Löws Casting beginnt! Der heiße Kampf um die Startelf
26.05.2021 | 17:25 Uhr
Die deutsche Nationalmannschaft reist am Freitag ins EM-Trainingslager nach Österreich. Dann beginnt auch das Rennen um die begehrten Startelfplätze. Der Konkurrenzkampf im DFB-Team ist vor diesem Turnier so groß wie lange nicht.
Durch die speziellen Herausforderungen der Coronapandemie darf Bundestrainer Joachim Löw 26 statt der üblich 23 Spieler mit ins Turnier nehmen. "Alle Positionen sind doppelt besetzt", hatte Löw bei der Bekanntgabe seines Kaders am vergangenen Mittwoch erklärt und zugleich betont: "Eine Startplatzgarantie für das komplette Turnier wird es nicht geben."
Und tatsächlich scheint so gut wie kein Spieler aus dem DFB-Aufgebot definitiv gesetzt zu sein. Sky Sport verschafft Euch einen Überblick über die Fragezeichen in der Startelf.
Zuvor stellt sich aber noch die Frage, auf welches System Löw seine Mannschaft einstellen wird. Die Kaderplanung dürfte auf dem vom DFB-Coach bevorzugten 4-2-3-1 basieren, wenngleich auch ein System mit Dreier-/Fünferkette oder ein 4-1-2-3 Alternativen sind.
Manuel Neuer ist wohl der einzige Spieler, der seinen Startplatz sicher hat. Durch den Ausfall von Ersatzmann Marc-Andre ter Stegen sind auch die letzten Diskussionen um die Nummer Eins im DFB-Tor verstummt. Bernd Leno und Kevin Trapp streiten sich lediglich um den Platz hinter Neuer.
Löw hat zwar keinen gelernten Rechtsverteidiger im Team, aber einige Spieler, die diese Position spielen können.
Die besten Karten hat Lukas Klostermann. Der Leipziger war bei Löw in der Vergangenheit als Rechtsverteidiger meist erste Wahl. Wenn er fehlte, agierte zuletzt Matthias Ginter als Backup. Emre Can, Niklas Süle und Robin Koch haben dagegen nur Außenseiterchancen auf einen Startplatz auf der rechten Abwehrseite.
Unklar ist aber, wie Löw mit Joshua Kimmich plant. Der Bayern-Profi hat seine Zeiten als Rechtsverteidiger eigentlich hinter sich, doch durch das Überangebot an Qualität im defensiven Mittelfeld könnte Kimmich womöglich als Rechtsverteidiger dringender gebraucht werden. "Ich denke zumindest mal drüber nach", hatte Löw bereits Ende März im Rahmen der WM-Qualifikation angekündigt.
Tendenz: Lukas Klostermann
Das Comeback von Mats Hummels und Thomas Müller sei laut Löw nicht gleichbedeutend mit einer Startelfgarantie. Die beiden seien aber Spieler, "auf die wir setzen. […] Natürlich spielen sie in unseren Gedanken eine wesentliche Rolle", so Löw.
Da es dem DFB-Team zuletzt an einem klaren Abwehrchef mangelte, ist davon auszugehen, dass Hummels diese Rolle einnehmen wird. Dahinter liefern sich Matthias Ginter und Antonio Rüdiger ein Duell um den zweiten Platz in der Innenverteidigung.
Für Ginter spricht die langjährige Erfahrung des Weltmeisters im DFB-Team, für Rüdiger die starken Auftritte beim FC Chelsea unter Thomas Tuchel. Niklas Süle wird sich nach einer durchwachsenen Saison beim FC Bayern hinten anstellen müssen.
Tendenz: Mats Hummels und Antonio Rüdiger
Für die linke Abwehrseite stehen mit Marcel Halstenberg und Robin Gosens zwei Spieler auf Augenhöhe zur Verfügung. Halstenberg hat zwar schon mehr Länderspiele auf dem Buckel, aber Gosens kommt nach einer starken Saison bei Atalanta Bergamo mit breiter Brust.
