Gikiewicz im Exklusiv-Interview: Provokationen, Neuer & Elfer-Sabotage
13.10.2022 | 23:54 Uhr
Rafael Gikiewicz spricht im großen Exklusiv-Interview mit Sky über die Provokationen mit den gegnerischen Fans, seine schwer kranke Mutter, seine Zukunft in Augsburg und macht dabei eine deutliche Ansage an Finn Dahmen.
Skysport.de: Herr Gikiewicz, Wie geht es Ihnen?
Rafal Gikiewicz: Tag für Tag besser. Das kann ich sagen. Es war eine ordentliche Prellung mit viel Blut drin. Mein gesamtes Leben lang war ich bisher nie verletzt. Aber was auf Schalke passiert ist, war eine Prellung. Ich habe es direkt nach dem Duell mit Terodde in der 68. Minute gemerkt, das was nicht stimmt. Aber ich bin einfach so, du musst mir das Bein abschneiden, damit ich raus bin.
Ich habe dann mit einer Schmerztablette gespielt und ein bisschen Tape. Aber nach dem Spiel war es wirklich ein großer Schmerz. Ich habe am Donnerstag vor Wolfsburg noch probiert, auf dem Platz zu stehen und ein paar Bälle zu halten und ein bisschen Bewegung zu haben. Aber Freitag und Samstag war es nicht besser und ich habe dann gesagt, es hat keinen Sinn, wenn ich nicht 100 Prozent für meine Mitspieler und die Fans geben kann. Ich bin auch keine 20 mehr. Ich habe ein bisschen was im Kopf. Und es hat einfach keinen Sinn gemacht, auf dem Platz zu stehen, Theater zu machen und dann nach 20 Minuten rausgehen zu müssen.
Skysport.de: Wird es fürs Wochenende reichen?
Gikiewicz: Schauen wir mal. Gestern war es schlimmer, heute ist es schon ein bisschen besser. Ich hoffe, bis Sonntag ist es nochmal 40-70 Prozent besser. Ich bin seit einigen Tagen unterwegs und habe viel Zeit investiert und die Hilfe von allen Seiten angenommen. Ich bin einfach optimistisch, weil ich will sofort und so schnell wie möglich wieder auf dem Platz stehen.
Skysport.de: Für Bayern im Pokal reichts?
Gikiewicz: Wir haben noch sechs oder sieben Tage. Ich will wirklich gegen die Bayern auf dem Platz stehen. Aber ich will auch gegen Köln am Wochenende auf dem Platz stehen. Wir haben eine gute Ausgangsposition, Köln hat ein Spiel am Donnerstag in Belgrad. Und wir wollen unsere kleine Serie ausbauen.
Skysport.de: Wie wird man gegen die Bayern zum Helden? Sie müssen es ja wissen...
Gikiewicz: Es war letzte Saison von meiner Seite aus schon ein gutes Spiel. Ich finde, gegen die Bayern ist es weniger Belastung für den Kopf. Du hast nichts zu verlieren. Der Torwart-Trainer sagt immer: Genieß einfach das Spiel. Sicherlich kommen ein paar Bälle Richtung Tor und dann musst du einfach was zeigen. So ist es für Torhüter manchmal viel besser, aktiv ab der ersten oder zweiten Minute sein zu müssen und nicht erst 60 oder 70 Minuten warten zu müssen, bis der erste Schuss kommt und dann vielleicht das erste Tor direkt fällt.
Es ist natürlich ein Traum für jedes Kind, gegen Leroy Sane, Jamal Musiala oder Thomas Müller zu spielen. Jetzt fehlt Lewandowski, letztes Mal haben wir 1:0 gewonnen und ich habe zum ersten Mal gegen die Bayern kein Tor bekommen. Wir können das wieder zeigen am Mittwoch. Warum nicht? Warum nicht zu Hause gegen die Bayern nach dem Spiel einen Sieg feiern?
Skysport.de: Haben Sie Kontakt zu Lewandowski?
