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WM 2022: Horst Hrubesch über Nachwuchsarbeit in Deutschland

Hrubesch: "Ich bin sicher, dass wir genug Talente haben"

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Horst Hrubesch ist beim HSV für die Entwicklung junger Talente zuständig. Unserem Sky Repoter Sven Töllner hat der 71-Jährige verraten, dass eine Verlängerung mit noch einer zweiten Person zu tun hat.

Horst Hrubesch ist Nachwuchschef beim Hamburger SV und gibt im exklusiven Interview mit Sky Reporter Sven Töllner Einblicke in seine Arbeit beim HSV und wirft einen Blick auf die deutsche Talentförderung generell.

Die Debatte über die deutsche Nachwuchsarbeit wird immer dann besonders lautstark geführt, wenn offensichtlich wird, dass etwas grundlegend verkehrt läuft - so wie jetzt. HSV-Nachwuchschef Horst Hrubesch ist seit Jahren mittendrin - überaus erfolgreich. Derzeit mischt die zweite Mannschaft der Hamburger die Regionalliga Nord auf. Eine Horde 16 bis 19-jähriger, die sich Woche für Woche gegen Viertliga-Konkurrenten durchsetzt, die gespickt sind mit Ex-Profis und abgezockten Haudegen. Statt Lehrgeld zu zahlen, hat sich das Team von Trainer Pit Reimers auf Tabellenplatz 2 geballert. Die Arbeit am HSV-Campus - eine Blaupause für die deutsche Nachwuchsarbeit?

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Sky Sport: Sind Sie überrascht über den Höhenflug Ihrer Teenager?

Hrubesch: "Wir haben es - wie die anderen Mannschaften - ja auch schon mit drei, vier, fünf Älteren versucht. Da ist aber nicht das herausgekommen, was wir uns erhofft haben. Jetzt haben wir uns entschlossen, den Jungen die Verantwortung zu geben. Das braucht dann Zeit, bis sie da hineinwachsen und selbst initiativ werden. Kompliment an die Spieler, wie sie es angenommen haben. Körperlich können sie es teilweise noch nicht regeln - es geht vieles mit fußballerischen Mitteln. Wie sie physisch dagegenhalten, lernen sie dann mit der Zeit. So gewöhnen sich die Jungs frühzeitig an den nächsten Schritt."

Sky Sport: Für manche erweist sich der Schritt von der U19 in den Herrenbereich als zu groß…

Hrubesch: "Man muss schon an einem früheren Zeitpunkt möglichst verlässlich beurteilen und erkennen, ob sich ein Spieler vielleicht im ersten Jahr schwertut. Mit dem entsprechenden Vertrauen schafft er es dann vielleicht im zweiten Jahr. Die Spieler, die zu uns kommen, haben wir ja bereits vorselektiert und uns bewusst für sie entschieden. Denen geben wir die Möglichkeit, Fehler zu machen und sich frühzeitig an das nächsthöhere Niveau zu gewöhnen - auch körperlich."

Sky Sport: Das fußballerische und körperliche Element ist sicher die Grundlage. Wie wichtig ist der mentale Bereich - ein stabiles Wertesystem?

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Hrubesch: "Was junge Leute animiert, ist Bestätigung. Sie müssen erkennen können, dass es funktioniert, wenn sie die Vorgaben umsetzen. Der entscheidende Faktor ist also: Was sind die Talente bereit zu investieren? Was tun sie selbst dafür? Wie mutig sind sie, wenn es darum geht, eigene Entscheidungen zu treffen? Wenn ich nur ein bisschen mitspielen will, ergibt es letztlich keinen Sinn."

Sky Sport: Wie entwickelt man die mentalen Grundvoraussetzungen für starke Charaktere mit Entscheider-Qualitäten?

Hrubesch: "Der Spaß am Fußball ist entscheidend. Die Überzeugung, das Spiel bestimmen zu können, gehört dazu - denn nur dann bleibt der Spaß erhalten. Das war immer so, und das habe ich auch selbst erlebt. Wenn du immer hinterherlaufen musst, investierst du irgendwann weniger. Mit Essen bin ich abgestiegen, als ich zum HSV und Ernst Happel gekommen bin, wurde der Spaß natürlich immer größer. Ich sage den Jungs immer: Du bist einer von ganz wenigen, die diesen Weg gehen können. Tu dir selbst einen Gefallen und nimm unsere Hilfestellungen an. Unsere Aufgabe ist es dann, die Talente nicht nur fußballerisch, sondern auch als Mensch weiterzuentwickeln. Und sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie jedes Jahr beweisen müssen, dass sie zu den Besten gehören."

