Formel 1: Red Bull dominiert auch in Jeddah - Unruhe im Team wegen Verstappen und Perez
Unruhe trotz purer Dominanz! Stolpert Red Bull über die eigenen Füße?
21.03.2023 | 09:03 Uhr
Zwei Rennen, zwei Doppelsiege! Bereits früh in der Saison offenbart Red Bull eine deutliche Dominanz im Kampf um die WM. Doch trotz des sportlichen Erfolgs läuft es nicht gänzlich rund beim amtierenden Konstrukteurs-Meister. Wird die Teamchemie gar zum Stolperstein?
44 Punkte für Max Verstappen, 43 Punkte für Sergio Perez, 87 Punkte für Red Bull: Sowohl bei den Fahrern als auch in der Konstrukteurs-Wertung führt Red Bull das Tableau bereits nach zwei Rennen souverän an. Erstmals seit 2009 und zum zweiten Mal überhaupt belegte der österreichische Rennstall zwei Rennen in Folge die Plätze eins und zwei.
Dem ungefährdeten Doppelsieg zum Saison-Auftakt in Bahrain folgte nun zwei Wochen später ein ebenfalls souveräner Zweifach-Erfolg in Saudi-Arabien - inklusive Aufholjagd von Verstappen, der nach einem technischen Defekt im Qualifying von Platz 15 auf Platz zwei vorgefahren ist.
Hamilton schwärmt von RB19
Der große Vorsprung in Bahrain sowie der spielend leicht aussehende Durchmarsch von Verstappen in Jeddah lassen die Vermutung aufkommen, dass Red Bull derzeit keinen wirklichen Gegner im F1-Feld fürchten muss. Diese Vermutung verleitete Mercedes-Pilot George Russell bereits nach dem Auftakt-GP zu einer gewagten Vorhersage: "Red Bull hat die WM in der Tasche. Ich glaube nicht, dass es dieses Jahr jemand mit diesem Team aufnehmen kann. Ich wette darauf, dass sie dieses Jahr jedes Rennen gewinnen."
In Saudi-Arabien hielt Red Bull Russells Prophezeiung am Leben. Im Nachgang überschlugen sich die Loblieder auf das Auto des amtierenden Konstrukteurs-Meisters. Lewis Hamilton sprach nach dem Grand Prix davon, "noch nie ein so schnelles Auto gesehen" zu haben - auch im Vergleich zu den dominanten Mercedes-Jahren. "Als wir schnell waren, waren wir nicht so schnell", blickte der siebenfache Weltmeister auf die vergangenen Rennjahre zurück. "Das ist das schnellste Auto, das ich im Vergleich zu den anderen gesehen habe."
Sky Experte Ralf Schumacher lobte vor allem die Entwicklung und den Schritt, den das Weltmeister-Team über den Winter gemacht hat. "Sie haben sich super was erarbeitet. Sie haben das Konzept überarbeitet und die Probleme aus der Welt geschafft. Und, dadurch, dass sie tiefer fahren können, sind sie aerodynamisch effizienter."
Verstappens schnellste Runde sorgt für Unruhe
Ein genauerer Blick in das Red-Bull-Team und in die Beziehung zwischen Verstappen und Perez offenbart jedoch, dass trotz des derzeit überragenden sportlichen Erfolgs nicht alles Gold ist, was glänzt. Teamintern herrscht besonders zwischen den beiden Fahrern ein Konfliktpotenzial, dass Red Bull womöglich im Verlauf der WM auf die Füße fallen könnte.
Spätestens nach dem spektakulären Auftritt von Perez gegen Hamilton beim Saisonfinale 2021 in Abu Dhabi, der unter anderem zum WM-Titel für Verstappen beigetragen hatte, passte scheinbar kein Blatt zwischen die beiden Teamkollegen. Doch in der Endphase der vergangenen Saison bröckelte das Verhältnis zwischen dem Niederländer und dem Mexikaner. Verstappen weigerte sich beim GP von Sao Paulo Perez trotz Anweisung von der Box vorbeizulassen. Im Anschluss flogen Giftpfeile. Perez verpasste dadurch letztlich Platz zwei in der Gesamtwertung.
In den vergangenen Monaten schien sich die Teamchemie wieder etwas zu erholen - bis zum vergangenen Wochenende. Der GP von Saudi-Arabien könnte für einen erneuten negativen Umschwung sorgen, da Verstappen Perez in der letzten Runde des Rennens die schnellste Runde und damit den Extrapunkt "klaute", obwohl es intern die Aufforderung an die Fahrer gab, die Technik durch gedrosseltes Fahren zu schonen.
