Deschamps setzt auf Youngsters
16.06.2018 | 11:52 Uhr
Der Transferpoker um Torjäger Griezmann ist vorbei, jetzt will sich Frankreich ganz auf seine Titelmission konzentrieren.
"Das Wichtigste ist, dass er jetzt den Kopf frei hat", sagte Kapitän Hugo Lloris vor dem Auftaktspiel des Vize-Europameisters in Kasan gegen Australien (ab 12:00 Uhr hier im Live-Kommentar): "Wir können es nicht erwarten, endlich anzufangen." Bis 38 Stunden vor dem Anpfiff hatte der Transferpoker um Stürmerstar "Grizou" die Vorbereitung noch empfindlich gestört.
Das Ende des wochenlangen Rätselratens um seine Zukunft hatte der EM-Torschützenkönig am Donnerstagabend in einer Sondersendung im spanischen Pay-TV verkündet - nach einer beispiellosen 30-minütigen Selbstinszenierung. Der 27-Jährige gab dem FC Barcelona einen Korb und spielt für eine satte Gehaltserhöhung auf angeblich 20 Millionen Euro jährlich weiter für den Europa-League-Sieger Atletico Madrid.
Die Sendung mit dem Titel "La Decision" (Die Entscheidung) erinnerte an eine billige Vorabendserie. Mit bemüht ernstem Gesicht grübelte Griezmann laut über seine Zukunft, erwog das Für und Wider, fragte seine Eltern und seine Schwester um Rat. Bilder seiner Villa in Madrid und seiner Pferdeställe in Frankreich durften ebenso wenig fehlen wie das Stechen eines neuen Tattoos.
Seine WM-Kollegen nahmen es mit Humor. "Wir lachen darüber", berichtete Lloris nach dem Abschlusstraining am Freitag. Und Trainer Didier Deschamps witzelte: "Ich war derjenige, der gefilmt hat." Zwei Tage zuvor bei einer Pressekonferenz im WM-Quartier hatte Griezmann noch die Auskunft verweigert, es sei nicht der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort. Nach der Verkündung in der Sondersendung, die pikanterweise der Barca-Star Gerard Pique mit seiner TV-Firma produzierte, ist "Grizou" jetzt auf dem Spielfeld gefordert.
Denn dem Stürmer kommt als wahrscheinlich ältestem Feldspieler in der Startelf eine wichtige Rolle zu. Er soll mit seinen Toren die junge, hochtalentierte Mannschaft mit dem höchsten Marktwert der WM nach 20 Jahren wieder zum Titel führen. Nichts weniger wird in Frankreich von der neuen goldenen Generation um Griezmann, den 180-Millionen-Angreifer Kylian Mbappe und Mittelfeld-Boss Paul Pogba erwartet.
Auch von allerhöchster Stelle. Staatspräsident Emmanuel Macron hat angekündigt, erst zum Halbfinale nach Russland zu kommen: "Wir fahren ja nicht zur WM um teilzunehmen, sondern um zu gewinnen." Drei Punkte gegen die Socceroos zum Aufgalopp sind fest eingeplant, schließlich spielt ein Team, dessen Marktwert das Internationale Zentrum für Sportstudien CIES auf 1,41 Milliarden Euro taxiert, gegen eine Mannschaft, die in vier Anläufen erst einmal die WM-Vorrunde überstand.
Deschamps, beim WM-Triumph 1998 im eigenen Land Kapitän, setzt ganz auf seine Youngsters. Es wird die jüngste französische Startelf bei einem WM-Auftaktspiel seit 1930 erwartet - mit einem Altersschnitt von 24 Jahren und sechs Monaten. Wahrscheinlich auch mit dem Stuttgarter Bundesliga-Verteidiger Benjamin Pavard (22) und dem Münchner Mittelfeldspieler Corentin Tolisso (23).
Bei den Australiern sitzt der Star auf der Bank. Der 38-jährige Tim Cahill hofft auf seine Einwechslung und die Chance, Fußball-Geschichte zu schreiben. Sollte er ein Tor schießen, stieße er in einen exklusiven Klub vor: Er wäre der vierte Spieler, der bei vier Weltmeisterschaften trifft - nach Pele, Uwe Seeler und Miroslav Klose. (sid)