Kommentar: Bei Roses Rauswurf bleibt ein dickes ABER
20.05.2022 | 18:05 Uhr
Der nächste Trainer-Knall in der Liga - und ein richtig lauter: Der BVB trennt sich nach nur einer Saison von Marco Rose. Ein Kommentar von Sky Reporter Jesco von Eichmann.
Als Matthias Sammer sich am Donnerstagvormittag mit BVB-Boss Jans-Joachim Watzke und den (noch) sportlich Verantwortlichen Michael Zorc und Sebastian Kehl auf dem Trainingsgelände in Dortmund-Brackel traf, zog sich rund um Dortmund ein Gewitter zusammen. Es entlud sich am Abend vom Himmel - und in der Schaltzentrale des Vize-Meisters. Mit dem Ergebnis: Der Trainer wird entlassen.
Bumm! Das hat gesessen!
Einen Grund dafür hatte Rose auf einer seiner mit schlechter Laune vorgetragenen Pressekonferenzen selbst geliefert. Er habe es nicht geschafft, den Verein "anzuzünden!" Heißt: Er konnte die emotionale Wucht des Traditionsklubs nie in Energie für die Mannschaft ummünzen.
Die BVB-Mannschaft hatte Highlights - aber eben noch mehr indiskutable Darbietungen. Besonders dort, wo es den Ruhm zu ernten und das Geld zu verdienen gibt: in den Pokalen und den Topspielen. Besonders die Niederlagen in der Liga zuhause gegen Leverkusen (2:5) und Leipzig (1:4) lösten bei Fans und Verantwortlichen einen Grollen aus, der sich nicht mehr legen sollte.
Auch bei seinen öffentlichen Auftritten patzte Rose zunehmend. Ob er nun über verweigerte medizinische Behandlungen von Erling Haaland missverständlich philosophierte oder zunehmend gereizt gegenüber der Öffentlichkeit in Pressekonferenzen vor sich hingrummelte. Roses Ruf vom eloquenten "Anzünder" war dahin.
Eine sportliche Entwicklung war zudem nie zu erkennen. Im Gegenteil: Besonders die Defensive, schon ein Schwachpunkt in Gladbach zu Roses Zeit, fiel teilweise völlig auseinander. Die Aggressivität der Mannschaft blitze nur selten auf, häufig war sie so scharf beim Pressing wie eine Horde Kinder im Streichelzoo.
Trotzdem bleibt bei diesem Rauswurf ein dickes ABER.
Bei vielen Geschichten dieser Saison war Rose machtlos. Bei den ständigen Verletzungen zum Beispiel. Eigentlich war immer ein bedeutender Mannschaftsteil langfristig abwesend. Sei es die Abwehr um Mats Hummels oder der Sturm um Erling Haaland. Für Rose war das Coachen unter extrem erschwerten Bedingungen.
Außerdem litt seine Amtszeit zudem extrem unter den durch corona-bedingten Einsparungen, besonders was den Kader angeht. Die Dortmunder Elf wurde zu seinem Antritt nicht ausreichend renoviert, um ein Großprojekt wie die Meisterschaft zu tragen. Er musste im Prinzip mit dem gleichen Stamm arbeiten, der im Vorjahr nur mit Müh und Not die Champions League erreicht hatte.
Dazu kommt ein Dauerbrenner beim BVB: der Klopp-Vergleich. Seit Jürgen Klopps tränenreichen Abschied hat der BVB keinen Ersatz gefunden und sich vielleicht bisher zu sehr damit aufgehalten, genau diesen zu suchen. Rose passte ein bisschen ins Profil - auch deshalb fiel die Entscheidung auf ihn.
Den Vergleich muss wohl jeder Trainer beim BVB aushalten - eine Ungerechtigkeit, über die Verantwortliche UND Fans dringend nachdenken sollten.
Die aktuelle Umstrukturierung wird jetzt von einem anderen geleitet: Edin Terzic. Der BVB erfüllt den Fans also den Wunsch, das Rosesche Damoklesschwert fallen zu lassen, das als technischer Direktor eine Saison lang über seinem Nachfolger und jetzt Vorgänger hing.
Damit dürften sich die dunklen Gewitterwolken über Dortmund-Brackel wieder verziehen. Erstmal.
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