"Glaube, dass Deutschland weit kommen kann"
21.07.2023 | 22:25 Uhr
Melanie Behringer weiß, wie man eine Weltmeisterschaft erfolgreich bestreitet. 2007 gewann sie mit den DFB-Frauen den WM-Titel. Es folgten Triumphe bei zwei Europameisterschaften und Olympia. Für skysport.de schätzt Behringer die Chancen und Leistungen der deutschen Mannschaft ein.
Während ehemalige Teamkolleginnen wie Alexandra Popp, Svenja Huth und Melanie Leupolz in Australien und Neuseeland um den WM-Titel kämpfen, bestreitet Behringer als Co-Trainerin der U-19-Auswahl aktuell die Europameisterschaft in Belgien. "Es macht mir riesigen Spaß mit den Mädels", sagt die ehemalige Offensivspielerin, die nach der EM als Cheftrainerin die U16 übernimmt. "Ich freue mich auf die Aufgaben", erklärt die 37-Jährige, deren Ziel es ist, "irgendwann in den Erwachsenenbereich zu wechseln."
Als ehemalige Weltklassespielerin und heutige Trainerin sieht Behringer die Spiele immer aus zwei Blickwinkeln. Ihre Erfahrungen lässt sie in ihr WM-Kolumne einfließen. Zum Auftakt blickt sie auf die Vorbereitung und die Chancen der deutschen Mannschaft und nennt ihre Favoritinnen.
Ich hatte in meiner aktiven Zeit viele positive, aber auch weniger schöne Erlebnisse. Deswegen kann ich mich teilweise sehr gut in die verschiedenen Situationen der Spielerinnen versetzen. In meiner aktiven Zeit habe ich viele Erfahrungen mit verschiedenen Trainern gesammelt und versuche, von allen für mich das Beste für meine Arbeit mitzunehmen und umzusetzen.
Nach meiner aktiven Zeit hat sich der Frauenfußball noch einmal enorm weiterentwickelt. Damals hieß es zum Beispiel noch 1. FFC Frankfurt, jetzt ist es Eintracht Frankfurt mit den Männern im Rücken. Es ist wichtig, dass die Männerklubs die Frauen unterstützen, auch RB Leipzig als Bundesliga-Aufsteiger ist ein gutes Beispiel. Was die Athletik und die spielerische Fähigkeit angeht, ist der Frauenfußball heute ebenfalls einen Schritt weiter als damals.
Ich habe mich sehr über die EM in England gefreut. Es war eine deutliche Leistungssteigerung als noch in den Turnieren zuvor zu erkennen. Ich war begeistert, wie die deutschen Frauen die Fans mit ihrer Art Fußball zu spielen mitgerissen haben: leidenschaftlich, mutig und mit unglaublichem Teamgeist. Wenn man solch eine starke EM wie in England spielt, dann möchte man auch eine gute Rolle bei der WM spielen und um den Titel mitspielen. Das traue ich unserer Mannschaft auf jeden Fall zu.
Mit Melanie Leupolz und Sara Däbritz wurde ich zweimal Deutsche Meisterin, auch habe ich beispielsweise mit Kathrin Hendrich, Svenja Huth oder Alex Popp noch zusammengespielt. Es besteht zwar nicht mehr der enge Kontakt wie früher, aber sobald man sich trifft, hat man gleich wieder eine Verbindung und quatscht miteinander. Ich freue mich sehr für die Mädels, dass sie noch eine WM spielen dürfen.
Als wir 2007 den WM-Titel gewonnen haben, waren wir in China, weit weg von Deutschland und von Familien und Freunden. Die Mannschaft und der ganze Staff drumherum waren unter sich, das hat uns als Team zusammengeschweißt. In Australien und Neuseeland ist es ähnlich, aber alle wissen, dass die Unterstützung in Deutschland vorhanden ist.
Die Spielerinnen sind mit dem Ziel und dem Anspruch nach Australien gereist, den Titel gewinnen zu wollen. Das bisherige WM-Jahr und die Vorbereitung sind mit dem knappen Sieg gegen Vietnam und der Niederlage gegen Sambia nicht optimal verlaufen. Man darf aber nicht vergessen, dass die Mannschaft sehr viel Pech mit Verletzungen hatte. Carolin Simon hat sich gegen Sambia einen Kreuzbandriss zugezogen und verpasst die WM, Marina Hegering und Lena Oberdorf sind noch angeschlagen. Es ist zwar schöner, vor einem Turnier nochmal zu gewinnen, aber solche Spiele wie das 2:3 gegen Sambia sind wichtige Erfahrungen. Aus dieser Niederlage werden die richtigen Schlüsse gezogen. Von daher blicke ich positiv auf die WM.
Wir haben viele gute Spielerinnen, die das Team führen können, allen voran eine Alex Popp, die auf und neben dem Platz vorangeht. Marina Hegering spielt eine wichtige Rolle und bringt viel Erfahrung mit. Dazu kommen junge Spielerinnen wie Sydney Lohmann, unfassbar stark, aber leider zuletzt immer wieder von Verletzungen geplagt. Ich könnte noch einige aufzählen. Egal, wer spielt, wenn das Team auf dem Platz harmoniert, glaube ich, dass die Mannschaft weit kommen kann.
Wenn man die Bilder aus dem deutschen Quartier sieht, scheinen alle viel Spaß und Freude in Australien zu haben. Es war wichtig, früh anzureisen um sich zu akklimatisieren. Ich glaube, dass die Mannschaft zum ersten Spiel gegen Marokko perfekt vorbereitet sein wird.
Der Kreis der Favoritinnen ist heute ein viel größerer als noch zu meiner aktiven Zeit. Ich würde die USA, Brasilien, England, Spanien, Deutschland, Schweden, Japan und die Niederlande zu den Titelaspirantinnen zählen.
Der Auftakt war sehr gelungen. Ich freue mich für die Gastgeberinnen aus Neuseeland und Australien, dass sie mit einem Sieg ins Turnier gestartet sind. Die Begeisterung für den Frauenfußball in beiden Ländern wird dadurch sicherlich weiter steigen.
Ich erwarte, dass die Stadien voll sein werden und die Stimmung überwältigend sein wird. Ich freue mich auf diese WM!
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Zur Person:
Als Spielerin gewann Melanie Behringer (37) die WM 2007, die EM 2009 und 2013 sowie Olympia-Gold 2016, als sie zudem Torschützenkönigin wurde. Auf Vereinsebene spielte sie u.a. für den SC Freiburg und den 1. FFC Frankfurt sowie den FC Bayern München. Mit den Münchnerinnen gewann sie zweimal die Deutsche Meisterschaft, ehe sie ihre Karriere 2019 beendete. Als Co-Trainerin der U-17-Auswahl saß sie u.a. beim 4. Platz bei der WM 2022 in Indien auf der Bank. Aktuell ist sie Co-Trainerin der U19, nach der EM übernimmt sie die U16 als Cheftrainerin.
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