Dr. Marko: "Typisch Max"
"Wir haben den Fahrern Richtzeiten gegeben, da kamen immer Rückfragen, das haben sie nicht so ganz verstanden", erklärte Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko am Sky Mikrofon und ergänzte in seiner gewohnt lockeren und wortgewandten Art: "Typisch Max: Letzte Runde, damit Perez nicht kontern kann, die schnellste Runde hingeknallt."
Der 79-Jährige versuchte die offensichtlich brisante Situation zwischen den beiden Fahrern zu entschärfen: "Die interne Kommunikation war, dass beide gefragt hatten, wer die schnellste Runde hat. Zu dem Zeitpunkt hatte sie Perez. Wir haben es durchgegeben und keine Order gegeben, es nicht zu machen. Max hat bis zum Schluss gewartet und Sergio nicht ausgetrickst, aber es taktisch sehr gut gemacht."
Perez von Verstappen-Move überrascht
Im Cooling Room nach dem Rennen war jedoch deutlich zu sehen und zu merken, dass Perez dieses Manöver von Verstappen alles andere als gefallen hat. Es wurde wenig gesprochen, aber diese Frage hatte Perez doch noch: "Haben sie dir nicht gesagt, dass du die Geschwindigkeit halten sollst?" Doch Verstappen folgte seinem Instinkt - immerhin wollte der amtierende Weltmeister mit Hilfe des Extrapunktes als WM-Leader ins dritte Saisonrennen in Australien gehen. Und genau so kam es auch.
Für Perez, der deutlich machte, in diesem Jahr um den Titel mitkämpfen zu wollen, sei die Angelegenheit damit aber auf keinen Fall geklärt: "Ich dachte, die Kommunikation mit Max wäre gleich gewesen. Das müssen wir uns noch einmal anschauen, denn ich habe definitiv andere Infos bekommen und konnte am Ende nicht mehr pushen."
Glock sieht zukünftige Reibereien bei Red Bull
Für den Rennstall heißt es nun, die Gemüter in Zukunft zu beruhigen und die angespannte Lage nicht eskalieren zu lassen. Ansonsten könnte Red Bull tatsächlich ein Szenario drohen, in dem sie über die eigenen Füße stolpern - auch wenn die Dominanz dies aktuell nicht vermuten lässt. Doch wie oft haben schon interne Machtkämpfe zu haarsträubenden Ausfällen geführt. Nico Rosberg und Hamilton können davon ein Lied singen.
Aston Martin, Mercedes & Ferrari in Lauerstellung
Und sollte es tatsächlich auch bei Red Bull soweit kommen, steht die Konkurrenz bereit. Derzeit liegen Aston Martin, Mercedes und Ferrari zwar noch weit hinter dem österreichischen Rennstall, doch die Zeit der Upgrades wird kommen und genau darin ziehen die RB-Konkurrenten ihre Hoffnung, so zum Beispiel Aston-Martin-Teamchef Mike Krack: "Die Saison ist lang. Ich denke nicht, dass Red Bull den Abstand halten wird. Wir haben noch zwei große Teams dahinter, die alles tun werden, um aufzuholen. Der Zuschauer sollte sich ein wenig gedulden und weiterhin Formel 1 gucken."
Und weiter: "Wir müssen abwägen: Was machst du wann und wo stehst du mit den Kosten. Wenn du zu viele Schüsse direkt setzt, hast du später keine mehr. Du musst abhängig davon entscheiden, wo dein Auto steht. Es werden auf jeden Fall Teile kommen."
Selbiges gilt auch für Mercedes. Der entthronte Serienmeister unterstrich nach dem Saudi-Arabien-GP nochmals, das Konzept des W14 komplett überarbeiten zu wollen. Und auch Ferrari will die Saison noch lange nicht abschreiben. So sind zumindest die Worte von Carlos Sainz zu deuten, der derzeit mit 20 Punkten den vierten Platz im Gesamtklassement einnimmt.
Sainz über Upgrades: "Könnte Saison komplett drehen"
"Wir wissen auch, wie wir das Auto weiterentwickeln müssen, aber wir brauchen die Zeit. Wir können die Upgrades nicht schon morgen einführen. Ich bin aber zuversichtlich, dass das Team sie früh in der Saison bereit haben wird. Das könnte unsere Saison dann komplett drehen", zeigte sich der Spanier optimistisch.
Es zeigt sich also: Red Bull dominiert Stand jetzt die Formel 1 nach Belieben, schafft sich aber durch solche Aktionen wie den "Klau" des Extrapunkts selbst Baustellen, die sich negativ auf die Zukunft und den sportlichen Erfolg auswirken könnten.
In den nächsten Wochen scheint noch keiner der Konkurrenz diese eventuelle Lage ausnutzen zu können. Doch die Upgrades werden folgen und das Feld womöglich wieder etwas durcheinanderwirbeln - möglicherweise zu Ungunsten von Red Bull ...
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