Sky Sport: Welchem Beispiel sollten die jungen Leute folgen?

Hrubesch: "Da fällt mir natürlich Manuel Neuer ein. Ich kann mich noch erinnern, wie ich ihn getroffen habe vor vielen Jahren im Stadion 'Rote Erde'. Er war noch gar nicht in meinem Jahrgang, aber wir haben ein bisschen gequatscht. Wir sind ja dann später gemeinsam U21-Europameister geworden. Und wenn man dann über Jahre verfolgt, wie er sich als Spieler, aber vor allem als Mensch weiterentwickelt hat, ist das schon beeindruckend. Er ist einer der Jungs gewesen, der Ratschläge angenommen hat. Aber wir können letztlich nur Hilfe anbieten. Am Ende des Tages müssen sie es selbst machen und umsetzen."

Horst Hrubesch (M.) führte die deutsche U21-Nationalmannschaft um Sami Khedira (r.) und Benedeikt Höwedes (l.) zum EM-Titel.
Image: Horst Hrubesch (M.) führte die deutsche U21-Nationalmannschaft um Sami Khedira (r.) und Benedeikt Höwedes (l.) zum EM-Titel.  © Imago

Sky Sport: Ihr alter Weggefährte Felix Magath hat die Nachwuchsentwicklung in Deutschland gerade als "haarsträubend" bezeichnet und darauf hingewiesen, dass "junge Spieler für 10 bis 20 Millionen Euro aus dem Ausland geholt werden". Hat er recht?

Hrubesch: "Wir haben im Jahr 2000 überspitzt gesagt Rumpelfußball gespielt und als Konsequenz Talentförder-Programme eingebaut. Das hat zu Fortschritten geführt. Ich sehe es nicht so extrem wie Felix, aber natürlich neigen mittlerweile viele Vereine dazu, junge Spieler frühzeitig im Ausland einzukaufen. Ich habe zuletzt aber auch viele Auftritte der DFB U-Mannschaften gesehen, die ihre Spiele gegen Top-Teams gewonnen haben. Ich bin überzeugt, dass wir genug Talente haben. Felix hat sicher recht, wenn es um die Top-Teams der Bundesliga geht. Die kaufen teure Talente, die sie auch sofort brauchen. Bei uns ist das ein wenig anders. Mit Jonas Boldt habe ich die klare Verabredung, dass wir auf die Jugend setzen. Und man sieht, wir sind durchlässig nach oben. Das liegt natürlich auch an Tim Walter, der selbst lange im Nachwuchsbereich gearbeitet hat. Der nimmt die Jungs mit und zeigt ihnen, wie sie es schaffen könnten."

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Horst Hrubesch kann die Kritik von Felix Magath an der mangelnden Nachwuchsförderung in Deutschland nicht ganz verstehen.

Sky Sport: Anssi Suhonen, Faride Alidou, Fabian Nürnberger oder Tom Sanne sind einige Beispiele dafür, welche Entwicklung junge Spieler derzeit beim HSV nehmen können. Wie schwierig ist es, solche Leute zu halten?

Hrubesch: "Die wecken natürlich Begehrlichkeiten. Bei unserer U21 sitzen im Schnitt immer 20 bis 25 interessierte Beobachter auf der Tribüne, die sich unsere Jungs anschauen. Wir spielen momentan in der 2. Liga - einige Talente haben wir natürlich auch schon verloren. Ich hoffe, dass die Jungs ihren Weg kontinuierlich weitergehen, nachdem sie den Klub verlassen haben. Wenn man die U-Mannschaften durchgeht, gibt es beim HSV in jedem Jahrgang fünf oder sechs Spieler, denen wir den Weg zutrauen."

Pit ist der Kopf und macht einen großartigen Job
Horst Hrubesch über U21-Trainer Pit Reimers vom Hamburger SV

Sky Sport: Für den letzten Schliff vorm Profi-Fußball ist derzeit U21-Trainer Pit Reimers zuständig. Was zeichnet ihn aus?

Hrubesch: "Er macht es einfach richtig gut, spricht sehr ehrlich und direkt mit den Spielern. Was ganz wichtig ist: Er hat keine Angst davor, die jüngeren Spieler reinzuwerfen. Dafür hat er die Rückendeckung des Vereins. Wenn ich im Training beobachte, wie er mit den Jungs umgeht, die Sache lebt und sich reinhaut, macht das einfach sehr viel Freude. Natürlich hat Pit auch wichtige Helfer, aber er ist der Kopf und macht einen großartigen Job."

