Red-Bull-Zoff mit Folgen? Verstappen und Perez lassen Giftpfeile fliegen
14.11.2022 | 00:20 Uhr
Für Red Bull war der Große Preis von Sao Paulo nicht nur sportlich ein Desaster, sondern könnte im Hinblick auf die Teamchemie auch noch nachträglich ein richtig schwarzer Tag werden. Grund dafür ist das Verhalten von Weltmeister Max Verstappen.
"Checo ist eine Legende".
Das waren die Worte von Max Verstappen während des GP von Abu Dhabi am 12. Dezember 2021. Beim Saisonfinale kämpfte der Niederländer mit Lewis Hamilton nach einem epischen Zweikampf über das gesamte Jahr im letzten Rennen um den WM-Titel. Doch Hamilton war einfach zu schnell und steuerte in Richtung Rennsieg und Titelgewinn. Doch dann kam Sergio Perez.
Der Mexikaner hielt den Mercedes-Piloten einige Runden auf, kämpfte dabei mit stumpfen Waffen in Form von abgenutzten Reifen gegen Hamilton und sorgte letztendlich dafür, dass Verstappen zu seinem Rivalen aufschließen konnte. Erst dadurch konnte Verstappen in der späten Safety-Car-Phase frische Reifen aufziehen und sich letztendlich in der letzten Runde den WM-Titel holen.
Rund elf Monate später wäre es nun für Verstappen an der Zeit gewesen, Perez zu helfen. Denn während der 25-jährige Superstar bereits längst seinen zweiten WM-Titel in dieser Saison in der Tasche hat, liefert sich Red-Bull-Teamkollege Perez einen heißen Kampf mit Charles Leclerc im Ferrari um die Vizemeisterschaft. Perez lag vor dem Brasilien-Rennen sechs Zähler vor dem Monegassen. Jeder Punkt zählte also im Fernduell.
Kurz vor Rennende in Interlagos fuhr Verstappen auf P6 direkt vor Perez. Entsprechend gab die Box die Anweisung an den Niederländer: "Max, lass Checo bitte vorbei." Doch Verstappen ignorierte die Aufforderung seiner Crew und ließ seinen Teamkollegen nicht überholen. "Was ist da passiert, Max?, fragte Verstappens Renningenieur nach der Zieldurchfahrt. "Fragt mich das nicht noch einmal. Haben wir uns verstanden? Ich habe meine Gründe und ich stehe zu diesen", reagierte Verstappen mit einer deutlichen Ansage.
Dass dieses wenig weltmeisterliche Verhalten ein Nachspiel haben würde, wurde schnell deutlich. Perez, der Verstappen kurz vor Rennende vorbeiließ, weil der Weltmeister mit frischeren Reifen noch die Hoffnung hatte, weiter nach vorne zu kommen, meinte am Funk sarkastisch: "Ja, besten Dank dafür Jungs. Dankeschön." Red Bull hatte Perez zuvor versprochen, dass Verstappen ihn wieder vorbeilassen würde.
Red Bulls Teamchef Christian Horner mischte sich noch auf der Auslaufrunde ein und entschuldigte sich beim 32-Jährigen. Doch Perez wollte davon nichts wissen und schoss einen verbalen Giftpfeil Richtung Verstappen. "Er hat gezeigt, wer er wirklich ist", so der Mexikaner. Auch kurze Zeit später am Sky Mikrofon fand Perez klare Worte: "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich bin einfach enttäuscht nach all dem, was ich im letzten Jahr für ihn getan habe."
Sky Experte Timo Glock konnte die Wut des dreimaligen Familienvaters verstehen und erwartet Auswirkungen auf das Verhältnis der beiden Teamkollegen. "Die Aktion ist natürlich nicht förderlich für das nächste Jahr. Perez wird sich in Zukunft überlegen, ob er Verstappen noch unterstützen wird. Vor einem Jahr hat Perez Verstappen mit zum Weltmeister gemacht. Nun hätte er seinem Team und seinem Teamkollegen helfen können. Das ist unverständlich, warum Max so reagiert hat", so Glock, der noch hinzufügte: "Da muss schon etwas Größeres vorgefallen sein."
