Schalkes U-17-Held Ouedraogo: Auf den Spuren von Özil, Draxler und Co.?
03.06.2023 | 14:43 Uhr
In einem nervenaufreibenden Elfmeter-Krimi ging die deutsche U 17 im EM-Finale gegen Frankreich als Sieger hervor. Den entscheidenden Elfmeter verwandelte Assan Ouedraogo. Wenn alles nach Plan läuft, dürfte es nicht sein letzter spielentscheidender Moment gewesen sein.
Ouedraogo ist nämlich nicht nur der deutsche EM-Held, sondern auch die Hoffnung der Schalker Knappenschmiede. Mit 17 Jahren spielt der 1,92 Meter große Hüne bereits in der U-19-Mannschaft der Knappen - und ist dort sogar Stammspieler im zentralen Mittelfeld. In 14 Einsätzen steuerte er beachtliche sieben Treffer und zwei Vorlagen bei, bei der Meisterschaft der U17 im Vorjahr traf er in 23 Spielen sogar neun Mal und legte ganze zwölf Tore auf.
Königsblau blickt optimistisch in die Zukunft, dass endlich wieder ein großer Spieler aus der Knappenschmiede heranwächst. Über Jahre hinweg galt die Schalker Jugendarbeit als herausragend. Manuel Neuer, Mesut Özil, Leroy Sane, Julian Draxler oder Benedikt Höwedes: Alle reiften im Ruhrgebiet zu Bundesliga-Profis. Das liegt aber schon lange zurück. Insbesondere unter der Ägide von Sportvorstand Christian Heidel wurde die Knappenschmiede stiefmütterlich behandelt. In den vier Jahren wurden keine Spieler weiterentwickelt, weil die finanzielle Förderung ausblieb. Die Folgen sind immer noch zu spüren - das soll sich aber jetzt ändern.
Sturmjuwel Keke Topp ist nach Sky Informationen der erste Spieler, der möglicherweise schon in der kommenden Spielzeit in das Team der Profis hochgezogen werden soll. In der darauffolgenden Saison sollen die Schalker U-17-Legionäre Taylan Bulut und Assan Ouedraogo folgen. Doch könnte es nach dem Schalker Abstieg auch schneller gehen, denn insbesondere auf Letzteren halten die Knappen große Stücke. "Ouedraogo gilt als der Beste im 2006-Jahrgang", erklärte Sky Reporter Timo Schäfers nach dem Spiel. Und auch seine Trainer sind vom Talent des 17-Jährigen überzeugt.
"Wir wissen um die Stärken und das Talent von Assan, dass er ein sehr außergewöhnlicher - vielleicht sogar ein hochbegabter Spieler ist", erklärt Tim Hoogland exklusiv im Gespräch mit Sky. Hoogland trainiert Ouedraogo seit zwei Jahren als Co-Trainer - erst in der U 17 und nun in der U 19. Seine A-Lizenz hat der langjährige Bundesliga-Spieler in Wales gemacht, ebenda soll nun auch die Fußball-Lehrer-Lizenz folgen.
"Wenn Assan von Verletzungen verschont bleibt, ist er definitiv ein Spieler, der in der Bundesliga spielen könnte. Oder im Fall von Schalke in der 2. Bundesliga", adelt Hoogland das Mittelfeldtalent. Man dürfe aber nicht den Fehler machen, dem Spieler bereits jetzt zu großem Druck auszusetzen. "Im Fußball können so viele Sachen passieren, dass man natürlich aufpassen muss, wie er sich in der nächsten Zeit entwickelt."
Dennoch waren beim gestrigen EM-Finale alle königsblauen Augen auf Ouedraogo gerichtet. Selbst Cheftrainer Thomas Reis hat sich das Spektakel nicht entgehen lassen und ist extra nach Budapest gereist. Auf Schalke plant man langfristig mit dem gebürtigen Mühlheimer. Erst im vergangenen Jahr wurde er bei den Knappen mit einem für einen Junioren-Spieler außergewöhnlichen Vertrag ausgestattet.
