Benedikt Höwedes war Kapitän und Identifikationsfigur bei Schalke 04. Bei den Königsblauen spielte er mit Ralf Fährmann und den heutigen Bayern-Profis Manuel Neuer und Leroy Sane zusammen. Vor dem Duell FCB - S04 spricht der neue Sky Experte über Schalkes Aussichten, seine Ex-Kollegen, Hansi Flick und David Alaba.
Sky Sport: Herr Höwedes, Ihr Ex-Klub Schalke 04 muss zum Bundesligastart beim FC Bayern antreten. Sie waren beim letzten Schalker Sieg vor zehn Jahren dabei. Welche Erinnerungen haben Sie an Spiele in oder gegen München?
Benedikt Höwedes: Bayern war für mich ein Gegner, gegen den ich ganz gerne getroffen habe (lacht). Ich erinnere mich an einen Kopfballtreffer bei einem 1:1 in München und bei einem Heimspiel, da habe ich auch den Ausgleichstreffer erzielt.
Sky Sport: Welcher Schalker könnte aus Ihrer Sicht am Freitag eine schöne Geschichte schreiben?
Höwedes: Ich hoffe, dass Ralf Fährmann wieder positive Geschichten schreibt. Nachdem er unter Domenico Tedesco quasi abserviert wurde, ist er jetzt wieder die Nummer 1. Mich persönlich würde es für ihn freuen, wenn er seinen Kasten möglichst sauber halten kann. Auf ihn wird es besonders ankommen. In München braucht es auch einen Sahne-Tag des Torhüters, um lange mitspielen zu können und im Gegenzug über Konter- oder Standardsituationen für Torgefahr sorgen zu können.
Sky Sport: Fährmann war in der vergangenen Saison an Norwich City ausgeliehen, hatte dort aber so gut wie keine Einsätze. Waren Sie überrascht, dass er jetzt Schalkes Nummer 1 ist?
Höwedes: Ich kenne nicht die Gründe, aber Ralle hat gerade auf Schalke immer unter Beweis gestellt, welche Qualitäten er hat. Er bringt zwar auch ein, zwei Schwächen mit, aber ich glaube, dass er zurecht die Nase vorn hat. Er hat Schalke-Blut in sich und lebt für den Verein. Deshalb freue ich mich für ihn und drücke ihm die Daumen, dass er es gut hinkriegt.
Sky Sport: Wo liegen seine Stärken und Schwächen?
Höwedes: Im Aufbauspiel kann er sich mit Sicherheit verbessern. Jeder Torhüter hat seine Stärken und Schwächen. Aber man sollte sich mehr auf seine Stärken konzentrieren, und die liegen bei Ralle im eins gegen eins, auf der Linie, beim Herauslaufen und hohen Bällen. Er hat eine gute Ausstrahlung, er ist sehr groß und muskulös. Mit seiner Erscheinung kann er auf die Gegner einwirken.
ZUM DURCHKLICKEN: So tippt Lothar Matthäus die Tabelle
Sky Sport: Bei Schalke haben Sie auch mit Manuel Neuer zusammengespielt. Ist der Neuer aus dem Champions-League-Finale noch zu toppen?
Höwedes: Er war maßgeblich an Bayerns Sieg beteiligt. Er ist einfach der Garant dafür, dass hinten die Null steht. Ich habe Manu schon immer als Ausnahmetorhüter gesehen. Ich erinnere mich an ein Spiel in der Champions League in Porto, da hat er einfach Unmenschliches gehalten. Es sieht zwar manchmal etwas unorthodox bei ihm aus, aber alles, was er macht, ist brutal gut. Für mich ist er der beste Torhüter der Welt.
Sky Sport: Ein anderer ehemaliger Schalker Teamkollege bei Bayern ist Leroy Sane. Was erwarten Sie von ihm?
Höwedes: Leroy ist in Schalkes Jugend großgeworden und hat bei Manchester City tolle Spiele abgeliefert. Sein erstes Pflichtspiel für die Bayern gleich gegen Schalke ist für ihn sicher auch ein besonderes. Er kommt aus einer Verletzung und braucht mit Sicherheit noch ein paar Spiele, um seinen Rhythmus zu finden. Ich weiß nicht, ob er in der Startelf stehen wird, vor allem weil Bayern in den vergangenen Wochen extrem stark aufgetreten ist und ein großes Spielerpotenzial hat.
Sky Sport: Könnte Sane bei Bayern den nächsten Schritt zum internationalen Star machen?
Höwedes: Er hat schon bei City eine gute Rolle gespielt, hat viele Tore erzielt und vorbereitet. Aber auch bei Bayern wird er auf starke Konkurrenz treffen und er wird nicht immer über 90 Minuten spielen. Seine Rolle wird eine ähnliche wie bei City sein, mit seinen Qualitäten wird er für Bayern wichtig sein. Auf Schalke hat er auch oft in entscheidenden Situationen Spiele entschieden und uns zu Erfolgen verholfen.
Sky Sport: Schalke hat die letzten 16 Pflichtspiele nicht gewonnen. Wie kann Trainer David Wagner die Mannschaft wieder in die Spur führen?
