Vitaly Janelt ist in Deutschland nur wenigen Fans ein Begriff. Dabei ist der 24-Jährige unumstrittener Stammspieler in der Premier League und bringt vieles mit, um auch der deutschen Nationalmannschaft zu helfen.
Läppische 600.000 Euro...
Diese heutzutage vergleichsweise geringe Summe überwies der FC Brentford im Oktober 2020 an den VfL Bochum für Vitaly Janelt. Es war ein Transfer, der weder in England noch in Deutschland groß beachtet wurde. Warum auch? Janelt war in Bochum kein unumstrittener Stammspieler, pendelte beim damaligen Zweitligisten zwischen Startelf und Ersatzbank.
Eigentlich als Perspektiv-Transfer geplant
Auch in der Championship in Brentford war der Youngster zunächst nur als Ergänzungsspieler eingeplant. "Vitaly ist ein sehr talentierter und intelligenter Spieler. Er wird einige Zeit brauchen, um sich an den englischen Fußball zu gewöhnen, aber er hat alle körperlichen Voraussetzungen, um sich hier gut zu behaupten", erklärte Rasmus Ankersen, der damalige Co-Sportdirektor bei der Verpflichtung.
Auch Brentfords Chefcoach hatte keine allzu hohen Erwartungen an den Neuen: "Er war ein guter Spieler, kein überragendes Talent, aber wir sahen ein großes Potenzial in ihm und wollten gemeinsam versuchen, es herauszukitzeln", erinnert sich Thomas Frank. Doch bereits im allerersten Training mit dem neuen Team konnte Janelt das den Dänen und sein Trainerteam überzeugen.
Er beeindruckte vor allem mit seiner Fähigkeit ein Spiel zu lesen und konnte gut erahnen, wo der Ball sein würde. "Ich erinnere mich, dass er im ersten Training eine fantastische Leistung gezeigt hat. Er hat alles antizipiert, sein Positionsspiel ohne Ball war herausragend. Er zeigte eine unglaubliche Fähigkeit, Druck auszuüben und das Team voranzutreiben", schwärmt Frank auch Jahre später noch von besagter Trainingseinheit.
Janelt startet sofort durch
Das Vertrauen des Coaches war also da und als sich Christian Norgaard wenige Tage später bei der 2:4-Niederlage gegen Preston North End am Sprunggelenk verletzte und vier Monate ausfiel, wurde Janelt direkt ins kalte Wasser geworfen. Im folgenden Spiel gegen Coventry City am 17. Oktober 2020 feierte er sein Debüt für Brentford, vier Tage später stand gegen Sheffield Wednesday erstmals von Beginn an auf dem Platz und startete richtig durch. In der zweithöchsten englischen Spielklasse bestritt er 2020/21 41 Pflichtspiele - 36 davon in der Startelf - und erzielte dabei drei Tore und legte drei weitere auf.
Janelt war in Franks 4-3-3 oder wahlweise im 3-1-4-2-System als defensiver Sechser gesetzt und hatte gewaltigen Anteil daran, dass Brentford sich als Tabellendritter mit 87 Punkten souverän für die Playoffs qualifizierte. Dort hatte er im Halbfinal-Rückspiel gegen Bournemouth seinen großen Auftritt: Brentford hatte das Hinspiel mit 0:1 verloren, als der damals 22-Jährige in der 50. Minute mit einem strammen Distanzschuss die Bees mit 2:1 in Führung schoss. Am Ende gewann Brentford mit 3:1, zog ins Finale gegen Swansea ein und stieg nach einem 2:0-Erfolg erstmals seit 1947 (!) wieder in die Premier League auf.
U21-Europameister mit Deutschland
Im folgenden Sommer das nächste Highlight, denn Janelt wurde mit der deutschen U21 völlig überraschend Europameister. Der Abräumer war dabei mit vier Joker-Einsätzen zwar nur Ergänzungsspieler, aber nahm den Schwung mit in die Premier League, wo er beim Aufsteiger weiter absolut gesetzt war. Entweder weiter auf der tiefen Sechserposition im 4-3-3 oder wahlweise auch in einer etwas offensiveren Rolle im flachen 3-5-2 auf einer Halbposition. Auch dank Janelt hatte der Aufsteiger nie etwas mit dem Abstieg zu tun.
"Ich denke, dass sie ihn in Deutschland 'Die Maschine' nennen! Er ist super. Was für ein Spieler, was für eine Mentalität. Er arbeitet so hart, ist gut am Ball. Genau das, was ich von einer Nummer sechs erwarte", schwärmte Frank im Dezember 2021 über seinen Schützling.
Vertragsverlängerung und Doppelpack beim CL-Sieger
Diese "Maschine" stand in der Aufstiegssaison der Bees in 31 von 38 Spielen auf dem Platz, 27 Mal davon von Beginn an und folgerichtig gab Brentford im April 2022 Janelts Vertragsverlängerung bis 2026 bekannt. Einen Tag später schnürte er gegen den damaligen Champions-League-Sieger Chelsea beim 4:1-Sieg an der Stamford Bridge seinen ersten Doppelpack in der Premier League:
"Von diesen Momenten träumst du als Kind, ich kann es immer noch nicht glauben. Diese Woche werde ich nie vergessen" , freute sich der Matchwinner anschließend. "Ich denke, dass Vitaly eine große Zukunft in Brentford vor sich hat", frohlockte auch sein Coach.
