Matthäus: "Das war unnötig von Haller"
29.05.2023 | 22:47 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus spricht in seiner Kolumne über das Aus von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic. Der Rekordnationalspieler ist zudem überzeugt, dass die Rückkehr von Karl-Heinz Rummenigge sehr positiv ist. Sebastien Haller kritisiert er wegen der Elfer-Szene gegen Mainz.
Es war seit Wochen ein offenes Geheimnis, dass die Zeit von Oliver Kahn und wohl auch Hasan Salihamidzic zu Ende gehen würde. Und so ist es auch gekommen. Doch wenn dann Fakten geschaffen werden, ist die Schlagkraft doch eine andere. Die Meisterfeier und der überraschende - aber am Ende verdiente Titel für den FC Bayern - wurden durch die schlechte Stimmung im Verein und der Führungsetage in den Schatten gestellt.
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Auch ich war überrascht, dass man mit der Verkündung nicht noch ein paar Tage gewartet hat. Aber: Der FC Bayern ist ein Unternehmen mit Milliarden-Umsatz und in einem solchen ist es gängige Praxis, dass die Mitarbeiter vor allem in der Führungsebene in dem Moment das Unternehmen verlassen müssen, wenn ihre Vorgesetzten der Meinung sind, dass es keinen Sinn mehr macht.
Ich habe das selbst in meinem Umfeld erlebt. Da heißt es innerhalb von fünf Minuten: Das war es, pack deine Sachen, lass alles hier, was dir nicht gehört und alles Gute. Offensichtlich war es so, dass dieses letzte Gespräch, das mit Sicherheit schmerzt und eine große Enttäuschung ist, mit Hasan friedlicher über die Bühne gegangen ist als mit Oliver. Am Ende steht hier Aussage gegen Aussage. Uli Hoeneß und Herbert Hainer war das Ganze zu emotional oder gar aggressiv. Oliver bestreitet dies.
War es der richtige Zeitpunkt, ein paar Tage vor dem Saisonfinale den beiden ihr Ende nahezulegen? Darüber kann man diskutieren. War es richtig, Julian Nagelsmann so zu entlassen? War es richtig, Thomas Müller auf die Bank zu setzen? Muss man die Reißleine ziehen, wenn man an eine bestimmte Sache nicht mehr glaubt, egal wie es sich für den anderen anfühlt?
Fakt ist: Irgendwas muss vorgefallen sein, denn sonst hätten die Aufsichtsräte Oliver nicht seines Amtes enthoben und ihm somit die Reise nach Köln verwehrt. Sie konnten sich nicht auf ein einvernehmliches Ende einigen. Und dann war es Hoeneß und Hainer zu riskant, Oliver öffentlich als Bayern-Vertreter ins Stadion zu lassen. Es ist schade, dass es jetzt so gekommen ist.
Aber so ähnlich dürfte es auch Nagelsmann ergangen sein, als er aus heiterem Himmel erfahren hat, dass er nicht mehr die Chance bekommt, drei Titel zu holen. Und Nagelsmann hat es zudem nicht einmal von seinem Arbeitgeber, sondern von Dritten erfahren. Am Ende hat Hoeneß eine Entscheidung korrigiert, die in seinen Augen heute falsch war und nicht so funktioniert hat, wie er sich das gewünscht hat. Oliver hat den Klub offensichtlich nicht so gelenkt, geführt und repräsentiert, wie es sich Hoeneß und viele andere gewünscht haben und deshalb beginnt nun wieder ein neues Kapitel beim FC Bayern.
Auch Brazzo hat Fehler gemacht. Er hat 24/7 wie schon als Spieler alles für den Verein gemacht. Aber die Zusammenstellung des Kaders war nicht ideal. Vor allem, was den Charakter der Spieler angeht. Das sieht man allein schon daran, dass einige inmitten der Meisterfeier abhauen. Eine absolute Frechheit. Nur zwei Meistertitel in zwei Jahren, der eine auch noch in letzter Sekunde. Kein Halbfinale in einem Pokal-Wettbewerb und in der Champions League teilweise kläglich gescheitert. Das ist nicht der Anspruch von Bayern München.
Hasan wird weiterhin ein Freund dieses Vereins bleiben, bei Oliver könnte es sein, dass das Tischtuch zerschnitten ist. Aber vielleicht finden beide ja in einer ruhigen Minute wieder zueinander. Oliver ist auch nicht irgendwer, sondern eine Legende des FC Bayern. Als Vorstandsvorsitzender folgt nun Jan-Christian Dreesen. Sowohl der Präsident als auch der CEO haben in kurzen Hosen keine Erfahrungen auf höchstem Niveau.
