Hat Flick den Mut zur "Lücke"? Wäre da nicht eine Null ...
29.09.2022 | 22:43 Uhr
In wenigen Wochen wird Hansi Flick seinen 26-köpfigen Kader für die WM in Katar nominieren. Mit Niclas Füllkrug? Der Werder-Stürmer könnte die von Sky Experte Lothar Matthäus prophezeite Sturm-Überraschung werden, wäre da nicht eine Null ...
Lothar Matthäus ist sich sicher. Der Weltmeister von 1990 ist fest davon überzeugt, dass "Hansi Flick einen Mittelstürmer mit zur WM nehmen wird, den man noch nicht auf dem Zettel hat", schrieb der Sky Experte in seiner Kolumne "So sehe ich das". Warum? Die Antwort ist ganz einfach: "Wir brauchen einen, den man zumindest einwechselt und der immer für ein Kopfball-Tor gut ist." Und mit dieser Meinung steht der geschätzte Fußball-Experte keineswegs alleine da.
Die von Matthäus beschriebene Facette ist derzeit vakant im DFB-Team. Das haben die Nations-League-Partien gegen Ungarn (0:1) und England (3:3) nicht erst gezeigt, sondern vielmehr bestätigt. Die Kopfball-Skills des formschwachen Timo Werner sind überschaubar und Kai Havertz hat es gegen England auf der Neuner-Position gut gemacht, allerdings ist er nicht der klassische Mittelstürmer.
Zweifellos würde dieser Typus dem Flick'schen Katar-Aufgebot daher gut zu Gesicht stehen, das Problem: die Alternativen sind rar gesät. Derzeit kommen wohl nur eine Handvoll Stürmer in Frage, wobei ein Name in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien in den vergangenen Tagen immer häufiger genannt wird. Flicks Lösung für die neuralgische Sturm-Lücke könnte ausgerechnet "Lücke" lauten. Die Rede ist von Niclas Füllkrug.
Obwohl er (noch) nicht dabei war, ist er nach den letzten Länderspiel-Auftritten so etwas wie der heimliche Gewinner. Das zeigt auch das Ergebnis im WM-Startelf-Voting auf skysport.de, in dem er mehr Stimmen erhalten hat als ein gewisser Timo Werner. Dass Füllkrug ein Kandidat für Katar ist, kommt plötzlich und unverhofft. Vor einem Jahr war er nach acht Zweitliga-Spielen noch torlos, bei Werder nur Joker und nach einem Disput mit dem Sportlichen Leiter Clemens Fritz sogar für einige Tage suspendiert. Und nun ist er im Gespräch für einen Platz im WM-Aufgebot. Die Entwicklung erscheint fast surreal, aber die Diskussion um Füllkrug hat ihre Daseinsberechtigung.
Immerhin hat der Mann mit der markanten Zahnlücke für Werder Bremen in dieser Saison bereits fünf Bundesliga-Tore erzielt. Damit ist er derzeit der treffsicherste deutsche Stürmer in Europas Top-Ligen. Allein dieser Fakt ist ausreichend, um eine WM-Teilnahme des 29-Jährigen zumindest in Erwägung zu ziehen.
Füllkrug ist ein ausgewiesener Torjäger, der mit etwas weniger Verletzungspech (Kreuzbandriss & drei Knorpelschäden) in seiner Karriere womöglich auch schon bei einem Top-Klub hätte spielen können. Doch die üblichen Was-Wäre-Wenn-Szenarien haben bei dem passionierten Hobbykoch nie eine Rolle gespielt, er hat sich von all den körperlichen Rückschlägen nicht unterkriegen lassen und ist stattdessen immer wieder stärker zurückgekommen. Auch das ist eine enorme Qualität.
Auf dem Platz präsentiert sich Füllkrug zumeist wuchtig und durchsetzungsstark. Bei Werders jüngstem 1:1 in Leverkusen setzte er sich robust im Kopfballduell gegen den 95 Kilogramm schweren Abwehrhünen Jonathan Tah durch und initiierte somit den Ausgleichstreffer. "Warum nicht? Er gibt unserem Spiel eine neue Option", sagte Timo Werner zuletzt über eine mögliche Nominierung Füllkrugs. Auch der RB-Stürmer weiß: Ein gewonnenes Kopfballduell kann die Nuance sein, die bei einer WM den Unterschied ausmacht. Über Aus oder Weiterkommen entscheidet.
Odonkor 2006. Götze 2014. Füllkrug 2022? Kann er tatsächlich dieser Faktor sein, dieser Mann "für die besonderen Momente", nach dem Flick nach eigenen Angaben noch fahndet? Die charmante Idee hat zwar einige, aber nicht nur Fürsprecher. Füllkrug sei kein Stürmer von internationalem Format, argumentieren die Gegner und diese Position kann man durchaus teilen, schließlich hat er mit seinen 29 Jahren noch keine einzige Minute in einem internationalen Wettbewerb gespielt. Die Null-Bilanz erlaubt gewiss Zweifel, ist aber kein K.o.-Kriterium für eine WM-Nominierung.
Vielmehr wird es spannend zu beobachten sein, ob die Fokusänderung sich auf Füllkrugs Leistungen auswirken wird. Stürmte der gebürtige Hannoveraner bislang unter dem Radar, wird er schon am Samstag im Heimspiel gegen Gladbach (18:30 Uhr live und exklusiv auf Sky) deutlich mehr im Blickfeld stehen als in den vergangenen Wochen. "Lücke" ist in aller Munde und ein - zumindest in der Öffentlichkeit - ernsthafter WM-Kandidat.
"Dass es in der öffentlichen Wahrnehmung diskutiert wird, spricht sicherlich dafür, dass ein Spieler einen guten Job macht und durch Leistungen auffällt", sagte Ole Werner zuletzt. Der Werder-Trainer hatte zuvor aber bereits deutlich gemacht, dass das WM-Thema um Füllkrug "im Endeffekt nicht mein Thema ist".
Fakt ist: Bei der Endrunde in Katar wird es mehr denn je auf die Verfassung der einzelnen Spieler ankommen, ein über Wochen gezielter Formaufbau ist dieses Mal nicht möglich. Ergo: Sollte Füllkrug seine Torquote und sein Selbstvertrauen bis November konservieren können, wäre eine Nominierung für den WM-Kader gar nicht mehr so überraschend. Sondern folgerichtig.
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