Diversity Day: Leon Goretzka über Aktionen gegen Rassismus

Goretzka über Rassismus: "Will Vorbildfunktion gerecht werden"

Leon Goretzka spricht im exklusiven Interview über sein Selbstverständnis zur öffentlichen Positionierung gegen Rassismus.
Image: Leon Goretzka spricht im exklusiven Interview über sein Selbstverständnis zur öffentlichen Positionierung gegen Rassismus.  © Imago

Nationalspieler und Bayern-Profi Leon Goretzka ist dafür bekannt, über den Tellerrand zu blicken und sich zu gesellschaftlichen Problemen zu positionieren. Bei Sky Sport spricht Goretzka zum Diversity Day exklusiv über sein Engagement gegen Rassismus.

Sky unterstützt den Diversity Day mit einem besonderen Thementag auf Sky Sport News (Schwerpunkt am Di., ab 11 Uhr). Dabei werden gemeinsam mit zahlreichen Gästen aus den Bereichen Sport und Politik verschiedenste Themenblöcke in Bezug auf Diversität beleuchtet.

Das Interview mit Bayern-Star Leon Goretzka…

…warum es ihm so wichtig ist, zu gesellschaftlichen Themen Position zu beziehen:

"Wir als Nationalspieler und Fußballprofis finden sehr viel Gehör. Ich glaube, dass man die Gelegenheit nutzen kann, um sich zu solchen Themen zu positionieren. Und da lasse ich keine Gelegenheit aus, mich in der Hinsicht klar zu positionieren, um auch meiner Vorbildrolle gerecht zu werden."

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Leon Goretzka im exklusiven Interview über Bundestrainer Hansi Flick, die WM-Chancen und den Konkurrenzkampf.

…was Rassismus für ihn ist und was ihm das Thema bedeutet:

"Rassismus widerspricht allem, wofür ich stehen möchte. Es widerspricht dem, wie ich in diesem Land und in der Gesellschaft aufgewachsen bin. Ich glaube, dass eine Fußballmannschaft das perfekte Beispiel dafür ist, wie die Gesellschaft funktionieren kann. Da zählt nur das, was man auf dem Platz tut. Da zählt weder die Herkunft noch das Einkommen noch das Aussehen. Es geht nur darum, was auf dem Platz passiert. Man wünscht sich, dass das in der Gesellschaft auch genauso funktionieren könnte."

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…über Möglichkeiten oder Vorschläge für Aktionen, die effektiv gegen Rassismus wirken:

"Ich denke, dass die Möglichkeiten eines Einzelnen etwas begrenzt sind. Aber wir können Millionen von Followern über unsere Social-Media-Kanäle erreichen und eine Botschaft senden. Das ist, was ich versuche, und was jeder Einzelne auch versuchen kann, um seinen Teil dazu beizutragen. Ziel ist es, dass wir in einer Gesellschaft leben können, in der sich alle zu 100 Prozent bestätigt und wohlfühlen können. Darin sehe ich meine Aufgabe und ich glaube, dass dies jeder in seinem Rahmen tun kann. Dann wären wir einen großen Schritt weiter."

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Leon Goretzka darüber, ob der WM-Titel für Deutschland realistisch ist.

…was man Menschen mit auf den Weg geben kann, die Zeuge von Rassismus werden und nicht wissen, wie man sich in diesen Situationen verhalten soll:

"An einen Vorfall kann mich noch gut erinnern. Dieser hat mich damals dazu bewegt, mich zum ersten Mal öffentlich klar dazu zu bekennen. Ein Sportjournalist (Anm. d. Red.: Andre "Dre" Voigt) hat mitbekommen, dass meine Nationalmannschaftskollegen, Leroy (Sane), Ilkay (Gündogan) und andere im Stadion rassistisch beleidigt worden sind. Er hat sich danach in einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit gewendet und davon berichtet. Es schockierte ihn am meisten, dass niemand etwas dazu sagte oder die Leute in die Schranken wies. Das hat mich extrem bewegt, denn in dem Fußballstadion haben es bestimmt viele mitbekommen, die mit Sicherheit nicht die gleiche Meinung hatten, sondern genau die andere. Ich kann jeden dazu aufrufen, sich laut zu machen, sich stark zu machen und den Leuten immer zu signalisieren, dass sie mit ihrer Gesinnung in der Unterzahl sind und das nicht normal ist."

…über seine Formulierung in einem Interview im Jahr 2020, die AFD sei eine Schande für Deutschland:

"Ich stehe immer noch zu der Aussage. Es hat sich für mich nichts geändert. Auch in der Corona-Krise hat man ganz klar gesehen, dass es eine Partei ist, die Eigeninteressen vor gemeinschaftliche Interessen stellt. Und mit der Aussage wollte ich nur das sagen, was ich von dieser Partei halte - und das ist nichts."