Gikiewicz: Ja, nicht oft, aber schon ab und zu. Er hat auch nicht die einfachste Phase in der Champions League. Er ist in Spanien, ich in Deutschland. Er ist zufrieden in Spanien. Und ohne ihn schießt Bayern gegen uns kein Tor. Und ich hoffe, dass bleibt auch so am Mittwochabend.
Skysport.de: Selbst Manuel Neuer schießt gegen sie kein Tor. Ist das noch mal geiler, wenn man Bälle von ihm hält?
Gikiewicz: Schon geil. Wenn er das Tor macht, dann ist er der Spieler des Tages. Alle reden über Manuel Neuer. Wenn du in der 94. Minute einen Kopfball von ihm hältst, ist es einfach noch mal was extra, ein kleiner Bonus kann man sagen. Aber ich hatte das Gefühl, in der 65. Minute habe ich mir gesagt, sie können hier 120 Minuten spielen heute und schießen kein Tor. Wir hatten viel Glück, ich hatte einen guten Tag. Die Jungs sind ohne Ende marschiert. Und wir haben einfach eine super Team Leistung gezeigt und eine große Moral bewiesen. Sie hatten viel mehr den Ball und mehr Möglichkeiten, aber wir haben unsere Chance genutzt. Einfach ein geiler Tag.
Skysport.de: Was geben Ihnen solche Spiele?
Gikiewicz: Ich kann insgesamt sagen, was die Saison mir gibt. Es war nicht die einfachste Phase nach der 0:4-Niederlage gegen Freiburg hier. Viele Spekulationen gab es, auch in den Medien. Ich habe seit acht oder neun Jahren meine persönlichen Ziele am Kühlschrank hängen. Da kann ich es jeden Morgen einfach lesen. Ich habe geschrieben, Spaß haben und einfach persönlich nach oben gehen, sportlich und menschlich. In diesem Jahr hatte ich keine Nationalmannschaftsnominierung, das hat mich viel Kraft gekostet, mehr kann ich nicht machen auf dem Platz.
Ich mache genug und trotzdem kommt die Nominierung nicht. Aber trotzdem, Spiele wie gegen Bremen oder Leverkusen oder Bayern geben dir einfach Selbstvertrauen. Ich habe zwar schon genug, aber trotzdem dieses geile Gefühl einfach, ich bin 34, in Kürze 35 und habe das Gefühl, wie ein kleines Kind noch Sachen lernen zu können. Du hast jeden Tag Spaß mit den Jungs und dem Torwart-Trainer. Ich habe das Gefühl, wie bei einem Akku im Handy geht es bei mir immer mehr Prozente nach oben und ich kann immer mehr laden und mehr lernen. Im Fußball spielt es keine Rolle, wie alt du bist.
Im Fußball geht es darum, wie gesund du bist. Wie gut du bist. Und wie du deine Leistung am Wochenende zeigen kannst. Es gibt viele Spieler, die haben Qualität von Montag bis Freitag, aber mit ein bisschen Druck von Fans und Gegnern, ist es bei Ihnen, als wenn der Kopf blockiert wäre. Sie können dann nicht die ganze Qualität zeigen. Für mich gibt die negative Stimmung auswärts oder die positive Stimmung zu Hause so etwas wie Benzin und ich habe wirklich Spaß.
In dieser Saison habe ich ein geiles Gefühl und ich glaube, ich kann noch mehr zeigen. Ich will auf dem Platz stehen und den Jungs helfen und ein paar überragende Bälle bis Weihnachten noch halten und dann ganz oben - vielleicht nicht erster oder zweiter Platz - aber weit oben in der Tabelle stehen. Das ist eine neue Situation für uns, weil in jeder Weihnachtspause sind wir ganz unten und dann kannst du die Zeit nicht wirklich genießen. Wir haben jetzt am 12. November das letzte Spiel und bis dahin können wir ein paar Punkte sammeln und dann haben wir zwei Monate eine geile Zeit.
Skysport.de: Wie muss ich mir die Liste am Kühlschrank vorstellen? Wie lang ist die?
Gikiewicz: Fünf oder sechs Positionen für jedes Jahr.
