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Bundesliga: Torsten Mattuschka im Interview zu Union Berlin

Mattuschka über Union & Becker: "Mit breiter Brust gehen Dinge, die nicht gehen"

Ex-Union-Profi Torsten Mattuschka spricht über den sensationellen Bundesliga-Start der Berliner.
Image: Ex-Union-Profi Torsten Mattuschka spricht über den sensationellen Bundesliga-Start der Berliner.  © Imago

Der ehemalige Union-Profi Torsten Mattuschka spricht im Sky Interview über den Erfolg der Berliner, den Einfluss von Trainer Urs Fischer und mögliche Ziele der Eisernen.

Skysport.de: 17 Punkte nach sieben Spielen, Tabellenführer vor den Bayern oder Dortmund, Torverhältnis von plus elf. Was passiert gerade bei Union Berlin?

Torsten Mattuschka: Niemals, wirklich niemals hätte ich mit so etwas gerechnet. Ich werde vor der Saison ja auch des Öfteren gefragt, was ich erwarte. Da bin ich immer vorsichtig, weil ich möchte, dass gerade die neuen Fans den aktuellen Erfolg auch einordnen können. Jedes Jahr Bundesliga zu spielen ist ja schon unfassbar für Union Berlin. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

Skysport.de: Vor zwei Jahren ist man bereits auf einem internationalen Platz gelandet, letzte Saison in der Europa League, jetzt steht man an der Spitze.

Mattuschka: Es kann nicht immer so laufen. Dass das jetzt so ist, ist total irre. Nach sieben Spielen 17 Punkte zu haben ist unglaublich. Aber es werden auch Niederlagen kommen.

Skysport.de: Woher kommt der Erfolg der vergangenen Jahre?

Mattuschka: Das zeigt, dass du als Mannschaft und Verein gewachsen bist. Es zeigt auch, dass Kontinuität im Trainerteam extrem wichtig ist. Im Team haben sich Automatismen entwickelt und auch das System hat sich etabliert. Sie stehen kompakt und sind stark im Pressing. Das macht es sehr, sehr schwierig gegen Union zu gewinnen. Und trotzdem ist es eigentlich nicht zu glauben, dass man nun bereits zwei Spieltage in Folge Tabellenerster ist.

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Skysport.de: Die Kontinuität im Trainerteam bleibt bestehen. Urs Fischer hat seinen Vertrag am Mittwoch verlängert. Wie groß ist sein Anteil an dem, was gerade in Berlin vor sich geht?

Mattuschka: Der Trainer ist unglaublich wichtig. Union hat im letzten Jahr mit Friedrich, Kruse oder Andrich viele wichtige Spieler verloren, in diesem Jahr dann Leistungsträger wie Awoniyi und Prömel. Aber das fängt Union immer sensationell auf. Das ist auch Fischer geschuldet. Der Verein sucht nach charakterstarken Spielern, die das vom Trainer Geforderte annehmen.

Sheraldo liefert momentan ab. Er weiß aber auch, dass diese Spieler hinten dran sind, wenn das nicht mehr so ist. Es ist wichtig, dass andere mit den Hufen scharren.
Torsten Mattuschka über den Union-Konkurrenzkampf

Skysport.de: Zu den Leistungsträgern gehören oft Profis, die vor der Station Union Berlin keine große Rolle in der Bundesliga gespielt haben.

Mattuschka: Es sind oft auch ablösefreie Spieler, für die Union ein Näschen entwickelt hat. Von ihnen hat jeder Bock darauf, für Union Berlin Bundesliga spielen zu dürfen. Einfach weil es auch ein besonderer Verein ist, mit einem besonderen Flair und einzigartigen Fans. Hier können teils aussortiere Spieler einfach zeigen, dass sie das nötige Niveau haben und bekommen ihre Chance.

Skysport.de: In diesem Jahr prägen aber nicht nur Neuzugänge das Spiel. Sheraldo Becker war in der vergangenen Saison nur Ergänzungsspieler. Mit sechs Toren und vier Vorlagen ist er plötzlich Top-Scorer der Bundesliga. Woher kommt diese Explosion? Immerhin ist Becker mit 27 Jahren im Liga-Kosmos nicht mehr der Jüngste.

Mattuschka: Du wirst plötzlich wichtig und bekommst auch vermittelt, dass du jetzt totales Vertrauen und die nötige Spielzeit kriegst. Es ist egal, wie alt du bist. Du brauchst einfach Spielminuten, um Leistung bringen zu können. Wenn es allgemein gut läuft und auch bei dir selber, entwickelst du Selbstbewusstsein. Mit breiter Brust gehen Dinge, die eigentlich nicht gehen. Das gilt für den ganzen Verein und seine Spieler. Du kannst bei einem 30-Mann-Kader aber nicht jedem Einzelnen dieses Gefühl geben. Sheraldo hat es letztes Jahr in der Rückrunde schon gut gemacht und angedeutet, dass er was drauf hat. Manchmal spielen auch Kleinigkeiten eine Rolle.