…ob Sportler heutzutage auch Aktivisten sein müssen:

"Das Wort ,müssen' würde ich auf jeden Fall streichen. Ich persönlich habe einen guten Weg gefunden, damit umzugehen. Deswegen werde ich es auch weiterhin tun. Trotzdem kann ich auch jeden verstehen, der diesen Weg nicht für sich sieht, sondern sich lieber nur auf den Sport konzentrieren möchte. Das gilt es, absolut zu respektieren. Trotzdem freue ich mich über jeden weiteren Sportler oder auch speziell Fußballer, der sich anschließt und sich auch zu diesen Themen äußert. Aber verübeln kann ich das niemandem."

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Leon Goretzka über die abgelaufene Saison, das Aus in der Champions League gegen Villarreal, seine persönlichen Ziele, den Wechsel von Niklas Süle und das Finale in der Königsklasse.

…ob der Sport noch mehr machen kann, um gegen Rassismus vorzugehen:

"Ich glaube, dass der Sport schon sehr viel dafür tut. Ich bin wie gesagt der Meinung, dass die Mannschaften selbst das beste Beispiel dafür sind. Man braucht sich die Fußballmannschaften in Deutschland und auch unsere deutsche Nationalmannschaft nur genauer anzuschauen. Sie ist kunterbunt gemischt. Das ist das perfekte Beispiel dafür, dass es kein Nachteil ist sondern eine Bereicherung. Jeder ist in seiner Nische dafür da, damit am Ende das große Ganze funktioniert. Das ist für mich Lernen am Modell. Man braucht sich nur eine Fußballmannschaft genau anzugucken und kann davon schon viel mitnehmen."

…über Kritische Äußerungen, dass ein Kniefall, eine Regenbogenbinde, Slogans, Banner oder T-Shirts viel zu wenig seien:

"Am Ende des Tages sind Symbole gerade bei politischen Botschaften wichtig. Jeder, der sich mehr damit beschäftigt, weiß von der Bedeutung von Symbolik in der Politik und auch von einem Zeichen. Um tiefsitzende und gravierende Probleme in einer Gesellschaft zu lösen, bedarf es natürlich substanziellerer Dinge als eines Kniefalls oder einer Regenbogenfahne. Aber es ist nicht so, als würde es im Sport damit aufhören, Zeichen zu setzen, sondern es wird auch substanziell gearbeitet und geholfen. Ich bin dankbar für alles, was der DFB, die DFL und auch der DOSB in diesen Bereichen tun. Das wird nicht immer alles zu 100 Prozent nach außen posaunt, da es in erster Linie darum geht zu helfen. Unterm Strich ist deutlich mehr vorhanden als nur ein Kniefall oder eine Regenbogenfahne. Trotzdem glaube ich, sind selbst diese Zeichen sehr wichtig."

…über das Ergebnis einer Studie des Instituts FanQ, dass mehr als 40 Prozent der Fans selbst Zeuge eines rassistischen Vorfalls im Profifußball geworden sind:

"Das ist eine schockierende Zahl. 40 Prozent haben beispielsweise ein Szenario erlebt, was ich vorhin beschrieben habe. Beziehungsweise der Journalist, der sein Video gepostet hat. Dieses Video kann ich nur jedem ans Herz legen, denn in mir hat es damals etwas ausgelöst und bewegt. Ich habe den Bedarf erkannt, dafür einzustehen und etwas zu tun. Und an diese 40 Prozent, welche diese Frage mit „Ja" beantwortet haben, kann ich nur appellieren: Werdet laut und geht dagegen vor! Ich glaube, bei vielen reicht es schon, nur die Leute damit zu konfrontieren, was sie gerade tun und was sie demjenigen antun, der rassistisch beleidigt wird. Ich kann nur jeden dazu aufrufen, sich dagegen zu stellen."

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Leon Goretzka über die Neuzugänge des BVB, die überwiegend Nationalspieler sind.

…über die von Jerome Boateng im Sky Interview geäußerte Idee, dass Rassismus ein Schulfach sein könne - ähnlich wie Religion. Ein Fach, das die Kinder im jüngsten Alter schon mit dieser Thematik vertraut macht:

"Ich glaube, dass in unserem Schulsystem einiges schiefläuft. Da kann man mit Sicherheit viel verbessern. Und damit kommen wir auch schon zum Kern des Problems: Ein Mensch wird nicht mit rassistischen Gedanken geboren. Und gerade Kinder sind ein perfektes Beispiel dafür, dass Rassismus nichts natürlich ist, sondern etwas Angeeignetes. Etwas, das aus eigenen Problemen entsteht und jahrelang in den Gedanken der Leute manifestiert wird. Deswegen glaube ich, dass der Bedarf bei Kindern gar nicht so groß ist. Mit Blick auf die weiterführenden Schulen ist es mit Sicherheit sinnvoll, solche Dinge anzubieten. Aber ich glaube, gerade in den jüngeren Klassen besteht gar nicht so ein großer Bedarf. Meiner Meinung nach entsteht das Problem ein bisschen später."

Mit Leon Goretzka sprach Florian Plettenberg

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