Ouedraogo hat im November einen langfristigen Fördervertrag unterschrieben, darüber hinaus hat der Verein die Option, den Kontrakt in einen Lizenzspielervertrag mit einer Gültigkeit bis 2027 umzuwandeln. Inbegriffen ist laut Sport Bild außerdem eine gestaffelte Ausstiegsklausel: Sollte Ouedraogo zum Zeitpunkt eines zukünftigen Transfers im Kader der Profis stehen, Nationalspieler sein und der aufnehmende Verein außerdem Champions League spielen, würde eine Ablösesumme von um die 30 Millionen Euro anfallen.
Auf Schalke misst man dem 17-Jährigen also ein gehöriges Entwicklungspotenzial zu. Auf persönlicher Ebene bringe er bereits jetzt wichtige Eigenschaften mit. "In erster Linie ist er ein hervorragender Junge", erklärt Hoogland. "Abseits des Fußballs ist er sehr aufgeschlossen, macht einen sehr wissbegierigen Eindruck und versucht die Sachen, die vorgegeben werden, auch zu 100 Prozent umzusetzen." Dennoch sei Ouedraogo natürlich noch kein kompletter Spieler. Auf die Frage, was denn noch ausbaufähig sei, erwiderte der Co-Trainer der Schalker U-19-Mannschaft:
"Ich glaube - gerade in dem Alter - alles. Das meine ich nicht negativ, das würde ich über jeden sagen. Das schöne bei Assan ist, dass er schnell adaptiert und sich an neue Gegebenheiten anpassen kann. Ich denke, dass er trotz seiner Größe an Körperlichkeit zulegen muss, was aber selbstverständlich ist, wenn der Spieler gerade einmal im Mai 17 Jahre alt geworden ist."
Ouedraogo verfügt dennoch bereits über diverse Eigenschaften, die er Gleichaltrigen voraushat. "1,90 Meter kann man nicht lernen", wusste bereits Trainer-Legende Otto Rehhagel. Das mag auch an dem familiären Hintergrund des Schalker Wunderkinds liegen - dessen Vater Alassane Ouedraogo ist, 62-maliger Nationalspieler für Burkina Faso. Auch Hoogland lobt die physischen Voraussetzungen von Ouedraogo Junior: "Die Körperlichkeit und die Größe sind hervorragend. Er ist ein Spieler, der sehr, sehr viele Sachen mitbringt, aber an genau den ganzen Sachen auch noch arbeiten muss."
Die Renaissance der vielversprechenden Schalker Jugendarbeit könnte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen. Der erneute Abstieg der Knappen zwingt die Königsblauen dazu, Gehälter einzusparen. Gleich mehrere Säulen brechen im Vergleich zur Vorsaison weg. Mehr denn je ist man auf einen aussichtsreichen Nachwuchs angewiesen. Nun gilt es, aus der Not eine Tugend zu machen - zur Freude der Fans.
Geht es nach der Schalker Anhängerschaft, sollte im Idealfall jeder Spieler aus der Jugend in den Profi-Kader hochgezogen werden. Den ganz großen Sprung schafft letztlich nur ein Bruchteil, gerade in Gelsenkirchen sei die Durchlässigkeit aber noch einmal höher als im Liga-Vergleich, erklärt Hoogland. "Ich glaube, dass die Anzahl der Jugendspieler, die es über die Knappenschmiede schaffen, im Vergleich zu anderen Vereinen enorm hoch ist." Ein Wesensmerkmal der Schalker Jugendarbeit sei es ohnehin, die Spieler nicht nur sportlich, sondern auch und vor allem menschlich weiterzubringen.
"Wir versuchen, die Jungs ganzheitlich zu entwickeln. Nicht nur für den Fußball vorzubereiten, sondern generell für das Leben. Es ist so, dass die Jungs ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln, so wie man es überall auch braucht."
So könnte nicht nur Schalke als Verein, sondern auch Ouedraogo ganz persönlich von der wieder erstarkten Knappenschmiede profitieren. "Was uns in der Knappenschmiede auszeichnet, ist das Kollektiv", erklärt Hoogland. "Und das Schöne ist, dass jeder in dieser Gruppe wachsen kann - auch über sich hinaus, sodass ich mir sehr gut vorstellen kann, dass wir auch in der Zukunft wirklich viele Spieler an den Profifußball heranführen können - wie bereits in der Vergangenheit unter Norbert Elgert."
Und einer der Heranzuführenden hat gestern womöglich erst das erste Finaltor von vielen geschossen...