Skysport.de: Und welche steht ganz oben? Ist das auch die Wichtigste?
Gikiewicz: Alle Spiele zu machen und jetzt habe ich das zum ersten Mal nicht geschafft seit ein paar Jahren. Das ist aber nicht meine Schuld. Das war einfach das Duell mit dem Gegner. Aber sonst noch persönliche wie Zu-Null-Spiele und die persönliche, menschliche und sportliche Entwicklung. Und jeden Morgen gehe ich zum Kühlschrank und nehme einen Smoothie oder ein kleines Frühstück raus und dann musst du einfach die Ziele visualisieren. Wenn mir 2014 jemand gesagt hätte, du bist 2022 Bundesliga-Torhüter und machst so ein Spiel gegen Bayern, dann hätte ich das nicht wirklich glauben können.
Und ich hätte gedacht, du bist nicht ganz normal. Aber im Leben ist alles möglich, du musst einfach den Willen haben. Auch die Frustrationstoleranz. Wenn du nicht spielst, musst du trotzdem alles geben und bereit sein, bis deine Chance kommt und die dann direkt nutzen. Ich hatte eine schwierige Phase in Deutschland und in Freiburg. Ich hatte in 24 Monaten vier Spiele. Aber ich war dann bereit nach ganz unten zu gehen in die zweite Liga zu Union Berlin und da haben wir den Aufstieg gefeiert und die erste Bundesligasaison. Durch den Schritt zurück ist meine Karriere einfach ganz nach oben gegangen. Du musst einfach bereit sein, alles zu investieren und alles zu geben.
Skysport: Wie ging es Ihnen in der Phase in Freiburg?
Gikiewicz: Sie hatten einen anderen Plan, sie wollten Schwolow nach einem oder zwei Jahren verkaufen und ich hatte wirklich einen guten Vertrag bekommen. Sie wollten Gikiewicz haben als Nummer eins. Aber dann ist Schwolow geblieben, weil er gute Leistungen gezeigt hat. Es kann nur ein Torhüter spielen und ich musste die Rolle akzeptieren. Mit Christian Streich ist es nicht einfach, wenn du es nicht akzeptierst, bist du sofort weg, wirklich.
Aber dann war Schwolow verletzt, ich habe zwei Spiele gemacht und wir haben vier Punkte gegen Leipzig und Dortmund geholt. Und nach der Saison kamen der Sportdirektor und der Trainer und haben gesagt, Gikie danke. Weil ohne die Punkte wären wir in der zweiten Liga gewesen. War keine einfache Zeit für mich und auch nicht für meine Frau und meine Kinder. Aber ich war immer bereit, ich habe immer mehr gemacht. Dann hatte ich die Option, zu Union zu gehen und die habe ich einfach genutzt.
Skysport.de: Warum schlagen Sie die Bayern noch mal?
Gikiewicz: Schwer zu sagen. Vor dem Spiel ist es immer elf gegen elf. Sie kommen sicher mit der stärksten Aufstellung, das glaube ich schon, gerade nach der letzten Niederlage gegen uns. Sie können nicht mit der zweiten Mannschaft kommen. Beziehungsweise in Anführungsstrichen zweite Mannschaft, weil jeder Bundesliga Verein gerne die zweite Mannschaft von Bayern nimmt. Aber dieses Spiel gibt uns einfach Selbstvertrauen und wir hatten dieses Gefühl, wie geil es ist, zu Hause die Bayern zu schlagen. Und ich hoffe auf ein volles Haus Mittwochabend im Pokal. Warum nicht?
Skysport.de: Falls Sie in Köln schon wieder spielen können: Müssen wir uns Sorgen machen, dass sie sich wieder mit den gegnerischen Fans anlegen?
Gikiewicz: Ich verstehe die Frage nicht. In Gelsenkirchen habe ich fast gar nichts gemacht. In Bremen schon ein bisschen. Aber so wie Niko Kovac das nach dem letzten Spiel gesagt hat, nach dem Wort-Duell mit Stefan Reuter: Fußball ist ein Emotionsspiel. Ich war auf der Tribüne und wirklich, das Duell zwischen Nico und Stefan und auch zwischen den Spielern gibt dir einfach ein geiles Gefühl. Die Leute kaufen Karten und sitzen wie in einem Theater und wir sind Schauspieler. Und wenn du ohne Emotionen spielst, dann ist es keine gute Leistung der Jungs.
