Top-Debüt mit großem Makel: Schlotterbeck patzt zur richtigen Zeit
28.03.2022 | 17:07 Uhr
Nico Schlotterbeck hat beim 2:0-Testspiel-Erfolg gegen Israel sein Debüt für das DFB-Team gefeiert. Dabei überzeugte Freiburgs Abwehrchef auf ganzer Linie - bis es in der Nachspielzeit zu einem Fehler kam, den sich der 23-Jährige wohl kein zweites Mal erlauben darf.
Hansi Flick steht seinem Vorgänger Joachim Löw vor allem in einer Sache in nichts nach: Der Bundestrainer gibt vielen Spielern - wie der Weltmeister-Coach von 2014 - die Chance, sich in der Nationalmannschaft zu präsentieren. Bereits vor der Partie gegen Israel stand fest, dass Schlotterbeck der bereits fünfte Debütant in der noch kurzen Amtszeit Flicks wird - Anton Stach sogar die Nummer sechs.
Der Bundestrainer gab Schlotterbeck für die Testpartie eine Einsatzgarantie und überschüttete den jungen Freiburger mit Lob. "Er hat eine enorm gute Entwicklung hinter sich", meinte Flick, erklärte zeitgleich aber, dass Schlotterbeck "manchmal noch zu bequem" sei.
Genau diese Bequemlichkeit ist es wohl, was im Nachgang der Partie vom Debüt des 23-Jährigen in Erinnerung bleibt. In der dritten Minute der Nachspielzeit lässt sich Schlotterbeck im eigenen Strafraum zu viel Zeit. Mit dem Ball am Fuß überlegt der Defensivmann zu lange und trifft als er das Leder letztlich spielen will nur den Fuß des heraneeilenden Israel-Stürmers Yonathan Cohen. Ein ungeschickter wie unnötiger Elfmeter resultiert daraus, den der eingewechselte Kevin Trapp allerdings parieren kann.
Nach der Partie spaltete diese Szene die Gemüter. Weltmeister-Verteidiger Per Mertesacker sprach im ZDF bei der Aktion von einem "kleinen Arroganzanfall" des Debütanten, den man sich nicht erlauben dürfe. Ein Vorwurf, den der Spieler selbst schnell von sich wies. "Arroganzanfall würde ich nicht sagen. Das war einfach schlecht, eine Unkonzentriertheit", erklärte Schlotterbeck selbst, der dabei Rückendeckung von Flick bekam.
Es ist ein großer Makel, der die eigentlich überragende Leistung des Neu-Nationalspielers ein wenig in den Schatten stellt. Bis zu diesem Fauxpas lieferte der Freiburger eine blitzsaubere Partie ab. Schlotterbeck gewann 62,5 Prozent seiner Zweikämpfe, brachte über 93 Prozent seiner Pässe an den Mann und verzeichnete die mit Abstand meisten Ballkontakte (122) im DFB-Team.
Neben der Ruhe, die der Innenverteidiger ins Spiel brachte, trat der 23-Jährige auch immer wieder als Antreiber in Erscheinung. 33 Pässe des Freiburgers führten ins letzte Angriffsdrittel des Spielfeldes. Zum Vergleich: Julian Weigl kam auf Platz zwei in dieser Kategorie nur auf 14 Zuspiele in Richtung Strafraum.
All diese Zahlen sprechen für ein fantastisches Debüt, das auch der Bundestrainer bis zur Nachspielzeit sah. Bis zu seinem Lapsus "hat er es sehr, sehr gut gemacht", sagte Flick nach der Partie. Auch der kritische Mertesacker zog ein insgesamt positives Fazit zum ersten A-Nationalmannschafts-Auftritt Schlotterbecks, der sich einen Fehler dieser Art wohl nicht noch einmal erlauben darf.
"Das sind Dinge, die können bei einer Weltmeisterschaft in der 90. Minute tödlich sein. Auf diesen Niveau muss man 90 Minuten voll konzentriert sein und darf keine Fehler machen", mahnte Flick mit Blick auf die weitere Entwicklung seines neuen Schützlings. Der Coach hoffe, dass Schlotterbeck aus seinem Fauxpas lernt. Und genau dafür war das Debüt im Testspiel genau der richtige Ort.
Der Fehler des Freiburgers blieb nicht nur ob der starken Parade von Keeper Trapp ohne Folgen, sondern wäre auch bei einem Gegentor nicht groß ins Gewicht gefallen. Die DFB-Elf führte kurz vor Schluss bereits mit zwei Treffern im ersten Testspiel des WM-Jahres. Noch müssen Abläufe trainiert werden - Fehler dürfen gemacht werden, damit sie nicht im Turnier passieren. Um es mit den Worten Flicks zu sagen: Dort wären sie "tödlich". Nicht aber im Testspiel.
Schlotterbeck selbst weiß um seinen Fehler, entschuldigte sich noch auf dem Feld bei seinen Mitspielern und fiel Trapp nach dem gehaltenen Strafstoß um den Hals. "Das darf mir nicht passieren. Ich muss mich bei Kevin bedanken, so ist es für mich glimpflich ausgegangen", meinte Schlotterbeck nach dem Spiel selbstreflektierend.
Dass der Neu-Nationalspieler dank seines Teamkollegen mit einem blauen Auge davon kommt, hat sich Schlotterbeck vielleicht auch einfach durch die vorangegangen 92 Minuten verdient. Ein starkes Debüt vor einem Millionenpublikum, zu dem wohl auch diverse Funktionäre anderer Klubs gehört haben. Die Berufung zur Nationalmannschaft könnte nicht das einzige Highlight in Schlotterbecks Jahr werden.
Noch immer ranken sich zahlreiche Gerüchte um den Freiburger, der nach Sky Infos vor allem bei Borussia Dortmund und dem FC Bayern hoch im Kurs steht. "Natürlich besteht die Möglichkeit, dass ich im Sommer gehe. Ein Wechsel ist sehr wahrscheinlich", kündigte der Defensivmann jüngst bei Sport1 an, wenngleich er sich noch nicht entschieden habe.
Somit dürfte es ein aufregendes Jahr für den talentierten Abwehrmann werden. Gelungenes Debüt für die Nationalmannschaft mit einem Fauxpas, den Schlotterbeck so schnell wohl nicht vergessen wird, möglicherweise ein Wechsel zu einem Top-Klub und mit etwas Glück die Krönung "Weltmeisterschaft in Katar" im Winter.
Dort könnte der DFB-Kicker eine echte Rolle spielen. Vorausgesetzt, der Fehler gegen Israel bleibt ein einmaliger Ausrutscher - mit hohem Lerneffekt.