Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. In dieser Woche dreht sich alles um Schalkes schwache Darbietung im Reviederby und die anstehenden Champions-League-Duelle.
Nach all dem, was wir von Schalke 04 auf und neben dem Platz in den letzten Monaten erlebt haben, muss man leider sagen: Schalke ist zum heutigen Tag ein sicherer Abstiegskandidat. Dass sie im so wichtigen Revier-Derby, dem Spiel der Spiele für Verein und Fans, überhaupt keine Chance hatten, ist eine Bankrotterklärung.
Deprimierende und trostlose Aussicht für Schalke
Das Einzige, woran sich die Schalker noch klammern können, ist der Fakt, dass wir erst fünf Spieltage hinter uns haben und theoretisch genügend Zeit bleibt, um Punkte zu holen. Zum jetzigen Zeitpunkt fragt sich nur: gegen wen? Das Ziel kann momentan nur sein, zwei Mannschaften zu finden, die sie nach 34 Spieltagen hinter sich lassen. Stand jetzt könnten das Mainz, Köln oder Bielefeld sein. Welch deprimierende und trostlose Aussicht für so einen großen und traditionsreichen Verein. Wie konnte man den FC Schalke 04 nur so zu Grunde richten?
Dieser Verein und diese Mannschaft haben nichts mehr von dem, was sie immer ausgezeichnet hat. Keine Identifikationsfigur in kurzen Hosen und keinen Anführer im Anzug. Weder Macher noch Malocher rund um die VELTINS-Arena. Assauer, Tönnies, Thon, Wilmots, Anderbrügge, Fischer, Fichtel, Libuda oder Stevens. Diese und viele andere haben die Historie dieses Vereins über Jahrzehnte geprägt. Und heute? Kein Spieler, an den man sofort denkt, wenn der Name Schalke fällt. Kein Konzept auf und neben dem Platz. Keine Philosophie und kein Geld in der Kasse. Wo sonst soll das hinführen, als ein fußballerisches Stockwerk tiefer?
Wenn sich dort nicht bald alle zusammenreißen und vor allem die Spieler nicht verstehen, was sie Woche für Woche fabrizieren, dann wird aus diesem einst so stolzen Klub in sieben Monaten der Absteiger der Herzen.
Top-Team? Dem BVB fehlt der komplette Zusammenhalt
Die Sorgen die der BVB hat, hätte man in Gelsenkirchen gerne. Die einen kämpfen ums nackte Überleben, die anderen wollen zu den ganz Großen gehören. Aber um dorthin zu gelangen, fehlt Borussia Dortmund regelmäßig das, was wirkliche Top-Teams ausmacht. Der komplette Zusammenhalt. Ein Trainer, der die letzten Prozentpunkte aus seinem Team herausholt, wenn es wirklich zählt. Anführer auf dem Feld, die laut werden und vorangehen, wenn es am nötigsten ist. Die absolute Gier und das Gefühl für den Moment der Wahrheit.
Die Bayern haben das aktuell mehr denn je. Egal ob Flick, Kimmich, Neuer, Lewandowski oder Thomas Müller. Sie alle eint der permanente Wille nach Erfolg um jeden Preis. Bei den Dortmundern ist natürlich auch eine sehr große Qualität in allen Bereichen vorhanden. Aber sie wird im Vergleich zu Bayern München nicht permanent und alle drei Tage über eine komplette Saison abgerufen. Man kann gegen Lazio Rom verlieren, aber man darf nicht so abschenken, wie es Dortmund in der ersten Halbzeit getan hat. Favre ist ohne Zweifel ein toller Trainer. Ich kenne keinen Spieler, der ein schlechtes Wort über ihn verliert. Aber die Ansprüche in Dortmund sind nun mal andere als in Gladbach oder Berlin. Der Fokus liegt aufgrund der fantastischen Arbeit der letzten zehn Jahre noch mehr auf Titeln und Erfolgen in diesem Verein.