Skysport.de: Neben Becker zeigen auch Neuzugang Jordan oder Sven Michel gute Leistungen. Dazu wollen auch Jamie Leweling oder Kevin Behrens Spielzeit. Für alle ist kein Platz. Könnte das noch zum Problem werden?

Mattuschka: Sheraldo liefert momentan ab. Er weiß aber auch, dass diese Spieler hinten dran sind, wenn das nicht mehr so ist. Es ist wichtig, dass andere mit den Hufen scharren. Du willst als Trainer die Qualität dauerhaft hochhalten und den Spielern vermitteln, dass ihre Zeit vielleicht noch kommen wird. Dass sie gegen andere Mannschaften wegen ihres Spielertyps die Chance kriegen. Das moderiert Urs Fischer momentan überragend.

Jeder träumt davon, in der Champions League zu spielen und dass Liverpool, Barcelona oder Real Madrid an die Alte Försterei kommen. Das wäre für alle Beteiligten einfach geil. Aber ich weiß nicht, ob man das jedes Jahr von Union Berlin erwarten darf.
Torsten Mattuschka

Skysport.de: "Auf unserem gemeinsamen Weg können wir noch viel erreichen", sagte Fischer bei seiner Vertragsunterschrift. Was trauen Sie den Unionern in dieser Saison und in den kommenden Jahren noch zu?

Mattuschka: Jedes Jahr Bundesliga ist sensationell in Köpenick. Natürlich will man immer den maximalen Erfolg. Das will der Verein, das will Urs Fischer, das will die Mannschaft. Jeder träumt davon, in der Champions League zu spielen und dass Liverpool, Barcelona oder Real Madrid an die Alte Försterei kommen. Das wäre für alle Beteiligten einfach geil. Aber ich weiß nicht, ob man das jedes Jahr von Union Berlin erwarten darf. Derzeit erspielt man sich Respekt, auch international einen größeren Namen und eine bessere Reputation. Bei einem Tabellenplatz 14 am Ende der Saison darf aber keiner sauer sein.

Skysport.de: Aktuell stehen bei Union aber noch alle Zeichen auf Erfolg.

Mattuschka: Und genau das wird enorm wichtig sein, um drei, vier Leistungsträger halten zu können. Um die Jungs musst du dann eine Achse bilden, die sich richtig etablieren kann. Dafür muss natürlich das nötige Geld eingespielt werden. Spieler die jetzt bei Union glänzen, können anderweitig deutlich mehr verdienen. Soweit ist Union noch nicht.

Skysport.de: Wann ist Union denn soweit?

Mattuschka: Jedes Jahr in der Bundesliga, jedes Jahr im internationalen Geschäft, das alles führt dazu, dass du die richtigen Spieler halten und holen kannst. Du hast als Profisportler nur ein paar Jahre, um richtig Geld zu verdienen. Es wird immer so sein, dass ein Grischa Prömel dahin geht, wo er das Doppelte verdient. Und auf lange Sicht vielleicht regelmäßiger die Chance hat international zu spielen. Bei einem Verein, der mehr zahlt und besser bestückt ist, aber das ist das Geile am Fußball: Darauf kommt es am Ende nicht immer an. Ich hoffe für Union, dass sie jetzt mit jedem Jahr einen Schritt nach vorne gehen. Die Entscheidungsträger wissen aber auch, dass es nach einem Jahr hinter den besten Sieben trotzdem weiter geht und man vieles richtig gemacht hat.

Skysport.de: Konzentrieren wir uns, wie es im Fußball so schön heißt, erstmal auf das nächste Spiel. Was erwarten Sie von dem Duell gegen Eintracht Frankfurt am Samstag (ab 15:30 Uhr live bei Sky)?

Mattuschka: Das wird ein enorm schwieriges und intensives Fußballspiel. Da kommt richtig harte Arbeit auf Union, aber auch auf Frankfurt zu. Wenn Union da einen Punkt mitnimmt, ist das schon eine sehr gute Leistung. Wir sprechen über den aktuellen Europa-League-Sieger als Gegner. Frankfurt kann viel Spaß machen, zumal sie sich immer mehr in der Liga finden. Hier treffen zwei coole Klubs mit zwei coolen Fanlagern aufeinander, das wird Stimmung pur. Eine Union-Niederlage wäre da auch kein Drama. Irgendwann wird Union auch wieder verlieren. Aber ich hoffe auf ein Unentschieden.

Skysport.de: Mit einem Punkt würde Union wohl auch Tabellenführer bleiben...

Mattuschka (lacht): Woche drei! Natürlich gucken da weiterhin viele drauf, aber das muss man dann auch einordnen können.

Das Interview führte Lars Pricken.

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