WM 2022: DFB-Krise: Oliver Bierhoff steht in der Kritik
DFB-Krise: Das droht Bierhoff nach dem WM-Debakel
05.12.2022 | 22:57 Uhr
Das deutsche WM-Debakel und seine Folgen. Am Mittwoch gibt es einen Krisengipfel. Für Oliver Bierhoff geht es um seinen Job.
Seit 2004 ist Oliver Bierhoff für die Geschicke der Nationalmannschaft mitverantwortlich. Erst als Manager, später als Direktor, inzwischen als Geschäftsführer. Bierhoff hat die vergangenen drei Jahrzehnte des DFB mitgeprägt. Anfangs als Spieler. Der Spieler, der Deutschland mit seinem Golden Goal gegen Tschechien zum EM-Titel 1996 schoss.
Später als Verantwortlicher. Der Verantwortliche, der 2006 seinen Anteil am Sommermärchen hatte, der die Mannschaft 2014 auf den Höhepunkt dieses Jahrtausends führte - den WM-Triumph in Brasilien. Doch seitdem ging es bergab.
2016 immerhin noch EM-Halbfinale, zwei Jahre später aber das peinliche Vorrunden-Aus bei der WM in Russland. Vergangenes Jahr ein mutloses Achtelfinal-Scheitern bei der EM, jetzt der nächste Tiefschlag mit dem Gruppen-K.o. in Katar. Und: In der 2018 geschaffenen, weniger prestigeträchtigen Nations League erreichte die DFB-Elf bei den drei bisherigen Austragungen kein einziges Mal die Finalrunde.
Kurve der Nationalmannschaft zeigt klar nach unten
Die Kurve der deutschen Nationalmannschaft zeigt klar nach unten. Eine Kurve, an der auch Bierhoff beteiligt ist. Eine Kurve, für die er sich am Mittwoch zusammen mit Bundestrainer Hansi Flick vor DFB-Präsident Bernd Neuendorf und dessen Vize Hans-Joachim Watzke verantworten muss.
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Es geht natürlich um das katastrophale Ergebnis in Katar, aber auch um die generelle Entwicklung der Nationalelf. Im Gegensatz zu Flick, der seinen Posten erst im August 2021 antrat, ist Bierhoff bereits an Bord gewesen, als der schleichende Niedergang des DFB-Teams in Gang trat.
Bierhoff ist seit seinem Aufstieg, erst zum Direktor, dann zum Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie, nicht mehr nur Teil der sportlichen Führung der A-Elf, sondern hat mittlerweile auch zahlreiche andere Aufgaben. Er ist unter anderem der Initiator und Verantwortliche des neuen DFB-Campus, der am 30. Juni dieses Jahres eröffnet wurde.
"Die deutsche Fußballfamilie hat nun ein gemeinsames Haus. Der DFB-Campus ist eine riesige Chance für den Verband und den deutschen Fußball als zentrale Anlaufstelle für die Basis und den Spitzensport - modern, offen, nachhaltig", sagt Bierhoff. Ein großes Projekt für den DFB. Für seinen Geschäftsführer auch eines, das ihn natürlich viel Zeit für seine Aufgaben rund um die Mannschaft kostete. Und nach wie vor tut.
Sky Info: Bierhoff droht Entmachtung
Bierhoff und die Nationalmannschaft - eine Beziehung, die zuletzt immer mehr Distanz bekommen hat. Nach Sky Informationen ist es deshalb durchaus möglich, dass Bierhoff am Mittwoch eine Entmachtung droht. Keine Entlassung, aber eine Beschneidung seiner Kompetenzen. Mehr Akademie, weniger Mannschaft. Oder: Gar keine Mannschaft mehr.
Neuendorf und Watzke denken darüber nach, die sportliche Führungsstruktur im Verband zu ändern. Erstmals seit langer Zeit sieht sich Bierhoff einem so starken Präsidium ausgesetzt. Vor allem Watzke, BVB-Boss und DFL-Aufsichtsratschef, hat im DFB viele Fürsprecher. Anders als Bierhoff. Dessen Rückhalt ist nicht nur im Verband, sondern auch bei wichtigen Bundesliga-Vertretern geschwunden.
Der Hauptvorwurf an Bierhoff: Aus den Fehlern der Vergangenheit nicht gelernt zu haben. Bei der Wahl des WM-Quartiers 2018 entschied sich Bierhoff gegen den Willen des damaligen Bundestrainers für einen nüchternen Wohnkomplex im abgelegenen Watutinki. Auch in Katar wählte Bierhoff wieder eine Anlage, weit entfernt von allen anderen Aktivitäten und Stadien in Doha.
Bierhoff versagt erneut beim Krisenmanagement
Während die Stars anderer Nationen in Promi-Restaurant und Luxus-Hotels den Flair des Landes und des Turniers aufsaugen, war die DFB-Elf wieder einmal abgeschottet. Und: Wieder einmal versagte er beim Krisenmanagement abseits des Platzes.
Was 2018 das Foto der Nationalspieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdogan war, war diesmal der Streit mit der FIFA um die "One-Love"-Binde: Ein politischer Fall so großen Ausmaßes, dass er die Mannschaft beeinträchtigte.
Dass sich die Führungsspieler des deutschen Teams um Kapitän Manuel Neuer am Abend vor dem WM-Auftaktspiel gegen Japan damit beschäftigen mussten, welches Zeichen sie gegen die Entscheidung des Weltverbandes setzten würden, war dilettantisch.
Alle Verantwortlichen werden hinterfragt
Dass Bierhoff darüber hinaus grundsätzlich ausgemacht wird als der Mann, der die deutsche Nationalelf von der Fan-Basis entfernt hat, ist nichts Neues. Dass jetzt aber Verantwortliche wie Neuendorf und Watzke im Präsidium Entscheidungen treffen, die den von Bierhoff einst eingeführten Claim "Die Mannschaft" bereits absetzten, zeigt, dass jetzt Arbeit und Entscheidungen jedes Verantwortlichen im Verband hinterfragt wird.
Erfolge aus der Vergangenheit zählen nicht mehr. Und will der DFB bei der Heim-EM 2024 sich nicht wieder frühzeitig aus dem Turnier verabschieden, muss er ohnehin schleunigst den Blick in die Zukunft legen. Perspektive ist dabei deutlich wichtiger als Verdienste. Das gilt auch für den lange Zeit erfolgreichen Bierhoff.
Alle weiteren wichtigen WM-Nachrichten gibt es im Katar Update nachzulesen.