Ich habe nie provoziert oder jemanden persönlich beleidigt. In Gelsenkirchen wollte ich einfach Richtung Tor gehen und meine Sachen nehmen. Ich verstehe nicht, warum ich zehn Minuten warten sollte. Ich gehe nach jedem Spiel und nehme meine Flasche und will auch mein Handtuch nehmen. Dann kommt Simon Terodde und ich hatte im ersten Moment keine Ahnung, wer da kommt. Dann habe ich ihn einfach ein bisschen geschubst. Ich habe gelesen, dass er gesagt hat, das war ein bisschen zu viel von seiner Seite. Aber für mich ist das kein Problem. Fußball ist ein Emotionsspiel.
Aber nach dem Elfmeter in der letzten Sekunde in Bremen wollte ich einfach ein bisschen mehr Pfiffe hören. Und sie springen von der Tribüne und ich finde, dass das auch keine schlechte Aktion von den Fans war. Trotzdem können Sie natürlich nicht auf den Platz gehen. Das war natürlich ein bisschen Show. Aber ich habe niemanden persönlich beleidigt und ich bin einfach so. Ich bin keine Tomatensuppe, du liebst mich oder du liebst mich nicht. Ich bin einfach so, ich bin Gikiewicz. Ich bleibe einfach so bis zum letzten Tag auf dem Platz in Deutschland.
Ich habe niemanden persönlich auf dem Platz beleidigt, auch nicht Fährmann oder Asamoah. Wir haben ein bisschen diskutiert. Aber ich verstehe auch die Schalker Seite. Sie haben einen Spieler mehr und 20 Minuten und spielen zu Hause nach 0:2 noch 2:2. Sie hatten Hoffnung. Nach dem 2:2 kam Simon Terodde zu mir und sagte: Hey ich schieße noch ein Tor, ich schieße noch ein Tor. Und ich hab gesagt: Okay, und dann schießen wir das Tor und wir holen den Sieg. Meine Gestikulation nach dem Elfmeter ist wie, wenn ein Stürmer auswärts ein Tor schießt und auch zu den gegnerischen Fans läuft.
Ist das Provokation oder nicht? Das ist genauso wie so ein Jubel. Ich habe den Elfmeter gehalten, geile Bilanz dieses Jahr und das ist einfach mein Jubel. Sie pfeifen und beleidigen mich ein bisschen die ganze Zeit. Sie können das machen, ich nehme das nicht persönlich. Aber das ist mein Jubel. Ich kann alles machen auf dem Platz. Das ist einfach meine Entscheidung nach dem Elfmeter. Ich kann auf dem Boden bleiben, ich kann den Ball halten, ich kann Küsschen schicken zu meiner Frau. Ich habe einfach die Handbewegung gemacht, um ein bisschen mehr zu hören. Aber im Fußball brauchst du solche Menschen. Wenn wir alle gleich sind, macht es keinen Spaß, das Spiel anzuschauen und fertig. Das ist meine Antwort und ich glaube, das ist genug.
Skysport.de: Brauchen Sie diese Provokationen vielleicht auch?
Gikiewicz: Ich brauche das. Du bist eine Stunde vor dem Spiel draußen auf dem Platz in Gelsenkirchen und du musst einfach wissen, du spielst gegen 65.000 im Stadion, die Augsburg schlagen wollen. Und sie pushen ihre Jungs. Aber sie schaffen es nicht, da verstehe ich die Frustration. Manchmal musst du einfach die Niederlage akzeptieren. Und ich hatte die Niederlage gegen Freiburg hier im Kopf. Gregoritsch hatte ein Tor geschossen. Niemand hat ein Feuerzeug Richtung Christian Streich oder Ersatzspielern geworfen. Manchmal haben wir einen schlechten Tag und der Gegner gewinnt. So ist Fußball.
