FC Schalke 04 News: Dieter Schatzschneider im Sky Interview über Simon Terodde
200 Terodde-Tore? Schatzschneider scherzt: "Muss vermieden werden"
03.10.2021 | 15:32 Uhr
Dieter Schatzschneider erzielte für Hannover 96 und Fortuna Köln 153 Tore in der 2. Bundesliga. Diesen Rekord wird der 63-Jährige mit ziemlicher Sicherheit an Simon Terodde abgeben müssen. Im Exklusiv-Interview spricht Schatzschneider über seinen designierten Nachfolger, das Phänomen Terodde, dessen Stärken und erklärt, warum er seinen Rekord lieber am Sonntag als am nächsten Spieltag verlieren würde.
skysport.de: Herr Schatzschneider, vor ein paar Wochen wurde Ihnen eines Ihrer Zweitliga-Tore aberkannt und als Eigentor gewertet. Haben Sie mittlerweile eine Erklärung, wieso es dazu kam?
Dieter Schatzschneider: Ich kann es mir bis heute nicht erklären. Ich finde diese Aktion unterirdisch und hätte nie geglaubt, dass sich jemand für so einen Quatsch interessiert. Es gab gar keinen Grund dafür, nachzugucken, ob ich nun 154 oder 153 Tore erzielt habe.
skysport.de: Jetzt sind es halt 153 und Simon Terodde fehlt nur noch ein Tor zum Rekord. Schauen Sie sich das Spiel gegen Ingolstadt auf Sky an?
Schatzschneider: Ich werde mir heute das Spiel von Hannover in Nürnberg angucken und am Sonntag vor dem Fernseher der Dinge harren.
skysport.de: Wenn Terodde trifft, stellt er Ihren Rekord ein. Oder hoffen Sie, dass er es am nächsten Spieltag macht, wenn Schalke in Hannover spielt?
Schatzschneider: Ich hoffe, dass er gegen Ingolstadt möglichst oft trifft. Stellen Sie sich vor, er kommt nach Hannover, macht zwei Tore, überholt mich, und wir verlieren das Spiel!
skysport.de: Wie ist das Phänomen Terodde zu erklären?
Schatzschneider: Das ist ganz einfach erklärbar: Er ist der typische Torjäger, der genau das macht, was von ihm erwartet wird. Ich mag solche Typen. Wenn du dich darauf konzentrierst, wirst du auch aus wenigen Chancen deine Tore machen. Und das macht er par excellence. In Rostock hat er auch wieder zwei Dinger gemacht. Hut ab! Was er natürlich - wie jeder Torjäger - braucht, ist eine Mannschaft, die ihn stärkt und einen Trainer, der ihm sein volles Vertrauen schenkt und sagt: "Bei mir kannst du machen, was du willst. Du kannst auch mal 80 Minuten nicht aufs Tor schießen. Ich weiß aber, wenn du in der 85. Minute die Chance bekommst, machst du ihn rein." Das sind Dinge, die wichtig sind für einen Stürmer, und die Simon in der 2. Liga vorfindet, weil er auch spürt: Ohne mich können die gar nicht.
skysport.de: Machen sich die Mannschaften zu abhängig von ihm?
Schatzschneider: Ziehen Sie doch mal bei Schalke die Treffer von Terodde ab, dann haben sie drei Tore und stehen in der Tabelle hinter Hannover auf Platz 16. Ob das so richtig ist, darüber sollte man vielleicht mal nachdenken. Aber eins ist klar: Wenn du aufsteigen willst, brauchst du vorne einen, der Tore macht.
skysport.de: Wie ist es zu erklären, dass Terodde in der 2. Liga trifft, sich aber eine Spielklasse höher immer schwer getan hat? Ihm wird nachgesagt, dass er es in der Bundesliga nicht packt. Wie sehen Sie das?
Schatzschneider: Das ist totaler Quatsch! Du hast natürlich in der Bundesliga nicht dieselbe Bestätigung wie in der 2. Liga. In meiner aktiven Zeit konnte ich bestimmen nach dem Motto: "Ich will auf Rechtsaußen den Peter Hayduk haben, der die Flanken schlägt, und hinter mir Bernd Dierßen, der mich perfekt anspielt." Alle wussten, dass ich die Dinger reinmache. Und dann kommst du in die Bundesliga, wo ganz andere Kameraden in der Hierarchie ganz oben sind. Denen ist es egal, ob du eine Flanke kriegst, die zum Tor führt. Dann hast du noch einen Trainer, der sagt: "Du bist mein erster Verteidiger", und dann hast du als Mittelstürmer schon verloren.
skysport.de: Sind die Trainer nicht mutig genug, einen Stürmer einfach nur Stürmer sein zu lassen?
Schatzschneider: Natürlich, so ist es. Für mich sollte sich der Mittelstürmer ausschließlich darauf konzentrieren, Tore zu machen. Aber heute müssen sie rennen, ackern für die Mannschaft, nach hinten arbeiten, und vorne sollst du noch Tore machen. Das finde ich sehr schwierig.
skysport.de: Was genau macht Terodde so herausragend?
Schatzschneider: Große bzw. gute Stürmer haben eine Gabe: Sie bleiben nicht im Sechzehner stehen, sondern - egal in welchem Tempo - sie laufen durch bis zur Torlinie. Das macht auch ein Ronaldo. Simon ist im Strafraum immer in Bewegung, baut Körperfinten ein und schafft sich so seine Räume. Das macht er exzellent.
skysport.de: Terodde hat in dieser Saison schon wieder zehn Tore in acht Spielen erzielt. Kann er vielleicht sogar irgendwann die 200-Tore-Marke in der 2. Liga knacken?
Schatzschneider: Davor habe ich am meistens Angst (lacht). Die 160 wird er in dieser Saison auf jeden Fall vollmachen, vielleicht 170. Sollte Schalke nicht aufsteigen, macht er nächste Saison noch einmal 30 Tore! Dann hat er 200, und alle werden sagen: Was waren das denn für Blinde hinter Terodde? Das muss vermieden werden. Schalke muss aufsteigen, am besten mit Terodde-Toren.
skysport.de: Sie haben mal für Schalke in der Bundesliga gespielt. Welche Erinnerungen haben Sie noch an diese Zeit?
Schatzschneider: Da kann ich eine lustige Geschichte erzählen. Schalke hatte damals kein Geld und so haben sie gesammelt, um mich zu verpflichten. Mehrere Geschäftsleute haben 100.000 Mark gegeben, damit Schalke die Ablöse bezahlen konnte. Im ersten Jahr habe ich noch neun Tore gemacht, danach war ich nur noch verletzt. Immer, wenn ich auf Schalke bin, kommt einer auf mich zu und sagt: "Gib mir meine 100.000 zurück, du hast damals nicht performt." Ich traue mich da schon gar nicht mehr hin.
Skysport.de: Was machen Sie, wenn Simon Terodde als Rekordhalter zum nächsten Spiel nach Hannover kommt?
Schatzschneider: Ich würde ihn gerne persönlich treffen, ihm sportlich fair gratulieren und das Zepter übergeben.
Das Gespräch führte Thorsten Mesch.
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