Julian Nagelsmann äußert sich auf ISPO unter anderem zum Aus beim FC Bayern
Der Bundestrainer steht bei der Sportbusiness-Messe Rede und Antwort.
05.12.2024 | 23:26 Uhr
Julian Nagelsmann hat bei der Sportbusiness-Messe ISPO über private und sportliche Themen gesprochen und in diesem Zuge auch seine Zeit bei den Bayern beleuchtet.
Es war der Höhepunkt zum Abschluss der ISPO 2024. Bundestrainer Julian Nagelsmann nahm sich eine knappe Dreiviertelstunde Zeit, um bei der Sportbusiness-Messe in München-Riem Rede und Antwort zu stehen - in erster Linie zu einem erfreulichen Jahr für die deutsche Nationalmannschaft und ihre Anhänger, aber auch zu seinen bisherigen Höhen und Tiefen als Trainer und Mensch.
Lächelnd und im lässigen Holzfäller-Hemd gekleidet betrat der 37-Jährige am Donnerstagnachmittag die prall gefüllte Halle B2 des Messegeländes - und ließ im Gespräch mit Moderatorin Katharina Kleinfeldt von Anfang an keine Zweifel daran, nicht nur als "politisch korrekter" Fußballlehrer aufzutauchen, sondern auch persönliche und authentische Einblicke geben zu wollen, die auf Pressekonferenzen oder in Interviews für gewöhnlich zu kurz kommen.
Nagelsmann hat alle Weihnachtsgeschenke
Zunächst klopfte sich Nagelsmann selbst auf die Schulter - dafür, bereits 19 Tagen vor Heiligabend sämtliche Weihnachtsgeschenke für seine Familie und Freunde besorgt zu haben. "Ich war gestern mal in der Stadt unterwegs", erzählte Nagelsmann. Dort sei es "total voll" gewesen. "Von dem her bin ich froh, dass ich dieses Jahr etwas früher dran war und da nicht nochmal durchmarschieren muss."
In der Stadt bummeln - ohnehin keine allzu beliebte Beschäftigung für den Bundestrainer, wird er doch häufig erkannt und um Fotos gebeten. "Das ist mir unangenehm. Ich will als normaler Typ wahrgenommen werden. Ich bin ja kein Satellit, der irgendwo herumschwebt."
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"Frei Schnauze" ist nicht mehr
Generell scheint es etwas ruhiger geworden zu sein um Nagelsmann. Das liegt zum einen daran, dass er als Bundestrainer nicht mehr jede Woche auf dem Trainingsplatz, an der Seitenlinie und damit in der Öffentlichkeit steht. Zum anderen hat er sich selbst aber auch etwas in seiner Kommunikation zurückgenommen.
War er zu seiner Zeit als Vereinscoach bei der TSG Hoffenheim, RB Leipzig und dem FC Bayern getreu dem Motto "Frei Schnauze" für das eine oder andere Sprüche-Feuerwerk gut, denkt er mittlerweile genauer darüber nach, was er sagt und wie er es sagt.
"Ich versuche, etwas vorsichtiger zu sein und mich nicht mehr zu allem zu äußern - und zwar nicht, weil ich weniger Meinung habe oder mir weniger zutraue, sondern weil ich keine Lust habe, ständig etwas über mich zu lesen. Weil es eben nicht immer positiv ausgelegt wird." Ein Beispiel: sein Kleidungsstil.
"Dass ich mal eine andere Jacke anhatte als Ottmar Hitzfeld, wurde mir negativ ausgelegt. Aber den beigen Trenchcoat von Ottmar Hitzfeld gibt es einfach nicht mehr. Das würde jetzt auch nicht so toll aussehen, deswegen habe ich den nicht angezogen."
Lehren aus der Bayern-Zeit
Sehr hilfreich für seinen persönlichen Reifeprozess war seine Erfahrung an der Säbener Straße, wo er zwischen 2021 und 2023 den deutschen Rekordmeister trainierte.
