Bei Uniteds Neuanfang gibt es keinen Platz für Egoisten
23.08.2022 | 16:49 Uhr
Sky Kommentator Toni Tomic blickt in seiner Kolumne auf Uniteds Befreiungsschlags, die CR7-Situation, Klopps Fehlstart mit Liverpool sowie Tuchels Offensivprobleme mit Chelsea.
Der Patient zeigt Lebenszeichen. Wann er aus der Intensivstation entlassen wird, werden die kommenden Wochen zeigen. Manchester United hat gegen Liverpool nicht nur Charakter gezeigt, sondern etwas, das sie entscheidend von anderen Teams bislang unterschieden hat. Teamgeist.
Ein simpler und pragmatischer Matchplan, viel Glück sowie Teamgeist. So gewinnt man manchmal Spiele. Eins hat dieses Spiel gegen Liverpool aber auch gezeigt: Die Intensität, mit der die Spitzenteams der Premier League unterwegs sind, konnte United in beide Richtungen nur über 30 bis 40 Minuten gehen. Deswegen ist es noch ein langer Weg.
Und dieser Weg wird ohne Cristiano Ronaldo beschritten. CR7 hat bereits früh im Sommer die Scheidungspapiere eingereicht. Am Montagabend hat Ten Hag sie gegengezeichnet. In diesem Konstrukt und bei diesem Neuanfang gibt es keinen Platz für Egoisten. Aus der Aussage vor Spielbeginn, warum er Ronaldo nicht von Anfang an gebracht habe, lässt sich vieles herauslesen. Aus den Gesichtszügen des Portugiesen auch.
Und Liverpool? Fehlstart. Klassisch. Zurückzuführen auf das Verletzungspech. Um die gewünschten PS auf die Straße zu bringen, fehlen die Autos im Fuhrpark. Keine Kontrolle im Mittelfeld. Vier von acht Mittelfeldspielern verletzt. Zwei von fünf Stürmer fehlen. Nur zwei von vier Innenverteidiger.
Es ist wie in der Saison 20/21, als in der Innenverteidigung van Dijk, Gomez und Matip längerfristig ausfielen. Diesen Qualitätsverlust kann man nur schwer auffangen. Selbst die Premier-League-Quantenphysik besagt, dass man mit 17-Jährigen auf der Bank keine Spiele gewinnt. Trotzdem meine ich, dass Liverpool ein Box-to-Box-Spieler gut tun würde. Noch ist das Transferfenster offen...
Es ist wie bei ihren Trikotfarben. Vor einem Jahr war alles schwarz in Newcastle. Ein Eigentümer mit Mike Ashley, den sie am liebsten aus der Stadt gejagt hätten. Der Trainer? Nicht modern genug. Die Mannschaft? Nicht wettbewerbsfähig. Die Übernahme durch den saudi-arabischen Investmentfond der Königsfamilie wurde gefeiert wie eine Befreiung aus Gefangenschaft.
Der Trainerwechsel mit Eddie Howe für Steve Bruce war eine logische Folge, aber was danach folgte, war eine Politik der kleinen Schritte. Geld verprasst wie Manchester City damals hat Newcastle nicht. Sinnvoll investiert schon eher. Spieler geholt mit Premier-League-Erfahrung und Klasse. Mit Bruno Guimaraes und Botman nur zwei Ausländer gezielt dazu geholt.
Ein Jahr später spielen sie den Meister Manchester City phasenweise außer Atem. Dieses 3:3 hatte alles, was die Premier League auszeichnet. Schon jetzt ein Klassiker der Saison. Und der Beweis: Newcastle ist wieder da.
Endlich bereit, seine eigene Geschichte weiterzuschreiben. So wie unter seinen früheren Helden Milburn, Robson, Keegan, Ferdinand oder Shearer.
Wir haben einen neuen Tabellenführer! Der nicht Manchester City oder Liverpool heißt. Momentaufnahme. Aber what a difference a year makes. Vergangene Saison mit drei Niederlagen gestartet, diese Saison mit drei Siegen. Arsenal hat vieles richtig gemacht trotz eines enttäuschenden Saisonfinishs, als es nur zu Platz fünf reichte. Die Entwicklung ist erkennbar.
Zinchenko und Jesus bringen Meistererfahrung und Mentalität mit. Saliba ist eine zuverlässige Defensivstütze und neuer Publikumsliebling und die "Altlasten" wie Aubameyang und Lacazette sind entrümpelt. Der Fußball unter Arteta erinnert ein bisschen an das "jogo bonito" von Brasilien. Die jungen Wilden versprühen Spielwitz und Spiellaune mit einer gehörigen Prise taktischer Reife. Und der Spielplan sieht gut aus für die Gunners, um sich Selbstvertrauen zu holen. Erst ab Oktober kommen die ganz großen Kaliber.
Für seinen Matchplan und seine gewonnene Taktikschlacht gegen Tottenham noch gelobt, hat Thomas Tuchel jetzt den ersten herben Rückschlag erlitten. Zu statisch, zu pomadig in der Offensive. Zu fehlerhaft in der Defensive. Thomas Tuchel weiß, dass seine Blues in dieser Konstellation nichts mit der Meisterfrage zu tun haben. Deswegen arbeiten sie mit Nachdruck an Neuzugängen. Die letzte Transferwoche wird blau geprägt sein.
Nur Manchester City und Liverpool haben ihr Business früh im Fenster erledigt. Auch Arsenal. Und hatten eine ruhige Vorbereitung. Automatismen einzuspielen mitten in der Saison, ist nie vorteilhaft für einen Trainer. Und wenn er dann sieht, mit welcher Intensität der Gegner Leeds Fußball spielt und Chelsea überrannte, muss auch Tuchel klar sein, dass die To-do-Liste noch lang ist.