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Frank Rost über Werder Bremen, HSV und Schalke 04

Rost über Bremens und Hamburgs Misere: "Logische Konsequenz"

Frank Rost ist zu Gast bei Sky90 - die Kia Fußballdebatte.
Image: Frank Rost spielte in der Bundesliga für Bremen, Schalke und den HSV.  © Imago

Frank Rost stand bei Werder Bremen, dem Hamburger SV und Schalke 04 zwischen den Pfosten. Im Interview mit Sky Sport spricht der 46-Jährige über die Situation im Abstiegskampf und Aufstiegsrennen bei seinen ehemaligen Vereinen. Zudem äußert er sich zu der Kritik der Schalke-Fans an Clemens Tönnies.

Sky Sport: Herr Rost, 2009 haben Sie mit dem HSV noch zusammen mit dem heutigen Präsidenten Marcell Jansen im Halbfinale der Europa League gegen Werder (mit dem heutigen Sportvorstand Frank Baumann) gespielt. Nächste Saison könnten beide Klubs in der 2. Liga gegeneinander spielen. Wie konnte es soweit kommen?

Frank Rost: Beim HSV geht die negative Entwicklung fast schon über ein Jahrzehnt. Man denkt immer wieder, man sei mehr als man tatsächlich ist. Das zeigt sich auch auf dem Platz. Wenn man denkt, schlimmer kann es nicht mehr kommen, der HSV kann es mit Sicherheit toppen.

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Sky Sport: Was sind die Gründe für Werders negative Entwicklung?

Rost: Ich glaube, dass muss man sehr tiefgehend betrachten. Sportlich gesehen konnte man die Fehlerketten über die ganze Saison nicht abstellen und hat eine kritische Auseinandersetzung mit den Dingen, die passiert sind, vermieden. Ich glaube aber, dass du den Diskurs brauchst. Du musst dich immer wieder hinterfragen und dich kritischen Fragen stellen. Dies ist aber anscheinend nicht mehr gewollt. Jeder ist in erster Linie daran interessiert, so lange es irgendeiner bezahlt, dass er seinen Teil vom Kuchen abbekommt, egal wie es dann am Ende ausgeht. Dass so etwas irgendwann mal schiefgeht, ist die logische Konsequenz. Der HSV hat schon ein Stück weit die Quittung dafür bekommen, Werder ist auf dem besten Weg dahin.

Sky Sport: Dem HSV wurde immer wieder fehlende sportliche Kompetenz in der Führung vorgeworfen, in Bremen gab und gibt es diese Kompetenz. Was läuft falsch?

Rost: Es gibt in Bremen viel sportliches Knowhow, aber nur einen, der in der Verantwortung steht, und das ist Frank Baumann. Beim HSV hat man den Eindruck, dass ehemalige Leute im operativen Geschäft gar nicht erwünscht sind. Wenn der HSV noch ein Jahr in der 2. Liga bleibt, wird es sehr schwierig, das finanzielle Rad dort weiter zu drehen wie bisher.

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Sky Sport: Ihr ehemaliger Teamkollege Marcell Jansen ist Präsident. Was fehlt dem HSV?

Rost: Es muss immer eine ausgewogene Balance geben. Darum ist Bayern München der Branchenprimus, weil sie sich immer wieder dem Diskurs stellen. Mit Oliver Kahn hat man zuletzt noch jemanden dazu geholt, der nicht immer nur so redet, wie es gerade gewünscht ist, sondern der stellt auch kritische Fragen. Das brauchst du, um erfolgreich zu sein, im Sport und auch in der Wirtschaft. Wir befinden uns momentan, gerade in der Corona-Krise, in einem extremen Verdrängungswettbewerb wirtschaftlicher und sportlicher Natur, und der HSV sowie Werder verschlafen das ein bisschen.

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Sky Sport: In Bremen wird viel von der der Werder-Familie gesprochen, trotz der negativen Ergebnisse wurde an Florian Kohfeldt festgehalten. Was hätte man besser machen müssen, auch in Bezug auf die Kaderzusammenstellung durch Sportvorstand Frank Baumann?

Rost: Kohfeldt hätte man vielleicht beraten müssen, im Sinne von: 'Erzähl' mal weniger, auf dem Platz muss es funktionieren'. Er ist ja noch ein sehr junger und unerfahrener Trainer, er war selbst nie Profi. Frank Baumann schätze ich sehr und halte ihn für einen absoluten Fachmann. Aber als Sportvorstand hat er niemanden, der mit ihm auch mal in den Diskurs oder Clinch geht, sich kritisch mit ihm austauscht und sich gegenseitig beflügelt. Der FC Bayern hat mit Rummenigge, Kahn, Salihamidzic in der Führung und Müller und Lewandowski auf dem Platz Leute, die Bremen und der HSV nicht haben. Mit wem soll Baumann sich unterhalten? Mit Hubertus Hess-Grunewald (Werder-Präsident, Anm. d. R.) oder mit Klaus Filbry (Vorsitzender der Geschäftsführung)? Heute tummeln sich leider Gottes viele im Fußball, die nach meinem Dafürhalten nicht dahin gehören.