Du kannst nicht alles gewinnen, so wie Bayern München. Sie haben 87 Spiele lang immer ein Tor erzielt und gegen uns schießen sie zum ersten Mal keins. Das ist nicht so einfach in diesem Sport. Du kannst nicht sagen, heute gewinnt Bayern, morgen gewinnt Augsburg. Niemand weiß das. Ich brauche die negative Stimmung, das Gepfeife und die Atmosphäre vom Stadion. Ich hatte letztes Jahr auch das Gefühl, ich bin nicht wirklich Gikiewicz als COVID kam und wir ohne Fans gespielt haben. Du hattest das Gefühl, dass du auf dem Trainingsplatz bist. Das war keine Bundesliga. Das ist kein Fußball ohne Fans. Du brauchst die Leute. Die Fans kommen, auch wenn wir keine gute Phase haben, sie machen Stimmung, sie investieren Geld, das ist auch nicht einfach in dieser Situation auf der Welt. Die Stimmung, negativ oder positiv, gibt mir einfach gute Energie und Power.
Skysport.de: Können Sie sich dann ein Leben ohne Fußball im Stadion überhaupt vorstellen?
Gikiewicz: Wenn ich als Trainer auf der Bank bin, kann ich zumindest 20 Gelbe Karten pro Saison haben. Es ist schwierig zu sagen. Ich will wirklich noch ein paar Jahre spielen, vier sicher. Mein Vertrag läuft nicht so lange, aber ich glaube, wir schaffen das. Es ist auch ein Vertrag mit Option möglich: Du kannst reinschreiben, dass du nach der aktiven Karriere als Torwart-Trainer bei der U18, U19 oder U20 arbeiten willst. Aber keine Ahnung, ich bin wirklich fit mit 34. Ich hatte aber wirklich noch keinen präzisen Plan, weil ich bin zwar jetzt gerade verletzt, aber trotzdem fit bin. Ich will einfach noch die Spiele genießen.
Skysport.de: Sind Sie in vier Jahren noch hier?
Gikiewicz: Ich muss nach oben gehen, ein bisschen klingeln in den nächsten paar Wochen (Bei Stefan Reuter) und dann schauen wir. Ich hoffe ja. Ich habe einen Vertrag mit Option. Aber ich muss auch ehrlich sagen, und ich bin immer ehrlich, ich will nicht bis April oder Mai warten, ob ich es schaffe oder nicht. Ich habe Familie, sie muss auch einfach wissen, ob wir ab dem 1. Juni 2023 hier sind oder nicht. Ich bin sicher - Stefan kennt mich, die Leute aus dem Verein auch - dass wir eine gute Lösung finden und dann sind beide Seiten zufrieden. Ich hoffe das einfach.
Skysport.de: Wie war die Situation, als es hieß, Finn Dahmen soll kommen?
Gikiewicz: Nicht einfach. Ich hatte schon vier oder fünf Tage ein schlechtes Gefühl und ich habe in dieser Zeit viel mit unserer Mentaltrainerin gesprochen. Sie hat mir einfach gesagt, dass ich einfach eine gute Leistung in Leverkusen zeigen soll. Und ich glaube, die war gut genug. Ich habe auch gesagt, dass ich jedes Spiel spielen will, als wäre es das letzte. Weil in dem Moment nach dem Spiel wusste ich nicht, ob der Dahmen kommt oder nicht. Fußball ist doch ein bisschen Politik. Wenn er kommt, würde er vielleicht sofort spielen. Aber ich hatte ein gutes Gefühl nach Leverkusen, ich habe die drei Punkte für uns festgehalten. Ich war zu Hause danach und habe zu meiner Frau gesagt, okay, schauen wir was passiert. Und sie hat gesagt, okay, zeig einfach jede Woche die gleiche Leistung. Egal wer dann kommt, er hat Pech und muss auf der Bank sitzen. Ich glaube, das ist meine Antwort. Ich muss nicht mehr reden wegen Finn Dahmen. Er hat auch genug Probleme, weil er aktuell nicht spielt. Wenn er im Sommer oder Winter kommt, dann wünsche ich ihm alles Gute und viel Glück. Aber wirklich, bis zum letzten Tag, an dem ich noch hier bin, muss er auf der Bank sitzen. Und ich glaube, es ist keine gute Idee hierher zu kommen. Aber er kann machen, was er will.
