Fußball: Didi Hamann im Interview über Bundesliga, FC Bayern, Premier League & Sky
Happy Birthday, Didi! Hamann wird 50: "Sky Experte kein Job, sondern eine Ehre"
08.11.2023 | 12:10 Uhr
Champions-League-Sieger, deutscher Meister, englischer Pokalsieger, Vizeweltmeister: Die Karriere von Didi Hamann ist reichlich gespickt mit Highlights, Erfolgen und Kuriositäten. Der Sky Experte feiert heute seinen 50. Geburtstag und lässt im exklusiven Interview sein Leben als Fußball-Profi und TV-Experte Revue passieren.
skysport.de: Herr Hamann, haben Sie anlässlich Ihres besonderen Ehrentages größere Feierlichkeiten geplant?
Didi Hamann: Ich feiere zusammen mit meiner Familie und ein paar Freunden, ein großes Fest ist aber nicht in Planung.
skysport.de: 30 Jahre Fußballbusiness als Spieler und TV-Experte. Welche Momente sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Hamann: Am kuriosesten dürfte meine Einwechslung unter Trapattoni in Frankfurt 1995 gewesen sein. Damals haben wir mit dem FC Bayern 5:2 gewonnen, ab der 73. Minute war ich jedoch der vierte Vertrags-Amateur auf dem Platz, was nicht erlaubt war und weshalb wir am grünen Tisch später 0:3 verloren. Das hat hohe Wellen geschlagen. Unsere Delegation auf der Tribüne wusste damals von der Gefahr, aber die Nachricht kam nicht schnell genug an die Bank. Es hätte jemand Trapattoni Bescheid sagen müssen, ihn trifft keine Schuld. Solche Sachen sollten nicht passieren, aber tun es, was auch irgendwie schön in unserem Geschäft ist.
skysport.de: Können Sie einen schönsten Moment aus Ihrer Karriere herausziehen?
Hamann: Für mich persönlich war der schönste Moment beim Hinspiel des UEFA-Cup-Finales 1996 mit dem FC Bayern gegen Bordeaux. Wir haben im Olympiastadion vor vollem Haus gespielt und Bordeaux mit Zidane, Dugarry und Lizarazu 2:0 geschlagen. Für mich als jungen Spieler mit Selbstzweifeln, ob ich auf dem Niveau mitspielen kann, war da das erste Mal, dass ich mich so richtig als Teil der Mannschaft gefühlt habe. Der schönste Moment sportlich gesehen war das verrückte CL-Finale 2005 und insbesondere der Augenblick, als Dudek den Elfmeter von Shevchenko hält und wir mit Liverpool den Titel sicher haben.
skysport.de: Bei besagtem Finale sind Sie nach der ersten Halbzeit beim Stand von 0:3 eingewechselt worden und haben nach dem Ausgleich im anschließenden Elfmeterschießen Verantwortung übernommen. Wie war das?
Hamann: Würde man wahrnehmen, was um einen herum passiert, wäre man nicht im richtigen Konzentrationsmodus. Ich war mit 31 einer der ältesten Spieler im Kader und habe es als meine Pflicht empfunden, einen Elfmeter zu schießen. Der Trainer hat mich gefragt, ob ich möchte und ich habe "Ja" gesagt. Zwei Minuten später kam er erneut an und meinte, dass ich den ersten schießen werde. Als ich zum Punkt gelaufen bin, war ich angespannt und Dida wurde mit jedem Schritt größer. Ich habe versucht, ruhig zu bleiben, was geklappt hat. Wir haben gegen die stärkste Mannschaft der Welt ein 0:3 im Finale gedreht und unsere unglaubliche Einheit noch mehr gestärkt. So vereint wie wir war keine andere Mannschaft und bis heute haben wir Kontakt.
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skysport.de: Ihr bitterster Moment?
Hamann: Das WM-Finale 2002. Die Wenigsten hatten uns etwas zugetraut, aber wir haben uns Runde für Runde durchgekämpft und sind im Finale auf eine gute, aber nicht unschlagbare Mannschaft aus Brasilien getroffen. Wir hatten beim Stand von 0:0 einen Pfostentreffer und ich selbst eine Riesenchance, aber es sollte nicht sein. Dieses Spiel ist mir noch Wochen und Monate nachgehangen. Die WM kann man nur alle vier Jahre gewinnen und da haben wir eine einmalige Chance verpasst. Das war die größte Enttäuschung für mich, zumal ich beim 0:1 nicht unbeteiligt war. Am Ende gehört aber auch das zum Leben eines Fußballers dazu.
skysport.de: Mit 16 Jahren zum FC Bayern, Profi, eine tolle Karriere. Erzählen Sie mal…
Hamann: Der Erste, der mich geprägt hat, war mein Vater. Er hat mich jahrelang trainiert und mir vieles mitgegeben. Als ich dann zum FC Bayern kam, war Hermann Gerland in der A-Jugend mein Trainer und auch ihm habe ich viel zu verdanken. Ich habe zwei Jahre lang absolute Top-Ausbildung genossen und wurde perfekt vorbereitet, bis ich mit den Profis unter Franz Beckenbauer ins Bayern-Trainingslager reisen durfte. Am Flughafen auf dem Weg zurück, hat mich Beckenbauer zu sich geholt und mir gesagt, dass ich bei ihm bleiben werde.
skysport.de: In Ihrer Karriere sind Sie nach etwas mehr als acht Jahren beim FC Bayern nach Newcastle gewechselt, wie kam es zu dem Wechsel?