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Werder Bremen droht bei einem Abstieg in die 2. Bundesliga der Kader-Ausverkauf. Welche Stars würde den Verein verlassen? Sky Sport gibt den Überblick (Videolänge: 4:27 Min.).

Sky Sport: Werder hatte vor der Saison einen Europapokal-Platz als Ziel ausgegeben. War das ein Fehler?

Rost: Ich finde, sich dieses Ziel zu stellen, war erst einmal richtig. Es hätte ja letztes Jahr fast geklappt. In dieser Saison haben sie einfach viel zu viele Fehler gemacht. Was die Verletzten-Misere angeht, würde ich das nicht irgendeinem Arzt oder Therapeuten in die Schuhe schieben, wie es Werder gemacht hat, das gibt den Spielern nur ein Alibi. Wenn ich alle zwei Wochen eine Zerrung habe, muss ich mich fragen, ob ich fit bin und dem als Profi würdig bin. Diese kritischen Fragen sind nicht gestellt worden.

Sky Sport: Können Sie sich vorstellen, dass Florian Kohfeldt nach einem Abstieg Trainer bleibt?

Rost: Die Entscheidung wird wahrscheinlich wieder so lange hinausgezögert bis sie irgendwann sagen: Wir können ja jetzt nicht mehr alles ändern. Also bleibt alles beim Alten. Es wird sich nichts ändern, so lange die ganze Show gezahlt wird und alles so weiterläuft wie bisher. Der Mensch empfindet oft eine Veränderung als Bedrohung, das kann man nicht so einfach abstellen. Es wird wahrscheinlich erst eine Veränderung kommen, wenn es kurz vor knapp ist. Das hat man damals bei Borussia Dortmund gesehen. Die standen kurz vor der Insolvenz, dann ist ein Watzke gekommen, hat den Laden aufgeräumt und seitdem läuft es wieder.

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Sky Sport: Beim HSV wurde Dieter Hecking geholt mit dem klaren Ziel aufzusteigen. Was passiert, wenn es wieder nicht klappt?

Rost: Es wäre ähnlich wie bei Kohfeldt in Bremen: Der eine wäre abgestiegen, der andere nicht aufgestiegen. Die Frage ist, wie man es bewertet. Beim HSV würde ich nichts ausschließen. Sie sind vor zwei Jahren abgestiegen und drauf und dran, den Aufstieg wieder zu vergeigen. Wenn man Hecking so sieht, macht der den Eindruck, dass er sich fragt: 'Wo bin ich hier eigentlich reingeraten?' Das kann ich auch ein Stück weit nachvollziehen, weil ich diesen Verein sehr, sehr gut kenne.

Sky Sport: Das Bild, das der HSV nach außen hin abgibt, ist aber doch seit Jahren bekannt.

Rost: Aber viele unterschätzen das. Sie denken an die Weltstadt Hamburg und die vielen Möglichkeiten, aber ich glaube, in den letzten zehn Jahren wurde sehr viel verbrannte Erde hinterlassen. Das fing schon 2010 mit der Findungskommission an und setzte sich mit zahlreichen nicht nachvollziehbaren Entscheidungen fort. Damals hatten Leute das Sagen, die haben mit Fußball so viel zu tun wie eine Kuh mit dem Tanzen. Ich will damit sagen, dass sich der HSV über Jahre erarbeitet, dass man dort steht, wo man jetzt ist. Auch Werder steht zurecht da, nur, dass die Entwicklung in Bremen in einer etwas kürzeren Zeit erfolgte.

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Der Hamburger SV hat den Aufstieg am letzten Spieltag nicht selbst in der Hand. Sky Reporter Jurek Rohrberg nennt mögliche Folgen eines Nicht-Aufstiegs (Dauer: 3:58 Min.).

Sky Sport: Glauben oder hoffen Sie, dass es beide oder zumindest einer der Klubs doch noch schaffen kann?

Rost: Ich habe mir abgewöhnt zu hoffen. Natürlich glaubt man immer an etwas, das braucht der Mensch auch, aber wer hofft, ist blöd. Beide haben es nicht mehr selbst in der Hand. Ich bin der Meinung, wenn Arminia Bielefeld rechnen kann, dann dürfen sie das Spiel gegen Heidenheim nicht gewinnen.

Sky Sport: Glauben Sie, dass ein Verein bewusst so agieren würde?

Rost: Ich heiße das nicht gut und bin natürlich ein Verfechter der sportlichen Fairness. Aber der Fußball ist ein brutales Geschäft. Wenn der HSV nicht aufsteigt, würde es für Bielefeld etwa zwei Millionen Euro mehr an TV-Einnahmen bedeuten. Das ist eine knifflige Situation.

Sky Sport: Werder und der HSV zusammen in der 2. Liga - eigentlich war das nie vorstellbar, oder?

