"Für Kane und Bayern wird der Titel nicht einfach"
15.07.2024 | 16:37 Uhr
Lothar Matthäus würdigt die Karriere von Thomas Müller in der deutschen Nationalmannschaft. Der Sky Experte blickt zudem auf die EM zurück, nennt seinen besten Spieler und erklärt, warum Spaniens Shootingstar Lamine Yamal in Hansi Flick beim FC Barcelona genau den richtigen Trainer hat.
Thomas Müller hat seine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft beendet. Es war eine große Karriere und er war immer eine Bereicherung - auf dem Platz und außerhalb des Platzes.
Es freut mich für Thomas, was er mit der Nationalmannschaft erreicht hat. 2010 hat er sein Länderspieldebüt gegeben, bei seiner ersten Weltmeisterschaft ist er gleich Torschützenkönig geworden, bei seiner zweiten WM wurde er Weltmeister. 2018 und 2022 hat er im DFB-Team auch Tiefen miterlebt erlebt - mit dem FC Bayern jedoch eigentlich nur Höhen mit zwölf Meistertiteln und zwei Champions-League-Siegen.
Müller war immer vorbildlich. Einer, zu dem man aufschauen kann. Er hat sich Respekt erarbeitet und verdient von seinen Mitspielern und Gegenspielern, aber vor allem auch von seinen Fans. Sein Rücktritt ist überlegt, ich kann seinen Entschluss nachvollziehen.
Jetzt kann er sich auf Bayern fokussieren und dann schauen wir mal, wie es weitergeht. Er sollte nicht schon jetzt sagen "2025 ist Schluss", sondern er sollte jetzt die Momente genießen, die noch vor ihm liegen. Er sollte sie als Zugabe, Spaß und Freude empfinden, nicht als Stress oder Druck. Er muss sich wohlfühlen. Ich wünsche mir, dass er uns lange erhalten bleibt, auch in anderen Funktionen.
Bei der Europameisterschaft haben aus deutscher Sicht nicht nur Jamal Musiala und Florian Wirtz ihr Potenzial gezeigt, auch andere junge deutsche Spieler haben international mit ihren Vereinen Spuren hinterlassen und werden hoffentlich irgendwann dazu beitragen, ähnlich wie Thomas Müller mit der Nationalmannschaft große Erfolge zu feiern.
Spanien ist der verdiente Europameister. Die Youngster Yamal und Williams hatten das volle Vertrauen ihres Trainers, aber in der Mannschaft standen auch Spieler wie Carvajal, Morata, Nacho und Navas, die schon die 30 Jahre überschritten haben. Die Jungen brauchen die erfahrenen Führungsspieler, die schon die eine oder andere Situation miterlebt haben.
Im Finale musste Rodri verletzt nach der ersten Halbzeit ausgewechselt werden, aber die Mannschaft blieb am Drücker und spielte in der zweiten Hälfte noch zielstrebiger nach vorne. Daran sieht man, wie wichtig es ist, dass man eine gute und breit besetzte Bank hat. Nach Pedris Ausfall kam Olmo im Viertelfinale gegen Deutschland in die Mannschaft. Er hat drei Tore erzielt und Spiele entschieden.
Rodri hat die Mannschaft geführt. Er verfügt über sehr große Spielintelligenz, dirigiert auf dem Platz, bestimmt das Tempo, arbeitet nach hinten und ist nach vorn sehr ideenreich. Er lässt die jungen Spieler glänzen und hält ihnen den Rücken frei. Für mich ist Rodri ein perfekter Spieler auf seiner Position und der Spieler des Turniers.
Rodri hat die Meisterschaft in England und die Europameisterschaft gewonnen. Zwar nicht die Champions League wie die Spieler von Real Madrid, aber mit dem, was er bei der EM abgeliefert hat, ist er mindestens ein Kandidat für den Ballon d'Or.
Lamine Yamal war der Shootingstar der EM. Ich freue mich für diesen jungen Spieler und ich finde es schön, dass es diese Geschichten im Fußball gibt und dass sein Kindheitstraum wahrgeworden ist. Yamal war mit 15 schon Profi, mit 16 bei der EM und jetzt ist er mit 17 Jahren Europameister.
Mich freut auch für ihn, dass er beim FC Barcelona mit Hansi Flick einen Trainer hat, der mit jungen Spielern umgehen kann. Das hat er nicht nur bei Musiala bewiesen. Hansi arbeitet sehr gern mit jungen Spielern zusammen, beide können voneinander profitieren. Flick hat einen tollen jungen Spieler und Yamal weiß, dass sein Trainer behutsam mit ihm die nächsten Schritte geht. Ich glaube, dass Yamal irgendwann einmal die Chance hat, in die Fußstapfen eines Lionel Messi zu treten.
Die Engländer haben, wie auch andere Mannschaften wie Frankreich oder Italien, haben insgesamt bei dieser EM sportlich enttäuscht. England ist bis ins Finale gekommen, aber mit einem Fußball, den sie besser können. Das mag an den Vorgaben des Trainers oder an der Müdigkeit der Spieler gelegen haben. Ich glaube, dass Harry Kane in der Vorbereitung sein Programm nicht so durchziehen konnte, weil ihn das eine oder andere zum Ende der Bundesligasaison gezwickt hat. Er hat einige Trainingseinheiten mit der Mannschaft versäumt, deswegen war er nicht so in Form, und das hat man gemerkt. Er war weit von der Leistung entfernt, die er beim FC Bayern in den ersten sechs, sieben Monaten gebracht hat.
Kane hat seinen ersehnten Titel verpasst und es wird auch nicht einfach, ihn im kommenden Jahr mit dem FC Bayern zu gewinnen. Denn ich würde nicht sagen, dass Bayern als großer Favorit in die Saison geht wie in der jüngeren Vergangenheit. Leverkusen hat bisher seinen Kader im Großen und Ganzen zusammengehalten und ich glaube, dass sie auf eventuelle Abgänge vorbereitet sind. In Leverkusen funktioniert schon alles, bei Bayern muss noch einiges zusammenwachsen, um an die Erfolge der letzten Jahre anzuknüpfen.
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