FC Liverpool: Jürgen Klopp im exklusiven Sky Interview
Klopp exklusiv: "Warum sollte Bayern zum elften Mal Meister werden?"
01.10.2022 | 18:42 Uhr
Liverpool-Coach Jürgen Klopp spricht im exklusiven Sky Interview über die Schwächephase der Reds, Druck durch die Medien, seine Verlängerung sowie den Transfer von Sadio Mane und den Meisterschaftskampf in der Bundesliga.
Jürgen Klopp...
... über das Spiel gegen den Tabellen-4. Brighton: "Es ist ein Heimspiel, die Leute sehen uns daher wohl immer noch als Favorit. Dafür waren unsere letzten Leistungen auch wieder vielversprechend, sodass es für Brighton schwieriger wird gegen uns. Wir können die Situation aber gut einschätzen. Wir brauchen eine herausragende Leistung. Das letzte Spiel gegen Ajax (2:1 in der Champions League, d. Red.) ist zwar ewig her, aber das war ein Schritt in die richtige Richtung. Daran müssen wir anknüpfen."
... über den Druck aufgrund der Tabellensituation. Liverpool ist derzeit nur Achter in der Premier League: "Wir sind extrem ambitioniert und Druck haben wir immer. Es ist ja nicht so, dass wir erst vorm Anpfiff mitbekommen, wer der Gegner ist. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer erfolgreichen Saison und der Start war nicht gut. Von daher ist natürlich Druck da. Aber es ist keiner extrem unzufrieden. Wir haben nicht das abgerufen, was wir wollten und müssten. Jetzt kommen die intensivsten Zeiten aller Zeiten mit 13 Spielen in sechs Wochen. Jedes Spiel ist ein Finale für uns. Da können wir festlegen, wo es im Rest der Saison für uns hingeht und um was wir mitspielen dürfen."
... über die Qualität der Mannschaft im Vergleich zur Vorsaison: "Das ist komplett unwichtig. Was wir wissen ist, dass wir viel besser hätten spielen können. Wir haben Sadio Mane verloren, Divock Origi, Takumi Minamino. Sadio ist ein Verlust, die anderen beiden auch. Dafür haben wir andere Spieler dazubekommen und die haben ihre Sache sehr ordentlich gemacht. Wir haben als Mannschaft nicht abgeliefert. Es interessiert zwar keinen Menschen, aber wir haben auch eine richtige Verletzungsmisere gehabt. Und das am Anfang der Saison, wo man reinfindet und Spielanteile verteilt. Das konnten wir gar nicht. Wir mussten die Jungs sofort durchjagen. Wer zurückkam, hat sofort wieder gespielt. Das hilft nicht. Das sieht jetzt aber ein bisschen besser aus. Wir hoffen, dass es so bleibt. Wir müssen nun den Rhythmus aufnehmen, diesen durchziehen und auf hohem Niveau performen. Und jetzt kommt Brighton. Normalerweise ist es so: Kommt ein neuer Trainer, lief es schlecht. Bei Brighton lief es aber gut und der Trainer wurde weggekauft (Graham Potter wechselte Anfang September zum FC Chelsea, d. Red.). Jetzt kommt ein hochspannender neuer Kollege. Der eine eigene Art hat, Fußball spielen zu lassen."
... über Brightons neuen Trainer Roberto De Zerbi und dessen spezielle Art: "Er ist supermutig, hat wirklich eine eigene Art, das Ganze anzugehen. Auch im Aufbau. Er will Ballbesitz haben und hat viele offensive Leute auf dem Platz, die sich auch mal in einer Reihe aufhalten. Aber Brighton war auch vorher schon offensiv. Wenn ein neuer Trainer kommt, verändert er meistens viel, weil es vorher nicht lief. Jetzt bin ich gespannt, wie es der Kollege dort macht. Das wird spannend. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir das Spiel auch bei deren Ballbesitz dominieren. Das wird eine Herausforderung."
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... über seinen Umgang mit Kritik an seiner Person: "Wie immer! Man kann mich kritisieren, aber ich weiß schon, wenn etwas nicht gut war. Ich weiß, dass wir noch nicht abgeliefert haben. Das ist meine Verantwortung und von niemand anderem. Wenn mich die Leute dafür kritisieren, dann ist das komplett in Ordnung. Sollte es unter der Gürtellinie passiert sein, dann habe ich es nicht mitbekommen, weil ich mich nicht so richtig an den ganzen Medien beteilige. Ansonsten ist das normal und überrascht mich gar nicht. Es gehört genauso dazu wie Lob in Momenten, in denen es mehr oder weniger angebracht ist. Das ist und war für mich noch nie ein Problem. Ich habe nur ein Problem mit Niederlagen, weil sie sich einfach sehr schlecht anfühlen. In Momenten nach so einem Spiel ist man oft nicht der, der man selbst sein will, weil es sich so unterdurchschnittlich anfühlt und man es dann ab und zu rauslässt."
