Das Team der Stunde ist zweifellos die TSV Hannover-Burgdorf. Die Niedersachsen sind der einzige Profiklub in Handball-Deutschland ohne Minuspunkte. So weit so gut.
Das Startprogramm gegen Minden, Göppingen, Balingen, Lemgo, dem Bergischen HC und Stuttgart, alles Teams der unteren Tabellenhälfte, war machbar.
Der 23:22-Sieg gegen den amtierenden Deutschen Meister SG Flensburg-Handewitt allerdings offenbarte: Hannover kann gegen Spitzenmannschaften bestehen. Ein fulminanter Handball-Abend vor knapp 7000 Zuschauern in der stimmungsgeladenen TUI-Arena gab diese Antwort. Das war so nicht zu erwarten.
Kurios: Am Tag der Deutschen Einheit kommt es im DHB-Pokal zum "Rückspiel" gegen Flensburger in Revanchestimmung (live und exklusiv ab 16:30 Uhr auf Sky Sport News HD und im Livestream auf skysport.de).
Woher kommt der Erfolg? Wie lange hält er an? Wie stehen die Chancen der „Recken" im Pokal-Achtelfinale am Donnerstag? Die Leistungen der Hannoveraner stützen sich vorwiegend auf drei Säulen.
Erste Säule: Klare Hierarchie - zwei Anführer
Hannovers Mannschaft hat eine klassische Hackordnung. Für die einen altmodisch, für den Erfolg der Handballer von der Leine unabdingbar. Dabei stehen zwei Chefs im Fokus des 18er-Kader.
Der erste ist Dänemarks Olympiasieger und Weltmeister Morten Olsen. Der 34-Jährige darf als einziger ans Offensiv-Mischpult. Alles was der Mann aktuell anstellt passt. Vielleicht ist er in der Form seines Lebens. Geschenkt, dass das Spiel gegen Flensburg eine Ausnahme bildete.
In seiner letzten Saison in Hannover ist dem Weltklassespieler ein eindrucksvoller Wandel gelungen. Er wurde vom launischen Star zum Mentor der jungen Spieler. Früher gab es von Olsen mal Weltklasse und mal Oberliga. Jetzt nur noch Weltklasse. Vor allem seine harte Arbeit im körperlichen Bereich vermittelt er jetzt im Kraftraum gerne weiter.
Zweiter Boss ist der 30-Jährige Kapitän Fabian Böhm. Der Nationalspieler ist im Team extrem beliebt und respektiert, lebt auf dem und neben dem Spielfeld Profihandball vor. Seine Torgefährlichkeit und Effizienz im Angriff konnte er bereits mehrfach zu Saisonbeginn eindrucksvoll nachweisen.
Zweite Säule: Eine unglaubliche Mentalität
Sie haben Spaß zusammen. Dieser zeigt sich aktuell vor allem im Abwehrverhalten. Durch einen unglaublichen Zusammenhalt bringen die Niedersachsen momentan besonders in der Defensive Topleistungen. Jeder Spieler geht Extrameter für den anderen. Dabei ist die Deckung vom spanischen Cheftrainer Carlos Ortega (48) eine Art "Chaos-Abwehr". Hannovers Bollwerk steht immer auf den Füßen des Gegners, verunsichert den Angriff, hilft sich gegenseitig, deckt hart. Organisiert wird die Show von Evgeni Pevnov, Fabian Böhm und Mait Patrail. Die jungen Joshua Thiele (21), Malte Donker (21) oder Hannes Feise (23) folgen den Routiniers und mischen kräftig Beton an. Die Recken stellen aktuell die zweitbeste Abwehr der Liga.
Die Handballidee von Coach Ortega und Co-Trainer Iker Romero verhilft ganz nebenbei zu einem der besten Angriffe. Hannover kommt mit viel Dampf in die Offensive. Im Positionsspiel läuft "spanisch" viel über die Kreisläufer.
Torwart-Neuzugang Domenico Ebner ist aktuell die klare Nummer 1, Kollege Urban Leszjak hielt den Sieg 23:22 in der Schlusssekunde gegen Flensburg fest.
Dritte Säule: Die Mischung macht's
Die Recken haben neun eigene Nachwuchsspieler im Kader, sieben kommen regelmäßig zum Einsatz. Dazu Stars wie Olsen und Böhm. Passt. Die Spielfreude der Mannschaft ist ansteckend. Es sind Festtage aktuell, wenn die TSV Handball spielt. Junge, alte und neue Spieler ziehen gerade alle an einem Strang. So kann es bleiben.
Sportchef Sven-Sören Christophersen ist verantwortlich für den Kader. Er, der seine letzte Profistation in Hannover hatte, vom Spielfeld auf die Geschäftsstelle wechselte, hat Geschick und Geduld bewiesen. Geschick, weil er auf die eigenen Talente vertraut, was natürlich auch mit dem lieben Geld zu tun hat. Geduld, weil er trotz des schwachen 13. Tabellenplatzes letzte Saison die Ruhe behielt, nicht am Trainerteam zweifelte. Auch verlängerte Christophersen trotz langer Verletzungspause noch den Vertrag des Esten Mait Patrail. Der Halblinke war prompt Matchwinner im Spitzenspiel gegen Flensburg.
Das "Rückspiel in Flensburg im DHB-Pokal
Hannover hat schelmischen Spaß am Gewinnen. Das unterstrich augenzwinkernd zuletzt am Sky Mikrofon Fabian Böhm. Im Pokal-Achtelfinale in Flensburg könnte jedoch Endstation sein. Chancenplus für das Heimteam. Denn die SG hat die Niederlage bei den Recken gut verdaut, ist in der VELUX EHF Champions League weiter unbesiegt und zeigte am Samstag eine sehr starke Reaktion beim 24:24 in Szeged. Hannover erwartet in der Flens-Arena ein topmotivierter Gegner, der unbedingt Revanche nehmen will.
Bleiben die Recken Spitze?
Die kommenden Aufgaben gegen die MT Melsungen, den SC Magdeburg und die Rhein-Neckar Löwen sind allesamt knallhart. Diese Spiele zeigen, wo die Reise für die TSV hingeht. Kapitän Böhm zu Sky: "Wir haben gezeigt, dass wir einen ganz Großen schlagen können." Das weiß die Konkurrenz jetzt! Das Saisonziel Platz 10 sollten sie in Hannover schon einmal überdenken.
Mit einem Spitzenplatz wird es für Hannover 2019/20 sicherlich (noch) nichts. Trotzdem großen Respekt und Anerkennung für die Arbeit der Niedersachsen!
DHB-Pokal Achtelfinale wann und wo?
Dienstag, 01. Oktober, 19 Uhr
Füchse Berlin - SC Magdeburg 31:30 (15:16)
SC DHfK Leipzig - MT Melsungen 27:30 (12:13)
Mittwoch, 02. Oktober, 19 Uhr
Rhein-Neckar Löwen - Frisch Auf! Göppingen
TBV Lemgo Lippe - Bergischer HC
Mittwoch, 02. Oktober, 19.15 Uhr
ASV Hamm-Westfalen - Die Eulen Ludwigshafen
Mittwoch, 02. Oktober, 20 Uhr
HSG Wetzlar - THW Kiel
Donnerstag, 03. Oktober, 17 Uhr
SG Flensburg-Handewitt - TSV Hannover-Burgdorf ab 16:30 Uhr live auf Sky Sport News HD oder im Livestream auf skysport.de