, der oben auf der Tribüne saß, um zu zeigen: "Hier, ich habe es geschafft." Er hat mich damit angespornt, vielleicht war es auch eine gute Taktik von ihm. Das war eine witzige Geschichte, aber die Waschtasche habe ich noch nicht bekommen.
skysport.de: Inwiefern sind Freiburg und Christian Streich das perfekte Umfeld für Sie, um Ihre Bestleistung abzurufen?
Grifo: Ich fühle mich unheimlich wohl in Freiburg, sowohl familiär als auch sportlich. Meiner Frau geht es hier gut, meine Familie kommt gerne zu Besuch und das Stadion ist eine Sensation, vor allem wenn es voll ist. Die Fans sind unglaublich, sie haben mich immer unterstützt. Ich bin ja dreimal nach Freiburg gewechselt und sie haben mich immer mit offenen Armen empfangen. Dazu schenkt mir das Trainerteam viel Vertrauen und dann noch diese unfassbaren Jungs. Wir haben wirklich eine tolle Atmosphäre in der Kabine. Ich spüre das Vertrauen und möchte das mit meinen fußballerischen Fähigkeiten zurückzahlen.
skysport.de: Existiert trotzdem bei Ihnen noch der Traum von der Serie A?
Grifo: Der Traum besteht definitiv, vor allem für mich als Italiener, der viel Serie A geschaut hat und nun für die Nationalmannschaft spielt. Aber ich habe in Freiburg eine zweite Familie gefunden, bei der ich mich sehr wohl fühle und wo vieles passt. Momentan bin ich hier happy und wir haben das Ziel, den Klassenerhalt zu schaffen und weiter in der Bundesliga bleiben. Es ist wichtig, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren und sich nicht von anderen Dingen ablenken zu lassen. Das sind dann vielleicht die paar Prozentpunkte, die am Ende fehlen.
skysport.de: Stichwort Italien: Im November haben Sie ihre ersten beiden Länderspieltore erzielt. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?
Grifo: Diesen Moment werde ich nie vergessen. Ich bin ja ein Italiener, der in Deutschland aufgewachsen ist, und da ist es etwas schwieriger, für die Nationalmannschaft auffällig zu sein. Ich habe mir als kleiner Junge mit neun oder zehn Jahren Trikots der Nationalmannschaft gekauft und davon geträumt, eines Tages für die Squadra Azzurra aufzulaufen und dieses Trikot zu tragen. Dann spielt man in der Bundesliga und denkt sich: 'Vielleicht ist dieses Ziel gar nicht so weit entfernt.' Wenn man dann das erste Mal nominiert wird, sind das Glücksgefühle, die ich unglaublich schwer beschreiben kann. Plötzlich stehst du auf dem Platz mit dem Originaltrikot und den vier Sternen auf der Brust und singst die Hymne. Und dann noch die zwei Tore gegen Estland …
skysport.de: Haben Sie von dem Spiel ein Erinnerungsstück?
Grifo: Das Trikot hängt bei mir im Flur, eines habe ich meinen Eltern geschenkt. Der Ball hat leider nicht mehr in die Tasche gepasst und die Schuhe waren kaputt. Ich habe das Paar unterschrieben und unserem Zeugwart gegeben, weil ich ihm das versprochen hatte.
skysport.de: Im Sommer findet die EM statt, wie schätzen Sie ihre Chancen auf eine Nominierung ein?
Grifo: Wenn ich dabei sein sollte, würde ich laut Hurra schreien. Deswegen versuche ich, konzentriert zu bleiben und weiter an die Form anzuknüpfen, in der ich mich befinde. Ich gebe mein Bestes, um ein Kandidat zu sein und mich anzubieten für Roberto Mancini. In den letzten zwei Jahren habe ich nur einmal gefehlt, aber letztlich entscheidet der Trainer.
skysport.de: Nun ist Christian Streich auch jemand, der weit über den Tellerrand des Fußballs hinausschaut. Zuletzt machten Zahlen die Runde, dass Lionel Messi in den vergangenen vier Jahren rund 555 Millionen Euro verdient haben soll. Was denkt man über solche Summen und ist sowas auch mal Thema in der Kabine?
Grifo: Natürlich quatscht man untereinander ab und zu darüber. Die Summe ist gigantisch und man kann natürlich darüber diskutieren, ob es wirklich diese Zahlen sein müssen. Aber er ist der beste Spieler der Welt und dass die Besten am meisten verdienen, ist klar. Wie gesagt, über die Höhe kann man sicherlich streiten, aber ob die Summen dann auch immer so stimmen, sei mal dahingestellt. Für mich steht sowieso das Fußballerische im Vordergrund und da hat uns Messi unglaublich viel Freude bereitet.
skysport.de: Bei Schalke gab es zuletzt Bilder, wie Omar Mascarell die Haare von Klaas-Jan Huntelaar geschnitten hat. Gibt es bei euch in der Mannschaft auch schon einen talentierten Kabinen-Friseur?
Grifo: Ich glaube, bei uns gibt es tatsächlich zwei, drei Spieler, die sich gegenseitig die Haare geschnitten haben. Anhand der Frisuren dürfte auch auffallen, um wen es sich da handelt. Das ist ein Radikalschnitt gewesen (lacht). Ich bin dagegen ein Glückspilz, weil meine Frau Friseurin ist und mir die Haare schneidet. Die kennt meine Frisur in- und auswendig.
skysport.de: Abschließend: Es gibt bereits Bilder vom Innenraum des neuen SCF-Stadions. Waren Sie schon mal vor Ort und wie groß ist die Vorfreude, wenn Sie das erste Spiel - dann hoffentlich vor Zuschauern - dort bestreiten können?
Grifo: Wir waren mal mit der Mannschaft dort, damals befand sich das Stadion aber noch im Rohbau. Vor ein paar Wochen bin ich mal vorbeigefahren und habe es mir angeschaut. Es sieht sensationell aus, aber das Gefühl ist etwas gespalten: Es werden Tränen fließen, wenn wir aus unserem jetzigen Stadion gehen, denn das ist schon sehr besonders. Aber wir freuen uns natürlich auf das neue Stadion mit dann noch mehr Zuschauern.
Das Interview führte Robin Schmidt