BVB-Trainer Niko Kovac und seine gefährliche Treue zu Serhou Guirassy
Wie eine Lebensversicherung zum Problem werden kann.
02.12.2025 | 13:09 Uhr
"Ich bin inzwischen ein bisschen älter und kann das ein oder andere ein bisschen besser einordnen."
Niko Kovac lächelte, als er diesen Satz sowohl nach dem Spiel bei Bayer 04 Leverkusen als auch auf der Pressekonferenz vor dem nächsten Spiel im DFB-Pokal am Dienstagabend (21 Uhr LIVE bei Sky) gegen denselben Gegner als Erklärung abgab. Eine Erklärung, warum er die Missachtung von Serhou Guirassy bei seiner Auswechslung so gelassen hinnahm.
Der jüngere Kovac wäre vermutlich zornig an den Mikrofonen gewesen, hätte seinen Spieler in den Senkel gestellt und der nächste Startelfeinsatz wäre so weit weg gewesen, wie der BVB von der Meisterschaft.
Aber Kovac lächelt die Guirassy-Krise weg - obwohl er allen Grund zur Besorgnis hat.
Guirassy, die BVB-Lebensversicherung?
Denn die Zahlen, die der Stürmer auflegt, sprechen nicht dafür, dass der Nationalspieler Guineas weiterhin Kovacs "Lebensversicherung" ist, wie der Trainer gerne beteuert.
Fünf Tore in der Bundesliga in elf Einsätzen klingt passabel. Vier Treffer davon erzielte Guirassy aber vor dem 16. September, ein Datum, was gleich noch wichtig werden wird.
In der Champions League traf der Stürmer drei Mal in fünf Einsätzen und lieferte drei Vorlagen.
Moment im Juve-Spiel als Knackpunkt
Aber genau in einem Spiel dieser Königsklasse gab es einen Bruch in der Saison von Guirassy: am 16. September und dem Auftritt bei Juventus in Turin. In der 86. Minute bekam der BVB einen Elfmeter zugesprochen und der Angreifer nahm sich wie selbstverständlich den Ball, obwohl Kovac Ramy Bensebaini als Schützen festgelegt hatte. Bensebaini und Guirassy stritten sich dann auf dem Platz, als ginge es im Sandkasten ums Förmchen. Weitere Spieler griffen ein und Guirassy überließ schlussendlich Bensebaini schmollend den Ball.
Diese Szene scheint (vor allem psychologisch) ein Knackpunkt gewesen zu sein. In der Bundesliga folgte danach nur noch ein Treffer. In der Champions League zumindest noch drei - wirklich überzeugen konnte der Top-Stürmer aber seitdem kaum noch.
Nach den ersten kritischen Stimmen verwies Kovac stets auf den Dienst für die Mannschaft, den Guirassy leiste. Und auch (zu Recht) auf einige körperliche Probleme.
Erholt hat sich bei Guirassy aber anscheinend nur der Körper und nicht die Leistungskurve. Besonders auffällig ist seit dem Elfer-Streit von Turin auch Guirassys Körpersprache. War er früher in ständigem Dialog mit Gegnern, Mitspielern und Schiedsrichtern, ist von diesem Feuer nicht mehr viel geblieben. Häufiger gibt es ein Abwinken oder ein lustloses Trotten zur Jubeltraube, wenn ein Kollege ein Tor erzielt hat.
Schon als Kovac Guirassy gegen Ex-Klub VfB Stuttgart vom Feld nahm, war die Reaktion des Spielers eindeutig. Ungläubig und unzufrieden stand er da und zeigte das sehr offen, riss sich aber beim Gang an die Linie noch am Riemen. Anders als dann am nächsten Spieltag in Leverkusen, wo er für alle sichtbar die Einstellung eines Teamplayers vermissen ließ.
Kovac braucht Guirassy
Alle Argumente würden für einen Bankplatz für Guirassy sprechen und das nicht erst seit Samstag in Leverkusen. Aber Kovac stellt ihn weiter von Anfang auf, weil er weiß: 'So viel Auswahl habe ich auf der Position nicht.' Er braucht Guirassy und hofft, dass dieser wieder zu der Form findet, die er in Stuttgart und seinem ersten Jahr beim BVB gezeigt hat.
Kovac weiß auch, und da kommt der gereifte Fußballlehrer ins Spiel, dass er diesen Guirassy sensibler behandeln muss als vielleicht den ein oder anderen Spieler.
So versuchen sie beim BVB, ihren Ausnahmekönner, bei dem im Sommer eine 50-Millionen-Klausel für Top-Klubs greift, wieder in die Spur zu bringen - denn: Dass dort ein Weltklassestürmer drinsteckt, ist klar und hat er schon bewiesen.
Es kriselt zwischen Adeyemi & Guirassy
Ab einem gewissen Punkt muss der Trainer aber aufpassen, dass seine Nibelungentreue zu seinem Torjäger aD aber nicht zum Tuschelthema in der Kabine wird. Nach Sky Sport Informationen kriselt es auch schon zwischen Karim Adeyemi und Guirassy - das Verhältnis gilt seit einigen Wochen als angespannt. Auch ein Grund, warum Guirassy sich beim Jubeln über Tore des Kollegen merklich zurückhielt.
Bei den Fans wird der Ruf nach einer Chance für Fabio Silva immer lauter. Der Portugiese erfüllte bisher nicht Kovacs strenge Defensiv-Auflagen, zeigte aber bei seinen Einwechslungen stets, dass er eine Chance von Anfang verdient. So wirkt das Leistungsprinzip bei Guirassy ausgehebelt und wenn das passiert, hat das noch keiner Mannschaft gutgetan.
Jetzt liegt es auch an Guirassy. Kriegt er noch mal die Kurve hin zu einem positiven Faktor beim BVB, kann sich Kovac bestätigt fühlen und wird der BVB profitieren. Geht das nicht auf, muss sich Niko Kovac weiter kritische Fragen zu seiner "Lebensversicherung" gefallen lassen müssen.
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