Durch einen Platztausch wäre der Mexikaner in der Pole-Position für die Vizemeisterschaft im Saisonfinale gewesen, denn er hätte dann zwei Zähler mehr auf dem Punktekonto gehabt. So steht Perez nun bei 290 Punkten - ebenso wie Leclerc, der in Brasilien Vierter wurde. Da der Monegasse allerdings drei Siege in diesem Jahr eingefahren hat - Perez steht bei zwei - liegt aktuell nun Leclerc auf Platz zwei.
"Die Gründe will ich hier nicht sagen. Ich habe mit Sergio, Christian (Horner, Anm. d. Red.) und Helmut (Marko, Anm. d. Red.) zusammengesessen und ich habe alles erklärt, warum ich ihn nicht vorbeigelassen habe. Am Ende musst du immer weiterschauen und wenn er Hilfe braucht in Abu Dhabi, dann werde ich ihn da unterstützen", erklärte Verstappen bei Sky. Auf die Nachfrage, ob etwas vorgefallen sei, reagierte der 25-Jährige mit einem kurzen, aber eindeutigen "Ja". Der Giftpfeil flog damit zurück in Richtung Perez.
Verlierer der ganzen Geschichte in Interlagos ist damit allerdings das Red-Bull-Team. Denn neben dem fehlenden Speed auf dem Autodromo Jose Carlos Pace sowie den enttäuschenden Plätzen sechs und sieben hat das Weltmeisterteam nun auch einen Nummer-Eins-Fahrer, der offensichtlich keinen Teamplayer spielt, und einen zweiten Piloten, der richtig viel Wut im Bauch hat. Die Teamchemie des einstigen Traumduos scheint zerstört zu sein.
Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko wiegelte jede kritische Nachfrage zur Verstappen-Aktion ab und versprach schon beim GP von Abu Dhabi (am Sonntag, ab 12.30 Uhr LIVE & EXKLUSIV auf Sky) ein anderes Teamauftreten. "Max wird dort aus seiner Sicht alles Mögliche unternehmen, damit Checo den zweiten Platz in der WM erreichen kann. Das hier in Brasilien ist abgehakt und geklärt und wir gehen mit dieser Prämisse nach Abu Dhabi. Da arbeiten wir als Team", machte der 79-jährige Österreicher bei Sky deutlich.
Hinter verschlossenen Türen wurde angeblich alles nach dem Rennen geklärt. Die Frage ist nur, ob das auch bei den Fahrern angekommen ist. Positiv für Red Bull war in Sao Paulo nur, dass es auch bei Ferrari Unstimmigkeiten gab und Leclerc hinter Teamkollege Carlos Sainz ins Ziel kam. "Ich wollte an Carlos vorbei, wir hatten das vor dem Rennen intern besprochen. Aber aus irgendeinem Grund hat man die Meinung im Team dann noch geändert", so Leclerc bei Sky.
Allerdings war die Situation bei Ferrari eine etwas andere. Während Leclerc nur knapp eine Sekunde vor Fernando Alonso fuhr und die Roten somit Gefahr liefen, bei einem möglichen Platztausch auch noch von Alonso kassiert zu werden, hatte Perez von hinten keinen Druck. Zudem braucht die Scuderia noch jeden Punkt im Zweikampf mit Mercedes für Rang zwei in der Konstrukteurswertung und wollte daher laut Rennleiter Laurent Mekies kein "unnötiges Risiko" eingehen.
Rund ein Jahr nach dem ersten WM-Titel von Verstappen in Abu Dhabi steht für Red Bull in diesem Jahr nun erneut ein punktgleiches Kopf-an-Kopf-Rennen im Saisonfinale an. Dieses Mal mit Perez. "Das wird ein spannendes Finale. Wir wollen unbedingt den zweiten Platz mit Checo und Max wird ihm dort helfen", betonte Red Bulls Teamchef Horner bei Sky.
Mit der Hilfe würde sich Verstappen verspätet bei Perez für 2021 bedanken - und Wiedergutmachung für Brasilien betreiben.
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