Dortmunds Führungsspieler sind zu ruhig und brav
Hummels, Witsel, Reus, Sancho, Haaland und Bürki sind richtig gute Fußballer. Aber ich sehe vor allem bei den Älteren kein Aufbäumen, kein Vorangehen, keine Kommandos, wenn es das Team am nötigsten hat. Sie sind zu ruhig und zu brav. Auch deshalb wurde der Start in die Champions-League-Saison verschlafen und man steht vor dem nächsten Spiel gegen Zenit St. Petersburg schon wieder extrem unter Druck und muss gewinnen. Außerdem schaffen es die Dortmunder immer wieder ohne Not Baustellen zu eröffnen, die sie so überhaupt nicht gebrauchen können. Aktuell hat Lucien Favre eine Art Konkurrenzkampf zwischen den Torhütern Bürki und Hitz eröffnet, wobei doch eigentlich allen klar sein sollte, dass sich Bürki in letzter Zeit nichts zu Schulden hat kommen lassen und seit Jahren die Nummer eins ist. Für mich völlig unverständlich.
Und wenn Marco Reus demnächst wieder körperlich fit und bei 100 Prozent ist, muss der Kapitän auch von Beginn an spielen. Reus hat sich die Binde als Identifikations-Figur und Ur-Dortmunder verdient. Er ist zudem ein großartiger Fußballer. Man muss als Kapitän kein Lautsprecher sein. Das war Philipp Lahm auch nicht. Aber man muss unangefochtener Stammspieler sein. Wenn Reus fit ist und ihn Favre nicht unter den Top elf Spielern sieht, muss er handeln.
Leipzig muss sich nicht vor Manchester United verstecken
Für Julian Nagelsmann und RB steht mit der Partie bei Manchester United das nächste Highlight an. Der Tabellenführer der Bundesliga knüpft nahtlos an die tolle letzte Saison an. Das Team ist noch reifer und erwachsener geworden. Nach den Abgängen von Schick und Werner erleben Poulsen und Forsberg sowas wie einen zweiten Frühling. Die Mannschaft bringt jetzt auch Spiele souverän ins Ziel, ohne unnötiges Risiko zu gehen. Das 2:0 gegen Basaksehir oder das 2:1 gegen Berlin zeigen, dass Leipzig immer gefestigter ist und sehr intelligent ans Werk geht.
Wer in der letzten Saison ins Halbfinale der Königsklasse eingezogen ist, muss sich auch vor Manchester nicht verstecken. Der Name mag noch so groß sein, aber die Mannschaft von United dürfte RB nicht einschüchtern. Schon gar nicht, wenn man sich die Tabelle der Premier League ansieht. Nach fünf Spielen stehen die Engländer auf Platz 15. Nur Sieben Punkte und 9:12 Tore sind die magere Ausbeute zum Saisonstart.
Gladbach kann gegen Real Madrid gewinnen
Leipzig kann also durchaus gewinnen. Genauso wie Borussia Mönchengladbach gegen Real Madrid. Vor allem wenn die Borussia so mutig spielt, wie in den letzten 30 Minuten bei Inter Mailand. Real ist natürlich eine sehr erfahrene Truppe und vor allem in der Champions League nie zu unterschätzen. Sie stehen nach der Pleite gegen Donezk bereits stark unter Druck, haben aber durch den 3:1-Sieg am Wochenende in Barcelona wieder eine breite Brust.
Das ist eine Paarung, die bereits in den 70er Jahren große Duelle hervorgebracht hat. Auch hier ist es natürlich extrem schade für die Gladbach-Fans, dass keine Zuschauer im Stadion sein werden, um das Team anzufeuern. Jahrelang hat man auf solche Gegner hingearbeitet und durfte sie meistens nur vor dem TV-Gerät bewundern. Aber so sind die Zeiten nun mal aktuell. Die Borussia muss an ihre Chance glauben. Sie haben definitiv eine.