Macht der "unmenschliche" Mensch die Tür auf?
19.02.2024 | 13:34 Uhr
Sky Kommentator Florian Schmidt-Sommerfeld blickt in seiner Kolumne auf das Geschehen in der Premier League. In der neuen Ausgabe nimmt "Schmiso" Manchester City und explizit die "Flaute" von Erling Haaland unter die Lupe.
Wir haben uns ja so schnell daran gewöhnt - nach 36 Toren in 35 Spielen in seiner ersten Premier-League-Saison -, dass Erling Haaland beinahe unmenschlich immer und überall trifft und auch in England ohne jeden Anlauf einnetzt wie keiner vor ihm. Und es ging ja direkt so weiter: Für die ersten 14 Tore in seiner zweiten Saison brauchte die norwegische Urgewalt gar noch ein Spiel weniger. Und dann? Fünf torlose Spiele rund um seine Fußverletzung, die ihn ab Dezember fast zwei Monate außer Gefecht setzte.
Kein Grund, nervös zu werden. Bei Normalsterblichen wäre diese leichte Flaute nicht einmal eine Notiz wert. Aber wir reden eben von Haaland. Der Mann, der die Quote von einem Tor pro Spiel seit seiner Salzburger Zeit selbst in der Champions League zum Standard erhoben hat. Gegen Chelsea am Sonntag hat er das erste Mal höchst menschliche Züge gezeigt. Die fünf besten Chancen Citys (die sechstbeste war Rodris Tor zum 1:1) hat alle Haaland vergeben. Aus einem unglaublichen Expected-Goals-Wert (xG) von 1,4 machte der Sturm-Gigant diesmal: nichts.
Es war die große Stärke des Meisters aus einer Masse an Chancen bis zum Chelsea-Spiel (46 xG) exorbitante zehn Tore mehr zu machen! Bestwert der Premier League. Zum Vergleich: Chelsea münzte den exakt gleichen xG-Wert zu nur 41 Toren um. Pep Guardiolas Manchester City war die Mannschaft, die den Rest der Liga (nur Liverpool hat es 2020 geschafft) mit unnachahmlicher Perfektion dazu gezwungen hat, absurde Punktzahlen anzuhäufen, um überhaupt eine Chance auf den Titel zu haben.
Und doch hat Pep sich auf ein Wagnis eingelassen: Das perfekt balancierte System, das vor allem stets die wenigsten Tore zuließ, zugunsten von Haaland etwas in Unwucht zu lassen, um endlich den Henkelpott nach Manchester zu holen, hat bekanntlich perfekt funktioniert. City wurde im Pressing ausrechenbarer, als Einheit etwas instabiler, dafür aber noch unaufhaltsamer, was da erzwingen von entscheidenden Toren angeht.
Die Rechnung: Bring Haaland ausreichend oft zu guten Abschlüssen, dann fällt das Tor automatisch. Das alte City war noch dominanter, ballsicherer, aber in letzter Konsequenz (CL-Finale gegen Chelsea 2021) oft ohne das eine entscheidende Tor geblieben.
Das Liga-Spiel gegen Chelsea hat die eine Schwachstelle offenbart: Im Zweifel muss Haaland treffen. City verlässt sich darauf. Sollte der sonst fast unfehlbare Norweger nur ein, zwei Mal zu oft menschliche Züge zeigen, stünden mit Liverpool und Arsenal diesmal gleich zwei Kandidaten bereit, den einen Punktverlust zu viel zu bestrafen. Die Geschichte der letzten Jahre offenbart: Die Konkurrenz ist da. Am Ende entscheidet aber doch Manchester City mit seinen Ergebnissen, ob sie nach 38 doch wieder den einen Punkt mehr holen. Dieses Jahr entscheidet Erling Haaland, ob er öfter „menschelt" und so den Konkurrenten die Tür zur Meisterschaft öffnet.
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