Wie 2014: Neue DFB-Stärke soll zu Flicks WM-Vorteil werden
29.03.2022 | 19:37 Uhr
Acht Spiele, acht Siege: Das DFB-Team findet unter Bundestrainer Hansi Flick zu alter Stärke zurück. Dabei hilft vor allem eine neue, alte Qualität, die seit der WM 2014 ein wenig vernachlässigt wurde: Standards.
Der 2:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Testspiel gegen Israel hat eine neue Stärke der Flick-Elf endgültig offengelegt. Nach einer langen Drangphase des DFB-Teams brauchte es in der 36. Minute eine Ecke, um endlich etwas Zählbares auf die Anzeigetafel zu bekommen. Nach einer schönen Ecke von David Raum köpfte Kai Havertz den Ball präzise am kurzen Pfosten ins Tor.
Eine sicherlich einstudierte Variante - ebenso wie das 2:0. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit trat Ilkay Gündogan zum Freistoß an. Statt die Kugel hoch in den Strafraum zu chippen oder direkt abzuziehen, schob der Spielmacher den Ball in den Lauf des sich davonstehlenden Timo Werner. Der brauchte nur noch abzuziehen und den vorzeitigen Endstand zu bejubeln.
Zwei Tore, zwei Standards. Schon in den WM-Qualifikationsspielen entpuppten sich Freistöße und Ecken zum effektiven Mittel der DFB-Elf. Seit Flick von Joachim Löw übernommen hat, hat das Team 33 Treffer in acht Spielen erzielt und immerhin sechs davon via Standard. "Ich finde es super, wie sich die Mannschaft belohnt hat. Acht Spiele, sechs Standardtore - das lässt sich schon sehen. Im Großen und Ganzen kann man mit allen Mannschaftsteilen zufrieden sein", meinte der Bundestrainer nach der Partie.
Die neu gewonnene Standard-Stärke erinnert dabei stark an die Zeit rund um die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Damals war Flick Co-Trainer, legte besonderes Augenmerk auf die Aktionen mit dem ruhenden Ball. "Wir wollten den Wert der Standards wieder mehr betonen, gerade bei so einem extremen Turnier", erklärt Flick nicht etwa nach dem Spiel gegen Israel am Samstag, sondern in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung von 2014.
Schon bei der WM 2014 hatte sich das Standard-Training des damaligen Assistenten als echte Geheimwaffe erwiesen. Im Turnier traf die DFB-Elf viermal nach Eckball durch Toni Kroos, darunter enorm wichtige Tore. Zwei Ecken auf den Kopf von Mats Hummels (2:0 gegen Portugal und 1:0 gegen Frankreich), eine Hereingabe für Miroslav Klose (2:2 gegen Ghana) und eine Ecke für Thomas Müller (1:0 gegen Brasilien).
Schon damals hatte Flick den Wert von Standards erkannt und sich in seiner Passion sogar mit seinem damaligen Chef Löw angelegt. Die beiden wetteten nach der Intensivierung des Standard-Trainings, ob das bei der Weltmeisterschaft zu einem Treffer führen würde. Schon im ersten Spiel gegen Portugal gewann Flick gegen Löw ein Abendessen - und behielt danach noch dreimal recht.
Doch der Erfolg geht nicht allein auf Flick zurück. In der Prognose, dass Standards für die WM 2014 eine größere Rolle spielen könnten, hörte sich der damalige Co-Trainer im Vorfeld bei Kollegen um. Schnell trat der Name Lars Voßler auf den Plan, der heute wie damals Assistent von Freiburg-Coach Christian Streich ist und als absoluter Standard-Experte gilt. Flick lud Voßler zu einem Workshop ein und ließ sich Varianten, Ideen und Trainingsansätze präsentieren.
"Ich habe Lars Voßlers Ideen dann aufgenommen und mir davon ausgehend weitere Gedanken gemacht, was das für unsere Mannschaft bedeuten könnte. Das habe ich Jogi und dem Team vorgetragen", offenbarte Flick damals. Und heute? Bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr präsentierte der Bundestrainer auch sein Team und hatte dabei einen Exoten im Stab: Mads Buttgereit.
Flick hat Dänemarks Standard-Trainer nach der extrem erfolgreichen Europameisterschaft abgeworben und so schon damals ein klares Zeichen für den neuen Weg gesetzt. Der 36-Jährige bringt eine Menge Innovationen für den ruhenden Ball mit, gilt als Technik-Freak und guckt sich viel von anderen Sportarten wie dem Golf mit. Buttgereit baut auf die Qualität der DFB-Kicker, die selbst Spaß daran haben sollten, neue Wege zu gehen. Auch Experten wie Gündogan oder Raum können noch von Buttgereit lernen.
"Die, die hier sind, das sind alles Topspieler. Die suchen nach dem einen Prozent, um sich zu verbessern", erklärte der Standard-Trainer, der den Profis dieses eine Prozent vermitteln möchte, bei seiner Vorstellung. Mit den eigenen Ansprüchen hielt sich der Däne damals nicht zurück. "Man kann schon einiges erwarten, aber vielleicht noch nicht am Anfang", so Buttgereit, der den "Anfang" nun hinter sich gelassen zu haben scheint.
Der kreative Standard-Doppelpack gegen Israel ist Beweis dafür, dass die neue Fokussierung Früchte trägt. Bleiben die Parallelen zur Weltmeisterschaft 2014 weiter bestehen, könnte es ein schönes Jahr für die deutsche Nationalmannschaft werden.