Sky Sport: Zuckerbrot und Peitsche - in dem Alter wichtiger denn je?

Hrubesch: "Man braucht das komplette Repertoire. Das hat Pit. Der wird auch mal lauter im Training, nimmt die Jungs dann aber auch wieder in den Arm. Er hat etwas, was man nicht lernen kann: Ein präzises Gespür für die richtige Reaktion in der jeweiligen Situation. Das alles weckt übrigens auch Begehrlichkeiten. Aber ich will ihn behalten!"

Sky Sport: Brauchen wir generell mehr von diesem Gespür in der deutschen Nachwuchsausbildung?

Hrubesch: "Ich war immer der Meinung, dass eine Ausbildungskultur wichtiger ist als eine Leistungskultur. In dem Alter muss man Fehler machen und Spiele verlieren dürfen. Wer daraus lernt, profitiert später."

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Sky Sport: Wie sieht es eigentlich bei Ihnen aus? Ihr Vertrag läuft im Sommer aus.

Hrubesch: "Wir sind fast jeden Tag im engen Austausch - mit Jonas Boldt und mit Tim Walter. Ich werde im April 72, habe aber Riesenspaß an der Aufgabe. Solange es gesundheitlich passt, würde ich gern weitermachen. Das Vertrauensverhältnis zu Jonas spielt dabei eine große Rolle. Wir kennen uns schon ewig, und er hat es ja schließlich geschafft, mich endlich zum HSV zu holen (schmunzelt)."

Sky Sport: Boldts Vertrag läuft ebenfalls im Sommer aus. Bleiben Sie nur, wenn er verlängert?

Hrubesch: "Davon gehe ich aus. Und ich gehe auch davon aus, dass Jonas verlängern wird. Alles andere ergibt für mich keinen Sinn. Das gilt auch für die notwendige Kontinuität mit Tim Walter. Wir hoffen alle, dass die Rückrunde genauso läuft wie die Hinrunde - und wir am Ende aufsteigen. Das ist ja auch unser erklärtes Ziel. Auf diesem Weg wollen wir von unten unterstützen. Ich denke, was das Sportliche angeht, sind wir derzeit auf einem richtig guten Weg."

Fakten zum WM-Finale 2022

  • Datum: 18.12.2022
  • Uhrzeit: 16:00 Uhr
  • Ort: Lusail Iconic Stadium (80.000 Zuschauer) in Katar
  • Ticket-Kosten: Zwischen 532 und 1.417 Euro
  • Preisgeld Weltmeister: 42 Mio. USD (ca. 40,6 Mio. Euro)
  • Letztes WM-Finale 2018: Frankreich – Kroatien 4:2
  • Finale 2014: Deutschland – Argentinien 1:0 n.V.

Sky Sport: Und wer wird Weltmeister?

Hrubesch: "Am Anfang habe ich gesagt: Wir werden Weltmeister. Aus Überzeugung. Das Spiel gegen Japan darfst du halt niemals verlieren. Hätten wir das gewonnen, hätten wir höchstwahrscheinlich das Achtelfinale erreicht. Dann hätte sich die Gesamtsituation vollkommen anders dargestellt. Jetzt sehe ich vier Mannschaften, die es wohl unter sich ausmachen werden. Mit Frankreich und Brasilien ist natürlich zu rechnen, aber nachdem, was ich zuletzt von Portugal gesehen habe, muss man die auf dem Schirm haben. Und natürlich kann man Argentinien nicht außen vor lassen. Es wird auf die Tagesform ankommen und auf Ausnahmekönner wie Mbappe - so einer kann jedes Spiel entscheiden."

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Auf die Frage, wer am Ende des Turniers in Katar Weltmeister wird, kann Horst Hrubesch noch keine eindeutige Antworte geben, aber: ''Am Ende gewinnt der, der es am meisten verdient hat''.

Sky Sport: Was ist mit den Marokkanern - die werden von der eigenen Begeisterung getragen…

Hrubesch: "Ja. Aber ich glaube um Weltmeister zu werden, muss man auch in der Lage sein, selbst das Spiel zu bestimmen. Nur abzuwarten - das geht einmal gut, vielleicht auch zweimal. Aber so den Titel zu holen - das ist sauschwer."

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