Rost: Bei beiden hat man die 2. Liga lange nicht für möglich gehalten. Bei Werder hat man immer gesagt: 'Wir sind zu gut für die 2. Liga', selbst in diesem Jahr haben auch Spieler gesagt, man werde mit dem Abstieg nichts zu tun haben. HSV-Sportvorstand Jonas Boldt hat gesagt: 'Wer in der Bundesliga nicht auf Zack ist, der wird überholt.' Dem ist nichts hinzuzufügen.

Sky Sport: Sie haben gesagt, es würde sich erst etwas ändern, wenn das Geld nicht mehr so fließt. Wie ist Ihre Meinung zu Investor Kühne?

Rost: Ich finde es absolut furchtbar, dass man einen Kühne kritisiert. Der Profisport lebt von Leuten, die Geld investieren. Was deren Beweggründe sind, sei dahingestellt. Der HSV hat ihn selbst gerufen. Man hätte auch sagen können, man nimmt das Geld nicht. Aber das konnten sie nicht, und jeder will das größte Stück vom Kuchen haben. Man soll lieber froh sein, dass es solche Leute gibt.

"Ich bin froh, dass ich in Bremen, Hamburg und auf Schalke gute Zeiten erlebt habe."
Frank Rost über seine Ex-Klubs

Sky Sport: Auf Schalke gehen die Fans gegen die Vereinsführung auf die Barrikaden, besonders Aufsichtsratschef Clemens Tönnies steht im Fokus der Kritik. Sie kennen ihn aus Ihrer Zeit auf Schalke, wie ist Ihre Meinung zu Tönnies?

Rost: Ich bin froh, dass ich in Bremen, Hamburg und auf Schalke gute Zeiten erlebt habe und nicht solche wie jetzt. Ich persönlich schätze Clemens Tönnies sehr. Er ist ein Selfmademan, der unwahrscheinlich viel erreicht hat, weil er auch unwahrscheinlich fleißig ist. Man kann über Aussagen und Sachen, die er mit zu verantworten hat, streiten. Aber ich persönlich kann nichts Negatives über ihn sagen. Er war mir gegenüber immer korrekt und geradeaus. Ich kann mit solchen Menschen manchmal mehr anfangen als mit solchen, die immer sehr politisch sind. Das kommt nicht bei jedem gut an, ich habe damit keine Probleme. Ich bewerte jeden Menschen so, wie ich ihn kennengelernt habe. Die Situation auf Schalke hat aber am Ende nicht Clemens Tönnies zu verantworten. Wenn man mal die Kosten-Nutzen-Rechnung anstellt, dann hat Herr Tönnies mit seiner Firma mehr gegeben als er genommen hat.

Sky Sport: Die Fans haben, auch in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in seiner Fleischfabrik, gegen Tönnies protestiert mit Plakaten wie "Leitbild leben statt Werte schlachten". Was sagen Sie zur Kritik an Tönnies?

Rost: Ich kann die Proteste akzeptieren, man muss dazu immer die Historie betrachten. Bei Schalke 04 ist es so, dass die Fans auch in den schlechten Zeiten immer zum Verein gehalten haben. Die Verbundenheit mit dem Verein ist sehr extrem, noch stärker als bei anderen Klubs, obwohl ich manches sehr differenziert sehe.

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Sky Reporter Jesco von Eichmann schätzt die aktuellen Proteste der Schalke-Fans ein und erklärt die Kritik an Clemens Tönnies (Dauer: 4:41 Min.).

Sky Sport: Was genau?

Rost: Der Fußball ist sehr kommerziell geworden. Wir können alle sagen, dass wir nur noch Bio und Öko wollen, aber am Wochenende stimmt der Käufer an der Kasse ab, wenn er zum Discounter geht und Billigfleisch kauft. Im Fußball findet die Entscheidung auch irgendwo an der Kasse statt. Wer am erfolgreichsten ist, der hat die meisten Einnahmen. Im Moment ist Schalke 04 nicht erfolgreich und hat immer noch mit vielen Altlasten zu kämpfen, weil sie Vorschüsse auf zukünftige Einnahmen in Anspruch genommen haben. Das belastet einen Verein natürlich. Wenn du keinen sportlichen Erfolg hast musst du aufpassen, dass du nicht in eine Abwärtsspirale gerätst. Und wenn man die Rückserie betrachtet, dann ist das ein Abstiegsplatz.

Sky Sport: Waren Sie überrascht von der sportlichen Talfahrt?

Rost: Ich war verwundert, dass sie nach der starken Hinrunde so eingebrochen sind. Das ist aber auch ein Stück weit typisch Schalke. Die Erwartungen gehen schnell nach oben, da ist vielleicht auch ein Schuss Selbstgefälligkeit dabei. Auch da fehlen Leute, die Druck machen wie schon am Beispiel FC Bayern erklärt.

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Sky Sport: Was muss sich auf Schalke ändern?

Rost: Sie müssen sich Gedanken machen, wie sie den Kompromiss schaffen zwischen sportlichem Erfolg und den Forderungen der Anhängerschaft. Es ist nicht richtig, sich immer mehr abzuschotten. Man muss einen anderen Weg gehen um wieder der Malocher-Verein, der Kumpel-Verein zu sein, der Schalke mal war.

Das Interview führte Thorsten Mesch

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