Der "Messias" Toni Kroos?
20.03.2024 | 22:56 Uhr
Toni Kroos ist zurück in der deutschen Nationalmannschaft und gilt bereits jetzt als Hoffnungsträger für die EM. Gleich mehrere Fakten und Statistiken geben Anlass zur Hoffnung, jedoch bleiben auch Restzweifel.
"Irgendwie bist du jetzt ja doch der Messias", sagte ein Journalist auf der Pressekonferenz des DFB am Mittwoch zu Toni Kroos. Der Real-Superstar ist nach knapp dreijähriger Abstinenz zurück in der Nationalmannschaft und beherbergt als "Heilsbringer" die Hoffnungen vieler deutscher Fans im Hinblick auf die anstehende Heim-EM.
Nach drei blamablen Auftritten auf der Fußball-Weltbühne in Folge muss die von einigen bereits für "tot" erklärte deutsche Nationalelf neu zum Leben erweckt werden. Doch kann Toni Kroos derjenige sein, der dieses "Wunder" vollbringt?
Ein Blick auf das laufende Kroos-Jahr spricht eine deutliche Sprache: Der Mittelfeldstratege ist mit seinen 34 Jahren weiterhin die unangefochtene Schaltzentrale im königlichen Zentrum und kam in 38 der bisherigen 41 Real-Saisonspiele zum Einsatz. Mit 99 Pässen pro 90 Minuten und einer gewonnen Zweikampfquote von 63 Prozent (Opta) legte er zudem persönliche Karriere-Bestwerte hin.
Neben beinahe unzähligen nationalen Trophäen ist Kroos mit fünf Champions-League-Titeln und dem WM-Pokal 2014 dekoriert. Der Madrilene weiß, wie man erfolgreich Fußball spielt und kann mit seinem breiten Erfahrungsschatz den "jungen Wilden" die Richtung vorgeben. Mit seiner Ruhe am Ball versprüht der Mittelfelddirigent zudem keinerlei Nervosität auf dem Platz und kann beinahe zu jedem Zeitpunkt guten Gewissens angespielt werden.
Wie Bundestrainer Julian Nagelsmann anmerkte, ist Kroos mit Abstand der Spieler in Europa mit den meisten überspielten Gegenspielern, was die "Querpass-Toni"-Vorwürfe ebenso widerlegt wie die Tatsache, dass er bei den CL-Spielen in diesem Jahr mit jedem vierten Pass eine gegnerische Linie überspielte und nur von Citys Rodri übertroffen wurde.
Kroos ist für Nagelsmann ein "genialer Verbindungsspieler zwischen Offensive und Defensive", der eine zuletzt eklatante Schwäche der Nationalmannschaft perfekt ausmerzen könnte. In den vergangenen Testspielen spielte das DFB-Team gegen die Türkei nur 45 Pässe ins gegnerische Drittel, während man gegen Österreich gerade einmal 15 Ballaktionen im gegnerischen Strafraum hatte. Kroos, der in dieser Saison mit 16,3 Pässen pro 90 Minuten so viele ins gegnerische Drittel spielte wie kein anderer in den Top-5-Ligen Europas, könnte hierbei sein erstes "Wunder" vollbringen.
Wie Kroos Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld im Sky Interview äußerte, sei Kroos "der perfekte Spieler", zudem es "keine Alternative" gäbe und er "eine Bereicherung für jeden" sei. Dennoch mischten sich auch kritische Stimmen unter die euphorischen Meldungen zu dessen DFB-Rückkehr. Mit seinem "gehobenen" Alter weist Kroos ein natürliches Defizit in puncto Schnelligkeit und Physis auf. Bei Real Madrid macht sich das mit den "Zweikampfmaschinen" um Jude Bellingham, Aurelien Tchouameni oder Eduardo Camavinga neben Kroos kaum bemerkbar, doch erhält er auch beim DFB diese Unterstützung?
Der Ex-Bayern-Spieler kann beim "weißen Ballett" nach Belieben schalten und walten, Gegner auf sich ziehen und mit seinem Auge, mit dem er in Sekundenbruchteilen Lücken erkennt, seine kongenialen Kollegen in Szene setzen. In der Nationalmannschaft hat dieses System allerdings zumindest in den letzten Jahren seiner DFB-Zeit (vor dem Rücktritt) nicht immer gut funktioniert - immerhin war Kroos auch Teil des DFB-Teams beim frühen Ausscheiden 2018 und 2021.
Bei den anstehenden Länderspielen gegen Frankreich und die Niederlande bekommt der Weltmeister nun aller Voraussicht nach einen defensiv denkenden "Handwerker" an seine Seite. So dürften Pascal Groß oder Robert Andrich den Real-Star bei den physischen Defensiv-Aufgaben unterstützen und dem Strategen "Luft" verschaffen.
Kroos selbst äußerte auf der DFB-PK, dass seiner Meinung nach ein "zentrales Mittelfeld alle Facetten" mitbringen sollte. Es wird spannend zu beobachten, ob Nagelsmann dieses facettenreiche Mittelfeld bauen kann, in dem Kroos sich wie in Spanien erfolgreich entfalten kann.
Auf die Aussage des Journalisten, dass Kroos "doch der Messias" sei, wollte der Madrilene auf der DFB-PK nicht eingehen und antwortete, dass "es nicht darum geht" und es sowieso "alleine unmöglich" sei. Spätestens in der nächsten Woche nach den beiden bedeutenden Testspielen werden sich erste Schlüsse ziehen lassen. Mindestens bis dahin dürfte der "Heiland" aber weiter im Zentrum aller Beobachtungen stehen.
Mehr zum Autor Florian Hartmann
Alle weiteren wichtigen Nachrichten aus der Sportwelt gibt es im News Update nachzulesen.