Bei der Frage nach den Lehren, die er aus seiner nicht immer einfachen und am Ende sehr turbulenten Zeit dort gezogen habe, ließ er aufhorchen: "Ich glaube, dass es bei so einem großen Klub immer politische Strömungen gibt, auf die man Rücksicht nehmen muss. Da waren Dinge, die am Montag noch herausragend gut waren, am Dienstag plötzlich nichts mehr wert. Man darf sich trotzdem nicht verbiegen lassen. Da gab es schon Momente, wo ich Entscheidungen getroffen habe in meiner Zeit bei Bayern, die ich jetzt im Nachgang anders entscheiden würde. Inhaltliche Entscheidungen, wo schon sehr viele Strömungen sind in so einem großen Klub, wo jeder mitsprechen will. Da habe ich gelernt, dass man ein bisschen mehr aufpassen muss."
Und weiter: "Wenn man nicht mehr der Richtige ist aus Sicht der Verantwortlichen, dann glaube ich, kann man auch gut damit leben. Wenn man nur eine Marionette ist und wird dann entlassen, fällt es einem deutlich schwerer. Das war ich nicht, von dem her bin ich besser weggekommen aus der Nummer als Bayern."
Veränderungen im DFB-Team
Zumal seine Trainer-Laufbahn keinen Knick bekam. Mehrere Top-Klubs aus England fragten schon kurz nach seinem Bayern-Aus bei ihm an, letztlich heuerte er im September 2023 aber als Nachfolger von Hansi Flick beim DFB an - eine im Nachhinein sehr gute Entscheidung, obwohl die ersten Erfahrungen alles andere als vergnügungssteuerpflichtig waren.
Insbesondere die Niederlagen gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2) setzten ihm und den sportlichen Verantwortlichen des Verbandes um Rudi Völler zu. "Das waren große Aha-Momente", erinnerte sich Nagelsmann. Danach mussten klare Veränderungen her - in Bezug auf die Kader-Zusammenstellung, aber auch die Rollenverteilung innerhalb der Gruppe.
"Ich glaube, wir haben mit dem Trainerteam zusammen viele gute Entscheidungen getroffen und haben eine Mannschaft gefunden, die extrem viel Lust hatte auf guten Fußball", bilanzierte der Bundestrainer. "Wir haben auch ein, zwei prominente Spieler zu Hause gelassen. Aber nicht aus dem Grund, dass sie keinen guten Charakter haben oder nicht irgendwie in eine gewisse Gruppe passen, sondern wir hatten für jeden Spieler eine gewisse Rolle vorgesehen bei der EM. Und da muss man als Trainer überlegen, kann der Spieler X, Y die Rolle erfüllen, die wir für ihn vorsehen. Es gibt einfach Spieler, die haben wenig Probleme damit, auf der Bank zu sitzen und für 20 Minuten als Joker reinzukommen. Es gibt aber auch Spieler, die mögen das nicht."
Nagelsmann musste früh erwachsen werden
Klare Entscheidungen musste Nagelsmann schon früh in seinem Leben treffen. Als er Anfang 20 war, verstarb sein Vater. "Das war ein prägendes Ereignis in meinem Leben", berichtete er. "Ich musste relativ schnell sehr viele schnelle Entscheidungen treffen, im privaten Bereich als auch in meinem sportlich-beruflichen Bereich. Zum Beispiel was ich studieren möchte oder was ich für einen Beruf erlernen will. Diese Zeit hat mir jedoch viel gebracht, weil ich einfach sehr früh erwachsen werden musste."
Nagelsmann entschied sich nach seiner weniger erfolgreichen, verletzungsbedingt früh zu Ende gegangenen Spielerkarriere zunächst für ein BWL-Studium. "Das habe ich irgendwann wieder aufgehört und Sport studiert, denn ich wollte wieder in den Fußball. Ich habe Entscheidungen getroffen für mein Leben, die nicht jeder immer sofort verstanden hat, aber schon auch mit einer Idee, wo ich vielleicht hinkommen will. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich Bundestrainer werde. Aber ich habe schon gedacht, vielleicht schaffe ich das als Trainer, was ich als Spieler nicht geschafft habe."
Sein Gefühl täuschte ihn nicht. Nagelsmann legte einen bis dato außerordentlichen Weg hin. Gekrönt werden soll dieser idealerweise 2026. "Für Weihnachten 2026 hoffe ich", sagte er zum Abschluss der Veranstaltung lächelnd, "dass unter dem Baum ein Replikat des WM-Pokals liegt."
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