Dafür aber Karl-Heinz Rummenigge, der den Verein wohl wieder unterstützen und beraten wird und das wäre eine großartige Nachricht. Seit zwei Jahren erkläre ich regelmäßig, dass Kalle dem Klub mehr fehlt als jeder andere. Ein Mann von Welt, der diesen Verein über Jahrzehnte in den Gremien Europas und der Welt vertreten hat. Er genießt höchsten und unschätzbaren Respekt in jedem Winkel der Fußballwelt.
Uli Hoeneß hat den Verein erschaffen, aber Kalle hat ihn repräsentiert wie kein Zweiter. Wenn er wirklich wieder hilft, dann ist das vielleicht das Puzzlestück, das in den letzten Jahren gefehlt hat. Es gab so viele Störgeräusche auf und neben dem Platz. Manuel Neuer, Serge Gnabry, Sadio Mane, Toni Tapalovic und so weiter. All diese Dinge hätte Rummenigge moderiert.
Und ich glaube, dass sich jeder auf der Geschäftsstelle und rund um den Klub freuen würde, wenn er diesen Mann wieder regelmäßig zu Gesicht bekäme. Ob und wie sehr er wieder eingreift, muss er entscheiden. Denn eigentlich hatte er ja vor, mehr Zeit mit der Familie und den Enkelkindern zu verbringen. Aber vielleicht lässt sich das vereinbaren.
Gesucht wird noch ein Sportdirektor. Auch wenn sie mit Max Eberl ein erstes Gespräch geführt haben, so bin ich der Meinung, dass Max das auf keinen Fall machen kann. Denn dann ist er in der Fußballbranche bei so ziemlich jedem unten durch. Dass er nach Gladbach eine Pause gebraucht hat, weil es ihm wirklich nicht gut ging, das weiß ich ganz sicher. Aber schon damals gab es Unverständnis und Häme, aber die war unangebracht.
Sollte er jetzt nach nur wenigen Monaten RB verlassen, um zu Bayern zu gehen, dann könnte ich alle verstehen, die ihn dafür kritisieren. Das kann er nicht bringen. Markus Krösche habe ich als Namen reingeworfen, weil er einen super Job macht und ein richtig guter Typ ist. Im Grunde wäre Fredi Bobic auch jemand, der diesen Job gut könnte, dessen Ruf in Berlin aber gelitten hat.
Ich denke, für die nächsten Wochen und vielleicht Monate reicht die Expertise von Hoeneß, Tuchel, Dreesen, Hainer und vor allem Rummenigge. Seine Drähte in ganz Europa, sein Auge, Auftreten und seine Erfahrung kann ohnehin keiner ersetzen.
Zum BVB und ihrer Leistung gegen Mainz fällt mir auch zwei Tage später nichts mehr ein. Diese Chance kommt so schnell nicht wieder. Der entscheidende Moment war, als sich Sebastien Haller den Ball schnappt, obwohl der etatmäßige Elfer-Schütze Emre Can diesen fest in den Händen hielt und höchstwahrscheinlich auch verwandelt hätte. So wie die letzten fünf Strafstöße, die er geschossen hat. Und dann wäre Borussia Dortmund jetzt Deutscher Meister.
Dieser zusätzliche Druck, den sich Haller dadurch aufgeladen hat, war völlig unnötig. Er hat zwar bei Ajax die Elfer geschossen, aber eben nicht für Dortmund und auch nicht in so einer Situation mit seiner emotionalen Vorgeschichte. Das konnte nur schiefgehen. Manchmal muss man darauf verzichten, sich die Krone aufsetzen zu wollen. So wie ich im WM-Finale 1990. Da man dann zwei Toren hinterherrennen musste und die Bayern zudem in Köln geführt haben, nahm das Unheil seinen Lauf.
Es ist bitter für Dortmund und ich glaube auch nicht, dass sie nächstes Jahr noch mal die Chance haben, so knapp vor der Meisterschaft zu stehen. Bayern wird viel stärker sein als in diesem Jahr, ein paar Top-Transfers tätigen, aufräumen, weniger Unruhe produzieren (viel mehr geht auch nicht) und dem Rest gewohnt davonlaufen.
Aber die Dortmunder können wirklich stolz auf sich und auf diese tolle Rückrunde sein. Sie haben für einen herrlichen Titelkampf gesorgt. Das mag kein Trost für sie sein und trotzdem können sie erhobenen Hauptes in die Sommerpause gehen. Auch wenn es unglaublich bitter und traurig war.
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