Insgesamt erzielte er in der Spielzeit 2021/22 vier Treffer und auch in dieser Saison führt kein Weg an einem der besten Ball-Eroberer der Premier League vorbei: Der Linksfuß begeistert mit starken Zweikampfwerten, ist im Pressing und Gegenpressing eine echte Waffe und leitet immer wieder auch selbst Angriffe ein.
"Er hat fantastische Leistungen für uns abgeliefert", lobt Frank, als er von The Athletic nach Janelts Fortschritten seit seinem Wechsel zu Brentford befragt wurde. "Wenn er nicht spielt, merkt man, was einem fehlt. Man kann sich mehr oder weniger sofort auf ihn verlassen. Er spielt immer auf einem bestimmten Niveau. Vielleicht hat er durch die Verletzung von Norgaard eine zusätzliche Chance bekommen, aber von der Art, wie er trainiert und spielt, wird er mir immer auffallen."
Bei Flick auf dem Zettel
Er fiel offenbar auch Bundestrainer Hansi Flick auf und befand sich nach übereinstimmenden Medienberichten im erweiterten 55-Mann-Kader vor der WM in Katar. Am Ende entschied sich Flick anders und verzichtete auf den 23-Jährigen. Dennoch hofft Janelt immer auf eine Berufung, wie er im exklusiven Interview mit Sky Sport verriet:
"Das ist immer etwas Schönes. Hansi Flick hat auch letztes Jahr zwei Spiele gesehen - gegen Liverpool und gegen Arsenal und auch diese Saison gegen Leeds war er im Stadion. Ist natürlich schön, wenn er einfach nur da ist und zuschaut, auch wenn ich bisher noch keinen Call-up bekommen habe", so der Mittelfeldspieler.
Und weiter: "Ich mache mir da aber überhaupt keinen Stress. Ich muss einfach jede Woche hier in Brentford beweisen, warum ich es verdient hätte und genau das ist mein Job. Ich sage immer, dass es ein schöner Bonus wäre und wenn er kommt, bin ich sehr glücklich. Solange das noch nicht passiert ist, muss ich hier jede Woche mein Bestes geben, um ihm die Entscheidung so schwer wie möglich zu machen."
Bringt vieles für Nationalmannschaft mit
Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, wie Flick plant und ob Janelt ein Teil dieser Planungen ist. Klar ist aber, dass der gebürtige Hamburger viel von dem mitbringt, was Deutschland in Katar fehlte. Als defensiv denkender Sechser kann er das Spiel unheimlich stabilisieren, kann aber auch mit dem Ball etwas anfangen, wie seine zwei Saisontore und eine Vorlage in der aktuellen Spielzeit in 17 Partien zeigen. Janelt wäre der perfekte Staubsauger, um offensiv oder strategisch denkenden Zentrumsspielern wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Ilkay Gündogan den Rücken freizuhalten.
Bis es soweit ist, liefert er weiter auf der Insel ab und zeigte zuletzt, dass ihn die Nicht-Berücksichtigung auch nicht allzu sehr zusetzte, Beim ersten Einsatz nach der WM-Pause erzielte Janelt am Boxing Day gegen Tottenham das erste Tor des traditionsreichen Spieltags, als er seine Farben nach 15 Minuten mit 1:0 in Führung schoss..
Zwar reichte es "nur" zu einem 2:2 am Ende gegen die Spurs, aber Brentford gehört auch dieses Jahr wieder zu den Überraschungen und befindet sich vor dem Heimspiel am 2. Januar gegen den FC Liverpool im gesicherten Mittelfeld auf Rang neun. Janelt hat seinen Marktwert zudem laut Football Benchmark auf beachtliche 19 Millionen Euro katapultiert.
Als Teenager bei RB Leipzig rausgeflogen
Der Deutsche ist also endgültig im Konzert der Großen angekommen, doch dass die Karriere einen derartigen Verlauf nehmen würde, war nicht immer so vorherzusehen. Als 18-Jähriger verursachte er beim Shisha rauchen gemeinsam mit Idrissa Toure während eines Trainingslagers 2016 mit der deutschen U19 in Albanien ein Feuer im Hotelzimmer.
Der DFB griff durch und schickte das Duo auf eigene Kosten zurück zu ihrem damaligen Verein RB Leipzig. Auch bei den Sachsen bekam er eine Geldstrafe aufgebrummt, musste Sozialstunden in einer Kita leisten und flog aus dem Jugendinternat. Im Januar 2017 folgte dann der leihweise Wechsel nach Bochum, wo er langsam wieder in die Spur fand, ehe er dann im Oktober 2020 weiter nach Brentford ging.
Für läppische 600.000 Euro...