Skysport.de: Also wir halten fest, sie haben auf jeden Fall keine Angst, von dem, der vielleicht kommt…
Gikiewicz: Wenn du Angst im Fußball hast, bist du in der Verliererposition. Ich habe nur Angst vor einer Verletzung oder einer Krankheit, aber nicht wegen einem Duell. Fußball ist ein Duellsport. Ich versuche jeden Tag besser zu sein als der Gikiewicz von gestern, nicht als Dahmen oder Koubek oder Daniel Klein. Das ist auch die richtige Einstellung für junge Spieler, nicht schauen was der Gegner macht, sondern schauen, was machst du und was kannst du noch mehr machen? Seit ein paar Jahren versuche ich das so zu machen und ich bin einfach immer in der Siegerposition.
Skysport.de: Um auf die Elfmeter zurückzukommen: Machen Sie da irgendetwas spezielles?
Gikiewicz: Vielleicht kann ich 120 Minuten auf der Bank sitzen und dann rauskommen und die Bälle halten. Mit Schmerztabletten geht immer alles. Wir haben immer eine Analyse mit dem Torwarttrainer, ich habe immer Videos bekommen, was die Stürmer machen. Auch für Köln habe ich wieder Videos bekommen. Kurz vor dem Spiel sage ich meine Meinung, er sagt seine Meinung. Und trotzdem, du bist auf dem Platz, das ist also meine Entscheidung. Aber er ist älter, er hat mehr Erfahrung, er ist clever.
Manchmal haben wir die gleiche Meinung, manchmal haben wir eine andere. Aber in dieser Saison funktioniert es. Wenn du einen oder zwei oder drei hältst, dann haben die Schützen auch ein bisschen Angst. In Bremen zum Beispiel wollte ich den Schützen etwas provozieren, etwas Zeit gewinnen. Ich wollte da nicht einfach vier oder fünf Minuten stehen, sie haben erst einmal den Videobeweis angeschaut und dann gab es noch gelbe Karten. Dann wollte ich den Platz ein bisschen kaputt machen, war ein bisschen Show dabei, aber am Ende des Tages hat es einfach funktioniert. Der Schütze hat immer mehr Stress und immer mehr zu verlieren. Ich habe gar nichts zu verlieren.
Gehst du nach links oder rechts oder bleibst du in der Mitte stehen. Hast du ihn in der Hand oder klatschst ihn nach außen, bejubeln alle deine Parade. Wenn es ein Tor ist, sagt niemand was. Gegen Mainz zu Hause hatte ich auch einfach das Gefühl, er schießt auf meine linke Seite. Dann habe ich gelesen, sie haben fast acht oder neun Jahre alle Bälle vom Elfmeterpunkt reingemacht. Aber ich habe die nächste Serie gestoppt. Tut mir leid, Ducksch. Ich wusste, er hat noch kein Tor in dieser Bundesligasaison. Der Druck ist da. Füllkrug gibt ihm den Ball. Ich hatte ein bisschen Angst vor Füllkrug, weil er macht es wie Lewandowski, mit abstoppen. Dann ist es wirklich schwierig einen guten Abdruck zu machen. Dann habe ich gesehen, Ducksch oder Weiser wollen schießen, und da wusste ich, oh, ich habe eine Chance. Und ich habe ihn einfach gehalten.
Skysport.de: Manche sagen natürlich, den Elfmeterpunkt kaputt zu machen ist ein bisschen unfair. Wie sehen Sie das?
