Den bisherigen Spitzenreiter gestürzt und zugleich eine achtjährige Durststrecke beendet: Schalke genießt nach dem Auswärtscoup bei RB Leipzig die Höhenluft. David Wagner hat für ein blaues Wunder gesorgt - im positiven Sinne.
Schalke-Spieler Arm in Arm feiernd vor den mitgereisten Fans, dieses Bild besaß im laufenden Kalenderjahr großen Seltenheitswert. Doch nach dem 3:1-Auswärtssieg bei RB Leipzig hatten die Königsblauen allen Grund zur Freude.
Immerhin galt Partie beim bis dahin noch ungeschlagenen Tabellenführer als erste Reifeprüfung für das Team von Trainer David Wagner. "Das war die absolut beste Saisonleistung", meinte Abräumer Omar Mascarell. Grundstein dafür war auch die taktische Ausrichtung.
Wagners Taktik-Kniffe funktionieren
Wagner ließ sein Team in einem 4-4-2-System mit Raute agieren und überraschte seinen Gegenüber Julian Nagelsmann mit dem pfeilschnellen Rabbi Matondo als zweite Spitze. Der junge Waliser sorgte mit seinem Premierentor in der 58. Minute zum 3:0 für die Entscheidung. Es war nicht der einzige Kniff, den Wagner parat hatte.
So war auch die Standard-Variante, die zum Führungstreffer führte, einstudiert, wie Teammanger Sascha Riether am Sky Mikrofon verriet. Mascarell hatte am ersten Pfosten den Eckball auf den Kopf von Salif Sane verlängert, der anschließend nur noch einnicken musste. "Die ein oder andere Idee, die wir heute hatten, war wahrscheinlich nicht ganz die schlechteste", gab Wagner zu.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Spiel in der Anfangsphase auch in Richtung zugunsten der Leipziger hätte laufen können. Erst traf Marcel Sabitzer die Latte (15. Minute), dann verhinderte Alexander Nübel mit "Weltklasseparaden" (Riether) gegen Emil Forsberg und Sabitzer den Rückstand. "Wir müssen Schalke in den ersten 20 Minuten an den Rand der Niederlage bringen", weiß Nagelsmann, "wir hatten drei, vier gute Chancen, die wir nicht gemacht haben."
Sonderlob von Wagner: Harit stellt Rekord ein
Spätestens mit der Führung im Rücken wurde das Selbstvertrauen bei den Gästen jedoch immer größer, die Brust immer breiter. Sinnbildlich dafür steht Amine Harit. Der erneut überragende Marokkaner verwandelte einen diskussionswürdigen Elfmeter sicher zum 2:0 und bereitete später auch noch Matondos Tor mustergültig vor. Mit insgesamt sechs Torbeteiligungen hat er seinen persönlichen Rekord jetzt schon eingestellt.
"Für mich hat er heute eines seiner besten Spiele gemacht. Insbesondere taktisch, er hat ganz clever gespielt und sich in cleveren Räumen aufgehalten", lobte Wagner seinen Regisseur, der sich auch in der Szene zum Strafstoß clever verhielt.
Nach einem Kontakt mit Amadou Haidara ging er im Strafraum zu Boden, Schiedsrichter Manuel Gräfe ließ zunächst weiterspielen und revidierte nach Intervention des Videoassistenten dann aber seine Entscheidung. "Ich habe es mir lange angeschaut und es gibt für mich noch auch Argumente zu sagen, dass er den Kontakt sucht. Er macht es geschickt, der Verteidiger ist ungeschickter als der Stürmer geschickt", erklärte der FIFA-Referee.
Sprechchöre für Nübel
Aktuell läuft viel für Schalke, da fällt auch Nübels Patzer beim Gegentor nicht so sehr ins Gewicht, auch wenn sich der Schlussmann darüber ein wenig ärgerte. "Das Tor muss nicht sein und tut sehr weh, weil wir sonst wahrscheinlich zu Null gespielt hätten." Einen positiven Randaspekt hatte sein Aussetzer dennoch, wurde er von den Schalke-Anhängern umgehend mit Sprechchören aufgemuntert. "Das freut einen natürlich und baut einen ein Stück weit auf."
Das angeschlagene Verhältnis zur Fanbasis scheint nach dem vierten Bundesliga-Sieg in Folge gekittet zu sein. Wenig verwunderlich, hat Wagner in seinen ersten Wochen ein blaues Wunder vollzogen, das so nicht zu erwarten war.
Wagner vollzieht blaues Wunder
Wirkten die Knappen in der vergangenen Saison noch wie eine zusammengewürfelten Gruppe von Individualisten, präsentieren sie sich nun als funktionierende Einheit. Dabei stand beim ersten Sieg gegen einen Tabellenführer seit 2011 mit Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny erneut nur ein Neuzugang in der Startelf. Dafür hat sich in den Köpfen der Spieler einiges verändert.
"Nur mit Mentalität schlägt man meistens Qualität. Das beweisen wir aktuell Woche für Woche", freut sich Nübel über den Höhenflug. Sky Experte Dietmar Hamann findet es schon "ein wenig umheimlich, wie gefestigt sie sind". Ihre Reifeprüfung haben die Knappen mit Bravour bestanden. Nun darf man gespannt sein, wo es für den Vorjahres-14. noch hingehen wird.