Die Handball-Kolumne
13.01.2019 | 15:51 Uhr
Sky Experte Stefan Kretzschmar beleuchtet in seiner Kolumne jede Woche die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Dieses Mal analysiert der ehemalige Nationalspieler den WM-Auftakt gegen Korea und den Wirbel um den aussortierten Tobias Reichmann.
30:19 - die deutsche Nationalmannschaft startet mit einem ungefährdeten Sieg gegen Korea in die Heim-WM. Das war ein perfekter Auftakt in das Turnier! Gegen einen qualitativ deutlich unterlegenen Gegner konnte das Team schnell die Anfangsnervosität ablegen. Jeder Spieler konnte Selbstvertrauen tanken und sich ohne allzu großen Druck an die Atmosphäre gewöhnen. Die Zweifel aus der Vergangenheit sind erstmal abgelegt.
Dass es noch Steigerungspotenzial gibt, ist klar. Die Torausbeute muss besser werden. Ja, der koreanische Keeper hatte einen super Tag und hat wirklich Talent. Aber mit der Quote der zweiten Halbzeit wird man in den Reihen des DHBs sicher nicht zufrieden sein. Die Abschlussschwäche in mancher Situation wird man nochmal ansprechen.
Was mich aber beeindruckt, ist unsere Abwehr. Auf die Defensive in Verbund mit den Torhütern können wir uns verlassen! Das ist der Grundstein für das gesamte Turnier. Das Tempospiel aus einer sattelfesten Abwehr heraus muss unsere Stärke sein, weil wir aus dem Rückraum nicht so dominant sind. Deshalb ist es gut, dass Christian Prokop seiner Mannschaft den Gegenstoß und den erweiterten Gegenstoß an die Hand gibt. Dafür brauchen wir ballsichere Spieler. Martin Strobel ist ein echter Gewinn für das Team, er kann den Ball super nach vorne bringen und seine Halbspieler in Szene setzen.
Am Selbstvertrauen unserer Rückraumschützen müssen wir noch arbeiten. Gegen die körperlich robusteren Brasilianer wird es wichtig sein, dass der Rückraum noch mehr Torgefahr ausstrahlt. Deshalb freut es mich ganz persönlich für Steffen Fäth, dass er in der Nationalmannschaft so gut zurechtkommt. In der Bundesliga hat er es ja alles andere als leicht.
Man darf nicht vergessen, unter welcher Beobachtung die Jungs stehen. Die waren natürlich nervös und angespannt. Mich freut es extrem, dass sie den Auftakt so souverän gelöst haben. Jetzt rechne ich auch gegen Brasilien mit einem klaren Erfolg. Ohne Druck aufbauen zu wollen: Das ist ein Spiel, das wir gewinnen müssen! Wir sind Brasilien qualitativ überlegen. Wir haben die stärkeren Spieler. Die zwei Punkte müssen wir holen.
Ein paar Wörter möchte ich noch zu Tobias Reichmann loswerden. Der Rechtsaußen hat ja für ordentlich Wirbel gesorgt, weil er nach seiner Aussortierung nach Orlando geflogen ist und das in den sozialen Medien gepostet hat. Ich kann Tobias Reichmann verstehen. Natürlich ist es aus Sicht der Mannschaft und des Bundestrainers nicht optimal, dass ein Spieler, der sich eigentlich bereit und in der Nähe halten sollte, in die USA fliegt. Aber ich kann es auch verstehen, dass er frustriert ist, als Letzter aus dem Kader für die Heim-WM geflogen zu sein.
Christian Prokop und der Führungsstab der Nationalmannschaft haben sich das natürlich anders vorgestellt. Falls Probleme auf der Rechtsaußen-Position entstehen sollten, ist es nicht gut, dass Tobi erstmal nicht da ist. Aber rein persönlich kann ich Tobis Reaktion verstehen. Ich kann ihn dafür nicht verteufeln, verstehe aber auch, dass man sich das beim DHB anders gewünscht hätte.