Hier dürften sowohl die Trainingseindrücke als auch Löws Taktik entscheidend sein. Gosens, der im Verein auch häufig im linken Mittelfeld spielt, wäre die offensivere der beiden Optionen. Überraschungs-Nominierung Christian Günter bleibt die Rolle des Backups.
Tendenz: Robin Gosens
Im defensiven Mittelfeld erwartet Löw wohl die schwierigste Entscheidung. Für die beiden Plätze auf der Doppelsechs hat der Bundestrainer mit Toni Kroos, Joshua Kimmich, Ilkay Gündogan und Leon Goretzka vier Top-Optionen.
Kroos ist einer von Löws wichtigsten Führungsspielern und gilt somit eigentlich als gesetzt. Allerdings befindet sich der Real-Profi aufgrund einer Coronainfektion aktuell in Quarantäne. Noch ist unklar, wann der 31-Jährige zur Mannschaft stoßen kann und wie schnell er wieder voll einsatzfähig ist.
Kimmich und Goretzka haben sich beim FC Bayern als Tandem auf der Sechs bewährt, aber auch Gündogan befindet sich nach der Meisterschaft mit Manchester City in Top-Form (16 Torbeteiligungen).
Aufgrund dieses Überangebots hatte Löw in den drei WM-Qualifikationsspielen Ende März mit nur einer Sechs (Kimmich) und einer Doppel-Acht davor (Goretzka/Gündogan) agiert. Damit beraubte er sich allerdings eines Spielers auf der Zehner-Position.
Tendenz: Toni Kroos und Joshua Kimmich
Sollte Löw bei der EM erwartungsgemäß nicht auf einen Zehner verzichten wollen, wird aller Voraussicht nach Thomas Müller diese Rolle einnehmen. Der Münchner erlebte unter Hansi Flick beim FC Bayern seinen zweiten Frühling und ließ Löw quasi keine andere Wahl, als ihn ins DFB-Team zurückzuholen. Der Bundestrainer sieht Müllers Stärken klar im Zentrum. Die Zeiten auf der Außenbahn habe er "hinter sich", so Löw.
Alternativen für Müller wären Leon Goretzka oder Kai Havertz. Wobei Letzterer in Löws Planungen wohl eher auf den Flügeln eine Rolle spielt. Youngster Jamal Musiala und Florian Neuhaus dürfen auf Kurzeinsätze hoffen.
Tendenz: Thomas Müller
Löw kann in seinem Kader auf geballte Offensivpower zurückgreifen, sogar eine klassische Nummer Neun hat die deutsche Nationalmannschaft in Person von Kevin Volland mit an Bord. Allerdings ist der 16-Tore-Mann von der AS Monaco kein Kandidat für die Startelf. Das Gleiche gilt für Offensivallrounder Jonas Hofmann.
Die drei Plätze im Angriff werden Serge Gnabry, Leroy Sane, Timo Werner und Kai Havertz unter sich ausmachen. Ob auf dem linken oder rechten Flügel oder im Sturmzentrum, bei diesem Quartett hat schon fast jeder alle diese Positionen in der Nationalmannschaft bekleidet. Nur Havertz lief im DFB-Trikot noch nie als Mittelstürmer auf, dafür beim FC Chelsea aber umso häufiger.
Löw hatte im Sturmzentrum zuletzt Serge Gnabry den Vorzug vor Timo Werner gegeben, flankiert von Leroy Sane und Kai Havertz. Bei der finalen Entscheidung über die Aufstellung im Angriff dürften die Trainingsleistungen und die Taktik für den jeweiligen Gegner das Zünglein an der Waage sein.
Tendenz: Serge Gnabry, Timo Werner und Leroy Sane
Gut eine Woche im Trainingslager in Seefeld und zwei Testspiele gegen Dänemark und Lettland (hier geht's zum DFB-Fahrplan bis zur EM) bleiben den Nationalspielern noch, um sich bei Löw ins Schaufenster zu stellen.
Wer sich am Ende durchsetzen konnte, werden wir spätestens beim EM-Auftakt der deutschen Mannschaft gegen Frankreich am 15. Juni erfahren. Bis dahin wird es ein heißer Kampf um jeden Platz werden.