Darum ist der HSV zu 94 Prozent abgestiegen
Der Abstand zum rettenden Ufer wird immer größer
26.02.2018 | 17:30 Uhr
In Hamburg sagt man langsam Tschüss! Dem Bundesliga-Dino bleiben nach der 0:1-Niederlage im Nordderby nur noch zehn Spieltage den Abstieg zu verhindern. Der Abstand zum rettenden Ufer beträgt jedoch bereits acht Punkte, zum so vertrauten Relegationsplatz sind es sieben Zähler. Noch nie stand der HSV zu diesem Zeitpunkt schlechter da. Überblick einer (fast) aussichtslosen Situation.
"Wir sind uns sicher und selbstkritisch genug, dass unser Tabellenplatz das Resultat vieler Entscheidungen ist", sagte Hamburgs Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen nach der 0:1-Niederlage in Bremen am roten Telefon bei "Wontorra - der Kia Fußball-Talk".
Was er meinte: Das Resultat vieler falscher Entscheidungen. Denn sein Klub, der unabsteigbare, steuert mit voller Kraft voraus auf den ersten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte. 17 Punkte aus 24 Spielen - weniger holten die Norddeutschen in ihrer langen Bundesliga-Historie noch nie. Auch die gerade einmal vier Siege und erschreckenden 15 Niederlagen sind Rekorde.
Der Abstieg steht zu 94 Prozent fest
Rekorde, auf die man in Hamburg gern verzichtet hätte. Historisch gesehen steht der Abstieg der Rothosen zu 94 Prozent fest. Schließlich hielten in der Bundesliga-Geschichte von 32 Teams, die nach 24 Spielen maximal 17 Punkte hatten, nur zwei die Klasse. Hoffenheim 2013, und Hannover. 96 gelang der Klassenerhalt sogar auf direktem Weg, Hoffenheim durfte nach der Relegation gegen Kaiserslautern aufatmen.
Problem: Der Rückstand der beschriebenen Teams war zum gleichen Zeitpunkt geringer. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel schaffte es lediglich Augsburg, zu einem solch späten Saisonzeitpunkt einen Rückstand von mindestens sieben Zählern noch aufzuholen.
Augsburg muss das Vorbild sein
Ist das Vorbild FCA also der letzte Funken Hoffnung, an den sich die Hamburger noch klammern können? Viel mehr bleibt dem Klub mit der Raute in der Tat nicht mehr übrig: Mit 18 Toren sind die Hamburger das harmloseste Team der Liga. Auch gegen Bremen ging kaum Torgefahr von der Hollerbach-Elf aus.
Auf der anderen Seite bildet der Defensivverbund um Kyriakos Papadopoulos mit 35 Gegentreffern eine der anfälligsten Abwehrreihen. Für Sky Experte Dietmar Hamann nicht verwunderlich: "Wenn du in 24 Spielen 18 Tore schießt und nach vorne so harmlos bist, dann erhöht das defensiv den Druck auf die Abwehr und du verlierst die Spiele."
Das Team verfüge offensiv über zu viele ähnliche Spieler. Dass Abiturient Jann-Fiete Arp zum Hoffnungsträger hochstilisiert wurde, sei bezeichnend. Zudem stehen die Kaderkosten in keinem Verhältnis zum Ertrag.
Kritik, die sich Heribert Bruchhagen gefallen lassen muss. Nach der Pleite im Nordderby flüchtete sich der Vorstandsvorsitzende in Schiedsrichteranfeindungen. Ohne Frage, Bremens Siegtor bietet Diskussionsstoff, um eine klare Fehlentscheidung aber handelte es sich nicht. Zwar entschuldigte sich der 69-Jährige anschließend für seine harten Worte, dennoch offenbart die Reaktion einiges. Zu oft wurde in Hamburg in den letzten Jahren die Schuld von sich geschoben. Das endete zwei Mal in der Relegation. Und dieses Mal im Abstieg?
Auch die Fans machen kaum mehr Hoffnung
Als einziger Hoffnungsschimmer dienten zuletzt immer wieder die Fans, die trotz schier aussichtsloser Lage stets hinter ihrem Team standen. Doch selbst dort hat das Team offenbar seinen Kredit verspielt. Wurde in den letzten Wochen der Ton der Anhänger spürbar rauer, eskalierte die Situation im Nordderby in einer wahren Pyroshow. Auch wenn diese nur von einigen wenigen unter einer Vielzahl friedlicher Fans ausging: Sie führte dazu, dass nach Abpfiff mehr über die Sicherheit im Stadion diskutiert wird, als über die sportliche Leistung der Mannschaft.
Und die Uhr tickt währenddessen unerbittlich weiter. Und damit sie im Volkspark nicht abgebaut werden muss, bedarf es eines schnellen Endes von Hollerbachs Horrorserie: Der seit 22 Pflichtspielen sieglose Übungsleiter (zuvor war Bernd Hollerbach mit Würzburg aus der 2. Bundesliga abgestiegen) braucht gegen Mainz einen Erfolg. "Er arbeitet hervorragend mit der Mannschaft, ist authentisch und glaubwürdig", lobte Bruchhagen seinen Coach zwar, und betonte, es gäbe keinen Gedanken, einen neuen Coach zu holen.
Aber: Schon jetzt ist Hollerbach der Trainer, der am längsten auf seinen ersten Sieg mit dem HSV wartet. Bei einer Pleite gegen den direkten Konkurrenten aus Mainz am Samstag (ab 13:00 Uhr live auf Sky und im Liveblog auf syksport.de) bliebe der zweite Trainerwechsel der Saison wohl die letzte Hoffnung auf den Klassenerhalt.