Höwedes: Man muss ganz klar sagen, dass die Schalker in der ersten Hälfte der vergangenen Saison über und in der Rückrunde unter ihren Verhältnissen gespielt haben. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Sie hatten viele Verletzte und mussten die Ausfälle kompensieren. Das hat weh getan. Jetzt ist Fährmann wieder da, Stambouli, (Salif) Sane und Uth sind zurück. Sie haben noch große Namen dabei, aber das muss alles wachsen und mit Leben gefüllt werden. Wenn sie das auf den Platz kriegen, traue ich ihnen eine ordentliche Saison zu. Auch wenn es vermutlich nicht für einen Platz in Europa reichen wird. Warten wir mal ab, wo die Reise hingeht.
Sky Sport: Schalke muss den Negativtrend stoppen, Bayern hat das Triple geholt. Was erwarten Sie vom Spiel?
Höwedes: Es wird spannend sein zu sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Bayern schwebt auf einer Erfolgswelle, aber muss das immer wieder aufs Neue bestätigen. Die Schalker haben in der Vorbereitung nach ihrer Linie gesucht. Ihre Ergebnisse gegen unterklassige Mannschaften tragen nicht gerade dazu bei, mit großem Selbstvertrauen in das Spiel zu gehen. Schalke ist ganz klarer Außenseiter, aber vielleicht überrascht David Wagner die Bayern ein bisschen, in dem seine Spieler den Gegner vorne attackieren und zustellen. Wenn sie schon eingeschüchtert auf den Platz gehen, werden sie sich hinten ein paar Kirschen einfangen.
Sky Sport: Könnte die relativ kurze Vorbereitung der Bayern ein Vorteil für Schalke sein?
Höwedes: Das kann ein kleiner Vorteil sein. Vielleicht sind die Bayern noch etwas müde oder haben an Hunger verloren. Es könnte aber auch genau das Gegenteil eintreten, dass sie weiter auf ihrer Erfolgswelle schwimmen. Ich denke, dass Hansi Flick die richtige Mischung findet, dass er seinen Spielern Ruhepausen gibt, sie trotzdem fordert und dass seine Mannschaft mit der richtigen Einstellung ins Spiel geht.
Sky Sport: Sie kennen Hansi Flick noch sehr gut aus der Nationalmannschaft, sind 2014 mit ihm als Co-Trainer Weltmeister geworden. Welche Aufgaben wird er in der neuen Saison meistern müssen?
Höwedes: Bei Bayern hast du permanenten Erfolgsdruck. Ich finde, dass er auf eine sehr sympathische und authentische Art und Weise damit umgeht. Er hat der Mannschaft seine Handschrift mit auf den Weg gegeben, das hat eindrucksvoll funktioniert. Vor allem hat er ein Händchen für Menschenführung. Er weiß, wie er mit den Spielern und ihren unterschiedlichen Charakteren umgehen muss. Wann er sie fordern und wann er sie vielleicht mal streicheln muss. Das macht ihn als Trainer besonders. Dementsprechend glaube ich, dass er die richtigen Worte finden wird und seine Mannschaft auch nach dem Triple-Erfolg hungrig bleiben wird. Er hat eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern. Natürlich will er jeden adäquat ersetzen können. Darum hat er zuletzt medial etwas Druck auf die Vereinsbosse gemacht.
Sky Sport: Die Vertragsverlängerung mit David Alaba zieht sich, zuletzt mit einigen Nebengeräuschen. Stört eine Mannschaft so etwas in der Vorbereitung?
Höwedes: Das sollte die Mannschaft nicht großartig interessieren. Für die Bayern wäre es wichtig gewesen, im besten Fall Alaba und Thiago halten zu können. Beide sind, bzw. waren Schlüsselspieler, die den Unterschied ausmachen. David Alaba hat sich im Lauf der Zeit zu einem der besten Innenverteidiger der Welt entwickelt. Er ist sehr dynamisch, stark im Aufbauspiel und hat eine große Spielintelligenz. Es wäre gut und wichtig, ihn zu behalten.
Sky Sport: Alaba scheint mit seinen Gehaltsforderungen in Sphären von Lewandowski, Müller oder Neuer vordringen zu wollen. Berechtigterweise?
Höwedes: Man muss schon sagen, dass er ein extrem wichtiger Spieler für Bayern ist. Ich kenne seine Forderungen nicht, aber ich finde, man muss es schon entsprechend entlohnen, wenn jemand auf allerhöchstem Niveau Fußball spielt. Für mich ist Alaba eine der wichtigsten Säulen. Man muss aus Sicht des Vereins auch gucken, was finanziell Sinn ergibt und wen man in der Hinterhand hat. Andere Spieler kommen schließlich auch nicht umsonst. Im Vergleich zu Lucas Hernandez, der mehr als 80 Millionen Euro gekostet hat, ist Alaba zum Beispiel der bessere und komplettere Spieler.
Sky Sport: Sie werden ab dem 2. Spieltag für Sky die Spiele der Bundesliga als Experte analysieren. Was werden Sie am meisten aus Ihrer aktiven Zeit vermissen und worauf freuen Sie sich besonders?
Höwedes: Ich spiele noch Fußball, aber auf einem anderen Niveau. Es macht mir sehr viel Spaß, beim TuS Haltern mit alten Freunden von früher zu kicken. Vermissen werde ich das Gefühl, ins Stadion zu laufen, die Anspannung zu haben und die Zuschauer zu hören. Das sind Gänsehautmomente, die kann man durch nichts ersetzen. Jetzt kann ich mir das Ganze aus einem entspannteren Blickwinkel sehen. Ich freue mich, meine Expertise geben zu können und mit den neuen Kollegen zu fachsimpeln. Das wird mit Sicherheit auch sehr spannend.
Das Interview führte Thorsten Mesch