Hannover 96: Der lauteste Geheimfavorit der 2. Liga?
15.07.2022 | 19:51 Uhr
Zum Saisonauftakt der 2. Bundesliga bittet der 1. FC Kaiserslautern Hannover 96 auf den Betzenberg. Ein Traditionsduell. Doch alle sprechen über die Roten Teufel, nur wenige über die Niedersachsen. Dabei könnten die 96er die Liga ordentlich aufmischen.
Mittelmaß. Mehr hatte Hannover 96 in den vergangenen zwei Jahren nicht zu bieten. Lichtblicke wie der Auftritt im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Gladbach (3:0) waren eine Seltenheit. Viel mehr bestimmten in der Vergangenheit negative Schlagzeilen wie Trainerentlassungen, Rechtsstreitigkeiten mit Sportdirektoren und Spielern oder offensive Harmlosigkeit den Hannoveraner Alltag. Am Ende reichte es nur zu den Plätzen 11 (2021/22) und 13 (2020/21).
Doch die graue Maus von der Leine könnte in der anstehenden Saison zum schwarz-weiß-grünen beziehungsweise roten Aufstiegsaspiranten avancieren und den ohnehin offenen Aufstiegskampf in der 2. Bundesliga mitbestimmen. 96 befindet sich im Umbruch und setzt zumindest, was das neue Spielermaterial angeht, ein Ausrufezeichen. Leise ist jedenfalls anders. Und doch werden bei den Favoriten um den Aufstieg meistens eher der HSV, Arminia Bielefeld oder der SV Darmstadt genannt. 96 taucht dann meistens erst im erweiterten Kreis hinter dem 1. FC Nürnberg, Fortuna Düsseldorf, dem SC Paderborn oder Greuther Fürth auf.
Nicht jedoch bei Sky Experte Torsten Mattuschka und Sky Reporter Stefan Hempel. Beide tippen Hannover als zweiten Aufsteiger. Und das hat gute Gründe.
Mit Stefan Leitl hat Marcus Mann einen erfahrenen Aufstiegstrainer an Land gezogen. Der Ex-Fürth-Coach verhalf dem Kleeblatt 2020/21 in die Bundesliga. Der gebürtige Münchner weiß, wie man ein funktionierendes Mannschaftsgefüge aufbaut. Dass seine Mannschaft seine Forderungen wahrnimmt, zeigen bereits respektable Ergebnisse gegen den VfL Wolfsburg (1:1) und den FC Groningen (3:0).
96-Fans dürften hoffen, dass man sich die Verpflichtung Leitls gut überlegt hat. Schließlich kostete der 44-Jährige eine halbe Million Euro Ablöse. Hinzu kommt die für Hannoveraner Verhältnisse gewagte Vertragslaufzeit von drei Jahren bis 2025. Vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass die Roten abseits des Platzes endlich Ruhe in den Laden bekommen wollen.
Alles andere als ruhig soll es dagegen auf dem Platz in der kommenden Saison zugehen. Dafür hat Hannover 96 auf dem Transfermarkt für Aufsehen gesorgt und Mann keine halben Sachen gemacht. "Wir sind glücklich, dass wir Stefan Leitl und auch Andre Mijatovic für Hannover 96 gewinnen konnten", so Mann im exklusiven Sky Interview. Gleiches gelte für die Spieler, mit denen man "perspektivisch etwas aufbauen und fußballerisch wieder für etwas stehen" will. Top-Transfer Louis Schaub und Leitl-Kenner Havard Nielsen sollen künftig die lahme Offensive der Niedersachsen (nur die Absteiger waren schlechter) beleben und Max Besuschkow dahinter die Fäden ziehen.
Mit Derrick Köhn hat man zudem einen neuen Linksverteidiger verpflichtet und mit Antonio Foti eines der größten Talente Eintracht Frankfurts ausgeliehen. Dass man Maxi Beier für ein weiteres Jahr halten konnte, ist ebenfalls ein Erfolg für Sportdirektor Mann. Zudem hat man mit Nicolo Tresoldi ein vielversprechendes Sturm-Talent in der Hinterhand, das in der gesamten Vorbereitung überzeugen konnte.