Hamann: Wir hatten die besten Spieler bei Bayern, aber waren keine Mannschaft. Es haben sich mehrere kleine Grüppchen gebildet und wir haben nie an einem Strang gezogen. Wir haben einiges gewonnen, aber es wäre deutlich mehr möglich gewesen. Immer wieder standen Sachen aus der Kabine in der Zeitung, was Misstrauen geschürt hat. Eine Mannschaft lebt von Vertrauen und 1998 habe ich für mich den Entschluss gefasst, dass ich bei Bayern meine Fähigkeiten nicht so zur Geltung bringen kann. Newcastle hat am meisten Interesse gezeigt, tolle Spieler gehabt und mich überzeugt.
skysport.de: Es folgte Liverpool, Manchester City und zum Ausklang bei Milton Keynes Dons. 2011 beendeten Sie Ihre Spielerkarriere und versuchten sich als Co-Trainer bei Leicester City und Cheftrainer bei einem Fünftligisten, wieso haben Sie davon abgelassen?
Hamann: Nach meinem Weggang von Liverpool habe ich mich oft mit Rafa Benitez getroffen und da schnell gemerkt, dass seine Denkansätze und die aufkommenden neuen Ideen eine Gabe sind, die ich nicht habe. Wenn ich etwas mache, dann will ich dabei der Beste sein und ich habe gemerkt, dass das im Trainerdasein nicht möglich sein wird. Das Talent hatte ich einfach nicht und da war für mich klar: Als Trainer werde ich nicht alt.
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skysport.de: 2014 wurden Sie Sky Experte - wie kam es zu dazu und was macht Ihnen an dem Job am meisten Spaß?
Hamann: Ich habe für einen irischen Sender die WM 2010 begleitet und war gelegentlich bei Gary Lineker beim "Match of the Day" zu Gast. Dadurch wurde ich bei Sky zwei bis dreimal zur CL eingeladen und erhielt irgendwann die Anfrage, ob ich in der nächsten Saison das Bundesliga-Topspiel im Stadion begleiten möchte. Fußball ist der Sport, den ich liebe und ich bin dankbar, durch den Job weiterhin mit diesem verbunden zu sein und versuche, dem Zuschauer einen Blickwinkel und eine Sichtweise zu geben, die er zuvor nicht hatte. Der Job macht Riesenspaß, wobei ich fast nicht von Job sprechen würde, sondern von einer Ehre.
skysport.de: Sie sind bekannt für Ihre starke und klare Meinung, die auch immer wieder auf Kritik stößt. Wie gehen Sie damit um?
Hamann: Wenn man andere kritisiert, muss man in Kauf nehmen, auch selbst kritisiert zu werden. Bei mir geht es immer um die Sache und nicht um persönliches. Wenn jemand nicht einverstanden ist mit dem, was ich sage, kann er sich gerne melden und dann kann man das diskutieren. Meinungen können unterschiedlich sein, das muss man respektieren und akzeptieren. Alles was ich im Fernsehen sage, würde ich den Spielern auch direkt sagen, ich habe noch nie eine Aussage bereut, auch wenn da natürlich Dinge anders gekommen sind als prognostiziert.
skysport.de: Sie haben Leipzig als Meister getippt. Wie glauben Sie wird die Saison für Bayern nach der Verletzung von Musiala weitergehen?
Hamann: Musiala ist einer der wenigen Spieler, der andere auf engstem Raum ausspielen kann und so neue Situationen erschaffen kann, er wird dem FCB in den nächsten Spielen fehlen. Müller wäre vermutlich der logische Ersatz, ich glaube aber, dass Gnabry spielt. Auf Bayern werden unruhige Wochen und Monate zukommen. Man sieht, wie vereint eine Mannschaft ist, wenn diese eine schwere Phase hat. Im letzten Jahr mussten die Bayern immer wieder Rückschläge hinnehmen, wobei sie regelmäßig zusammengefallen sind. Wie vereint die Mannschaft dieses Jahr ist, wird sich zeigen, aber ich habe da meine Zweifel, dass das eine Einheit ist.
skysport.de: Auch das DFB-Team hat im letzten Winter und den Folge-Monaten einige schwere Phasen durchleben müssen. Haben Sie Hoffnung auf Besserung für die angehende Heim-EM?
Hamann: Im Moment sind wir 3:0 hinten zur Halbzeit wie wir damals im CL-Finale. Ich habe wenige Ansatzpunkte, die mir den Glauben vermitteln, dass wir konkurrenzfähig sind. Es sind noch acht Monate Zeit, allerdings gibt es auch nur noch wenige Spiele, weshalb jetzt was passieren muss und das schnell! Vier bis fünf Mannschaften werden bei der EM besser besetzt sein als wir und dann geht das nur über den Zusammenhalt und die Euphorie im Land. Die Zeiten, als die Deutschen kamen und jeder den Kopf eingezogen hat und Spiele vor lauter Respekt schon vorher verloren wurden, die sind aber lange vorbei.
skysport.de: Ihr Geburtstags-Wunsch an die Bundesliga?
Hamann: Ich würde mir wünschen, dass wir unser Produkt nicht schlechter reden als es ist. Wir haben die größten Zuschauerzahlen in der Bundesliga und wenn Spieler wie Haaland, Sancho oder Bellingham für wenig Geld kommen und dann für 100 Millionen Euro gehen, ist das nicht das schlechteste Konzept. Ich kann das Wort "Ausbildungsliga" nicht mehr hören. Es ist einfach so, dass unter anderem England deutlich mehr finanzielle Mittel hat, das müssen wir zur Kenntnis nehmen und es liegt an der UEFA, das zu reglementieren. Wir haben ein wunderbares Produkt und sollten uns nicht kleiner reden als wir sind.
Das Interview führte Florian Hartmann
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