Gikiewicz: Ja schon. Aber wenn du zum Kopfballduell hoch springst und ein bisschen das Knie in den Arsch vom Gegner drückst oder ein bisschen den Ellenbogen einsetzt… Das ist Fußball. Das ist kein Ballett. Fußball ist Emotion, Aggressivität, Zweikampf. Wir sind der FC Augsburg, wir wollen schön spielen, aber in erster Linie müssen wir laufen und kämpfen und dem Gegner das Leben schwer machen. Mit dem Elfmeterpunkt hatte ich im Kopf, was Marwin Hitz gegen Modeste gemacht hat. Ich will alles probieren. Ich will nur gewinnen.
Am Ende des Tages habe ich den Elfmeter gehalten und wir haben nicht nur einen Punkt, wir haben drei Punkte. Das ist einfach mein Beruf. Ich finde, ein guter Torhüter kann der Mannschaft neun oder zehn Punkte pro Saison geben. Nach jeder Parade, nach jedem Elfmeter habe ich wirklich ein Gefühl wie ein kleines Kind mit einem Lollipop. Ich habe nicht gewusst, dass ich mit 34 noch so viel Spaß haben kann. Ich will das noch machen. Manchmal tut etwas weh wie mein Bein. Aber ich habe ein klares Ziel im Kopf und ich will Richtung dieses Ziels marschieren.
Skysport.de: Drei Siege, ein Unentschieden zuletzt. Warum läuft es so gut? Wegen ihres Selbstvertrauens oder wegen des Trainers?
Gikiewicz: Ich finde beides. Am Ende des Tages bin ich mit einem Punkt gegen Wolfsburg nicht ganz zufrieden. Aber die kleine Serie geht weiter. Das ist das einzig Positive. Aber wir hatten gute Chancen in den ersten 20 Minuten, um ein Tor zu schießen. Dann glaube ich, macht Wolfsburg kein Tor mehr. Aber ein Punkt ist auch okay. Ich habe noch nie eine solche Serie hier in Augsburg erlebt. Das gibt wirklich mir wirklich ein gutes Gefühl. Freddi Jensen hat zum Beispiel eine gute Leistung gezeigt. Er hat keine Minute bekommen in den letzten drei bis vier Spielen. Spielerisch ist er Top drei im Verein.
Und auch Koubek kommt rein und macht zwei gute Paraden. Das ist es, was ein Team ausmacht. Das sind nicht nur elf, das sind 23,24. Das sind alle, die in der Kabine sitzen. Klassenerhalt oder Sieg, dafür sind auch die Putzfrau, der Busfahrer und das Medienteam verantwortlich. Wir spielen nicht alleine. Für uns arbeiten 150 Leute. Wir haben wirklich alles. Wir haben ein Privileg, dass wir Profifußballer sind. Dass wir nur Bälle halten und schießen müssen und jeden Tag trainieren. Das ist wirklich der beste Beruf. Jeder muss dieses Gefühl haben. Wir können nur gemeinsam in eine Richtung marschieren. Dann hat Augsburg Erfolg.
Skysport.de: Waren Sie mit acht, neun oder zehn Jahren auch schon so selbstbewusst?
Gikiewicz: Ja schon. Ich habe immer zu meinen Beratern und zu meiner Frau gesagt, dass wenn mir jemand die Chance bei einem Probetraining gibt, ich meine Qualität und meine Klasse zeige. Es ist nicht einfach aus Polen nach Deutschland zu kommen, wirklich. Aktuell sind fünf oder sechs Spieler aus Polen in der Bundesliga, nicht alle spielen. Robert Gumny und ich haben einfach Glück, wir sind jede Woche auf dem Platz, der Rest spielt nicht oft. Wir haben keine guten Akademien, keine guten Trainingsplätze in Polen. Du bist im Alter von zwölf oder 13 Jahren im Vergleich zu deutschen Spielern immer ein bisschen schlechter.
Meine Stärke ist einfach der Kopf, denn ich finde ich habe kein großes Talent. Das muss ich wirklich sagen. Nein, finde ich nicht. Alles ist im Kopf, man muss hart arbeiten. Ich bin seit zweieinhalb Jahren hier in Augsburg. Mit 35 habe ich es wirklich geschafft nach zweieinhalb Jahren Augsburg. Und das gibt mir auch einfach das geile Gefühl. Ich hoffe, das bleibt so. Das Selbstvertrauen bleibt bei mir, weil ich finde im Kopf entsteht 80 Prozent des Erfolges im Fußball. Wenn du in Augsburg bist, spielst du jedes Jahr gegen den Abstieg. Das ist auch nicht einfach und auch nicht viel Spaß, auch nicht für meine Familie.