Gepaart mit den Leistungsträgern Ron-Robert Zieler, Julian Börner und Sebastian Kerk entwickelt sich daraus für Trainer Leitl eine schlagkräftige Truppe. Der Abgang von Linton Maina (1. FC Köln) könnte weh tun. Dass unter anderem Marcel Franke (Karlsruhe), Philipp Ochs (Sandhausen) oder Niklas Hult (ohne Verein) den Klub verlassen haben, sollte vor allem der Qualität der ersten Mannschaft keinen Abbruch tun.
Um die Richtung der 96er Saison in die richtige Bahn zu lenken, wird es für die Leinekicker vor allem darauf ankommen, das knackige Startprogramm zu bewältigen. Wartet mit Kaiserslautern auswärts gleich zu Beginn einer der unbequemsten Gegner der Liga (Freitag, ab 20 Uhr live auf Sky Sport Bundesliga 1), folgen der Vorjahresfünfte FC St. Pauli und mit dem SC Paderborn ein weiterer Geheimfavorit.
Leitl und sein Team sind gewarnt, dass mit den Roten Teufeln gleich die Feuertaufe auf die neue Hannoveraner Konstellation wartet. Er erwarte einen "physisch sehr starken" Gegner. "Kaiserslautern weiß, was auf sie zukommt und wir wissen, was auf uns zukommen wird".
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Für 96 werde es eine "mental große Herausforderung", blickte der Trainer auf der Pressekonferenz vor dem Spiel voraus. "Kaiserslautern ist ein Aufsteiger, der vor heimischem Publikum mit Euphorie starten wird. Es ist insgesamt ein wunderbarer Rahmen, zwei große Vereine treffen am Betzenberg aufeinander."
Euphorie herrscht aber auch am Maschsee: "Ich merke eine Vorfreude auf die Saison, die jetzt durch das Transferfenster und die bisherigen Ergebnisse entstanden ist", sagt der neue Übungsleiter. Bisher ist er mit seinem Team in den Tests noch ungeschlagen (fünf Siege, zwei Remis).
Obwohl man bei 96 noch auf Zeit spielt und nichts überstürzen möchte, gilt es diese Vorfreude mit in die Saison zu nehmen und diese Euphorie auch aufrecht zu erhalten. "Wir hatten eine kurze Vorbereitungszeit und einen kompletten Neuanfang. Das Umsetzen unseres Spiels wird schon noch dauern und ist auch nach dem dritten oder vierten Spieltag nicht zu Ende", so Leitl. Doch er sagte bezüglich der positiven Stimmung auch: "Wir müssen das bestätigen und gute Leistungen zeigen."
Dass man Hannover zum Favoritenkreis dazu zählt, gefällt den 96ern, möchte man aber nicht überbewerten. "Uns freut das natürlich, wenn das von außen so gesehen wird. Wir selbst können das realistisch einordnen", erklärt Mann im exklusiven Sky Interview. "Wir wissen, dass wir einige neue Spieler haben, mit einem neuen Trainer, mit einem neuen Spielsystem und wissen auch, dass das Zeit brauchen kann. Wir waren letztes Jahr lange Zeit im Abstiegskampf. Von daher ist das ein sehr, sehr großer Schritt in den Aufstiegskampf. Deshalb gehen wir das demütig an und wissen, dass wir für jeden Sieg und jeden Punkt hart kämpfen und arbeiten müssen.
In der niedersächsischen Landeshauptstadt sind Ruhe und Stabilität in der kommenden Saison deshalb die obersten Gebote und die Aufstiegsfrage wird gerne umschifft. Doch so laut, wie man sich auf dem Transfermarkt präsentierte, möchte man sich künftig auch auf dem Rasen zeigen. Funktioniert das, wird man auch im Aufstiegsrennen die Stimme erheben, oder wie Mann es bezüglich des Umbruchs gegenüber Sky treffend formulierte: "Wir wissen, dass wir das in kleinen Schritten machen müssen. Wenn größere Schritte dazwischen kommen, haben wir nichts dagegen."
Mehr zum Autor Max Georg Brand
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