"Vettel geht zu Racing Point": Drei Thesen zur Restsaison
30.08.2020 | 09:54 Uhr
Was wird aus Sebastian Vettel? Wie geht es mit Ferrari weiter und was kann Max Verstappen in dieser Saison noch erreichen? Formel-1-Experte und Sky Kommentator Sascha Roos wagt drei Thesen.
Die Formel 1 hat am Dienstag auch die letzten vier Termine für die Rennsaison 2020 bekannt gegeben. Der Kalender ist komplett, die Teams können sich endgültig auf die Rennen sieben bis 17 vorbereiten. Ein Trend ist nach den ersten sechs Grand Prix' längst zu erkennen.
Doch neben der erneuten Silberpfeil-Dominanz haben sich explosive und interessante Nebenschauplätze ergeben. Sky Kommentator Roos mit drei Thesen zur noch langen Restsaison und den voranschreitenden Entwicklungen.
Sebastian Vettel beendet seine Formel-1-Karriere nicht. Er wird in den kommenden Wochen einen Vertrag bei einem neuen Team unterschreiben. Und das wird Racing Point sein. Die Kombination aus mehrmaligem Weltmeister und britischer Edelmarke passt perfekt.
Aston Martin braucht ein Gesicht für den weltweiten Markt und Vettel einen Wagen, mit dem er zumindest wieder um Rennsiege mitfahren kann. Bei Racing Point wäre er die unumstrittene Nummer eins, was für sein Wohlbefinden enorm wichtig ist. Er braucht Rückendeckung, Harmonie und Wertschätzung. Mit einem Wechsel zu Racing Point hätte er all das - inklusive Mercedes-Motor.
Das Racing-Point-Team, das ab dem nächsten Jahr unter der Flagge von "Aston Martin" fährt, ist auf dem Sprung zu einem Top-Rennstall. Der Erfolg kommt zwar etwas plötzlich, aber nicht gänzlich überraschend. Durch, nennen wir es, "geschicktes Orientieren an Mercedes", ist Racing Point auf dem Vormarsch und schon jetzt eines der vier besten Teams im Wettbewerb.
Das hängt auch damit zusammen, dass durch Eigner Lawrence Stroll kräftig investiert wird. Sie bauen ein neues Werk, stellen viele Mitarbeiter und helle Köpfe ein, die den Wagen nach vorne bringen sollen. Mit cleveren Management-Schachzügen und Entwicklungs-Fortschritten werden sie zu einem Team auf dem Sprung nach vorne.
Wenn dann mit Vettel ein Top-Fahrer hinzukommt, der dem Ganzen ein Gesicht verleiht, ist mit einigem zu rechnen. Dafür müsste zuvor Sergio Perez weichen. Mit Vettel als Star-Fahrer und klarer Nummer eins und dem jungen und talentierten Lance Stroll hätte man ein starkes Fahrer-Duo, ohne große Explosionsgefahr. Stroll ist noch nicht auf dem Level, eine Gefahr für den viermaligen Weltmeister darzustellen. Aber als aufstrebender Fahrer kann der 21-Jährige von einem solchen Partner einiges lernen.
Der einzig logische Schachzug für beide Seiten. Eine Win-win-Situation für Vettel und Aston Martin. Dabei gibt es keine großen Verlierer, da Perez als guter Pilot mit einer hohen Abfindung und vielen Werbepartnern sicher einen neuen Stall finden würde. Haas würde sich über den Mexikaner freuen.
Das gibt das Auto in diesem Jahr absolut her. Nachdem noch der ein oder andere Fehler ausgemerzt wurde, passt es bei Red Bull sehr gut. Es ist absolut drin, dass Max Verstappen vor allem Valtteri Bottas noch ein, zwei Mal in diesem Jahr schlägt.
Aber Mercedes ist wieder einmal unfassbar überlegen. Ob es zu einem Grand-Prix-Sieg reicht, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber Stand jetzt auch nicht absehbar. Aus eigener Kraft wird es für Verstappen schwer. Seinen Sieg in Silverstone hat der Niederländer der Reifenschwäche von Mercedes zu verdanken. Gewinnen kann der 22-Jährige nur, wenn Mercedes schwächelt.
Wenn es einer schafft, den Silberpfeilen Paroli zu bieten und nochmal für ein wenig Trouble zu sorgen, dann aber Verstappen. Dafür sind die anderen Wettbewerber derzeit zu unterlegen. Sei es Ferrari oder auch Racing Point, die noch nicht gut genug sind. Nur Red Bull mit Max Verstappen am Steuer kann - und wird - Mercedes zumindest ein bisschen ins Schwitzen bringen.
Das ist für mich Fakt, da bin ich fest von überzeugt. Der Motor von Ferrari ist in diesem Jahr der Schwächste von allen im vorderen Feld. Mercedes, Honda und Renault haben alle mehr unter der Haube. Den Ferraris fehlen knapp 40 PS auf das, was Mercedes liefert. Selbst von der Einschränkung des "Party-Modus", dem Boost im Qualifying, kann Ferrari nicht profitieren.
Das spielt eher noch den anderen in die Karten, die sich so weiter von der Scuderia absetzen können. Auch das Chassis von Ferrari scheint nicht gerade das Allerbeste zu sein. Beide Fahrer klagen immer wieder über Balance-Probleme, was dafür spricht, dass auch die Aerodynamik nicht sonderlich gut ist.
All diese Probleme auf die Schnelle in den Griff zu kriegen oder gar zu beheben, ist eine Sache der Unmöglichkeit. Mit den aktuellen Gegebenheiten ist Ferrari für mich maximal die Nummer vier im Wettbewerb. Und das wird sich in der Konstrukteurs-Wertung zu Saisonende auch widerspiegeln.