Aber auf der anderen Seite gibt es auch viele positive Sachen. Als ich jetzt diese zehn Tage raus war, war ich zum ersten Mal in diesen neun Jahren mit meinen Kindern im Stadion. Sie waren noch nie mit Papa im Stadion. Und die Kleine hat wirklich Spaß mit mir. Ich hatte weniger Spaß, da oben zu sitzen. Aber die beiden haben wirklich Spaß mit mir, ein Bundesligaspiel zu sehen. Weil seit neun Jahren sehen sie mich auf dem Platz oder auf der Bank, wie in der Freiburger Zeit. Ich will die negative Zeit, wie die Verletzungszeit nehmen und genießen. Ich bin jetzt ein bisschen mehr zu Hause. Auf der anderen Seite bin ich bereit, sofort auf dem Platz zu stehen und wieder eine überragende Parade zu machen.
Skysport.de: D.h., Sie sind besser als zu Beginn dieser Saison oder in der letzten Saison, weil das alles Kopfsache ist?
Gikiewicz: Ich kann sagen, ich bin fast so gut wie im ersten Jahr in Augsburg. Im zweiten Jahr war ich nicht so gut, aber da waren viele Details dabei. Es wissen wenige Leute, aber meine Mama ist noch krank. Sie hat nicht einfach Fieber, sie hat eine schwere Krankheit. Diese Belastung ist noch in meinem Kopf. Ich bin kein Roboter, ich bin keine Maschine. Ich habe den Spitznamen Beton, aber ich bin ein ganz normaler Mensch. Aber die Belastung von der familiären Seite ist die wirklich große Belastung, denn du hast nur eine Mama und einen Papa. Ich hatte davor nie so eine Situation. Du bist auf dem Platz und bekommst so eine Belastung.
Und das wissen nur ein paar Leute im Verein, Trainer, Sportdirektor. D.h. du kannst nicht alles zeigen auf dem Platz. Seit ein paar Wochen läuft es besser oder stabiler. Ich bin nicht jeden Tag im Krankenhaus. Ich war davor immer im Krankenhaus. Training - Schnelltest Krankenhaus - Schlafen - Krankenhaus. Jetzt hatte ich eine normalen Rhythmus. Und dann kann mein Körper auch mehr regenerieren. Mein Kopf ist frisch. Und wie ich eben gesagt habe, der Kopf macht 80 Prozent aus. Wenn du bereit bist, wenn du nur den Fokus auf den Ball oder den Gegner hast, kannst du einfach eine gute Leistung zeigen. Der Trainer hat mich gefragt, ob ich ein oder zwei Wochen Pause machen wollte in der letzten Saison. Aber ich wollte nicht, ich will jedes Spiel genießen und den Jungs helfen.
Diese Situation gibt mir jetzt doppelte Power, weil ich einfach so eine Situation erlebt habe. Wenn du die Information in die Birne bekommst: Das ist nur Fußball, wirklich, andere Leute haben mehr Probleme, als ich aktuell, dann kannst du ein bisschen mehr auf dem Boden stehen und hebst nicht nach ein zwei Spielen ab und verlierst den Bodenkontakt. Wir sind Menschen, wir haben normale Probleme wie du oder andere Zuschauer. Aber sie sehen uns auf dem Platz oder bei Sky und dann wollen sie immer wieder gute Leistungen oder überragende Paraden sehen. Aber manchmal kannst du aus einem anderen Grund nicht 100 Prozent zeigen. Das ist kein Alibi. Es ist immer meine Entscheidung, ob ich spielen kann oder nicht mit so einer Belastung oder mit einer kleinen Verletzung. Aber die Leute wissen, wenn du fünf von sieben Tagen ins Krankenhaus musst, dass das schon eine große Belastung ist.