... über die lange Halbwertszeit auf seinen Stationen im Vergleich zu vielen seiner Kollegen und woran es liegt, dass viele prominente Trainer bereits gehen mussten in dieser Saison oder in der Kritik stehen: "Ich habe wirklich keine Ahnung und die Situation der Kollegen kann ich nicht so einschätzen. Bei Julian (Nagelsmann, d. Red.) bekomme ich ein bisschen mit, weil Sadio Mane dort ist. Es ist doch klar: Wenn du Robert Lewandowski verlierst, der hat halt regelmäßig einen reingemacht. Dass darf man nicht vergessen. Wenn das weg ist, muss man sich erstmal wieder an diese Situation gewöhnen. Und man muss jetzt nicht so tun, als ob die Bayern die letzten zehn Jahre an jedem Spieltag die Sterne vom Himmel gespielt haben. Jetzt alles in Frage zu stellen, wird beim FC Bayern sicher überhaupt nicht passieren. Sie waren drauf eingestellt, dass es ein bisschen ruckeln kann. Bei Thomas (Tuchel, d. Red.) und Domenico (Tedesco, d. Red.)? Weiß ich nicht. Ist der Job schwieriger geworden? Der Job war in guten Phasen schon immer der beste der Welt. In schlechten Phasen mit der schlechteste der Welt. Denn wenn dich die ganze Welt in Frage stellt, fühlt es sich einfach nicht gut an. Warum ich, überall wo ich bin, ein bisschen länger bleiben darf? Ich habe dafür absolut keine Erklärung. Ich habe immer das Gefühl, dass ich eher die Probleme regeln soll als dass ein anderer kommt, um sie zu regeln."
... über seine überraschende Vertragsverlängerung bis 2026: "Ganz einfach: Mein Vertrag wäre übernächstes Jahr ausgelaufen. Dann wären die ganze Zeit Fragen gestellt worden. Ich wusste immer, dass ich hier gerne bleiben möchte. Auch in Situationen, in denen es ein bisschen ruckeln wird. Bei uns steht auch ein Umbruch an. Wir sind sogar schon dabei. Wir haben Fabio Carvalho, Darwin Nunez, Luis Diaz, Diogo Jota. Wir haben bereits die nächste Generation der Spieler. Wir haben Ibrahima Konate. Die sind alle jung. Ein Umbruch gehört dazu, da wollte ich dabei sein. Ich wollte auch dabei sein, wenn diese jungen Burschen mehr zum Zuge kommen. Denn ich finde das total spannend. Von daher war es klar. Ich wusste immer, dass das Interesse vom Verein da ist. Ich sah aber noch keine große Notwendigkeit, um darüber zu sprechen. Jetzt war ein guter Zeitpunkt, weil es überraschend kam und wir nicht in einer Phase reingerutscht sind, wo man sich fragt: Was macht man in 2024? Sie kennen das Geschäft so gut wie ich: Das wäre die ganze Zeit passiert. Vor allem jetzt, wo es mal ein bisschen ruckelt. Ich bin hier im Moment noch am richtigen Ort, hundertprozentig. Und wenn nicht, dann muss man es beenden. Es wäre ja doof, wenn man das nicht machen würde. Aber alle Beteiligten sehen das nicht."
... auf die Frage, ob er Sadio Mane vermisst: "Ein guter Typ und Topspieler. Aber vermissen klingt doch so, als wollte ich ihn noch hier haben. Ich finde es wirklich komplett in Ordnung, dass Sadio einfach was anderes machen wollte. Absolut. Ich respektiere das total. Wie das abgelaufen ist, war top. Wir wussten, dass er was anderes macht, ohne im Schlechten auseinanderzugehen. Das muss möglich sein im Leben. Genau das ist passiert. Vermissen? Ja! Aber ich bin auch froh, dass er da ist, wo er hinwollte. Wir regeln hier unsere Probleme. Sadio ist ein überragender Spieler. Das haben in München auch alle schonmal gesehen. Er ist absolute Weltklasse. Alles wird gut."
... auf die Frage, wann und wie Mane sein Leistungslimit kontinuierlich abrufen wird: "Sadio wird sie abrufen. Das tut er immer. Nicht jede Woche, das macht keiner. Aber in extrem großer Häufigkeit. Aber nochmal: Man hatte den Fixpunkt im Weltfußball vorne drin: Robert Lewandowski. Der hat Tore aus Chancen gemacht, die waren gar keine. Am Ende gewinnst du 4:0, weil Lewy das 1:0 gemacht hat aus einem Moment, wo gar keine Torchance da war. Das wird einfach vergessen. Schaut euch die Spiele an. Sie müssen jetzt den Rhythmus finden. Ich bin mir aber sicher, dass bei den Bayern diesbezüglich alle entspannt sind. Und mit meiner Lebensweisheit von 55 Jahren würde ich ihnen zumindest raten, entspannt zu sein. Aber: Es geht auch eine Tür für andere auf. Warum sollte Bayern zum elften Mal Meister werden? Ist auch nicht schlimm. Das hat dann aber nichts mit Sadio zu tun. Sadio wird abrufen, weil er Weltklasse ist."
Das Interview führte Florian Plettenberg.