Fußball: Nadine Keßler über CL-Finale, DFB-Frauen, TV-Rechte & WM
TV-Blackout bei Frauen-WM? Keßler: "Kompromiss muss gefunden werden"
03.06.2023 | 09:33 Uhr
Nadine Keßler gewann als Spielerin dreimal die Champions League, wurde 2013 Europameisterin mit der DFB-Auswahl sowie 2014 Europas Fußballerin des Jahres und Weltfußballerin. Heute ist die gebürtige Pfälzerin bei der UEFA für den Frauenfußball zuständig.
Im exklusiven Interview mit skysport.de spricht Keßler über das Finale der Women's Champions League zwischen Barcelona und Wolfsburg (Samstag ab 16 Uhr im Liveticker bei Sky) und die Entwicklung des Frauenfußballs. Zudem blickt die 35-Jährige auf die anstehende WM in Australien und Neuseeland voraus. Auch zum drohenden TV-Blackout hat Keßler eine klare Meinung.
skysport.de: Frau Keßler, Sie haben die Frauen-Champions-League dreimal gewonnen. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Wettbewerb?
Nadine Keßler: Das ist schon ein paar Jahre her, aber solche Erlebnisse bleiben für immer. Das ist ein ganz besonderer Wettbewerb. Ein Finale ist ein prägender Moment. So wird es auch allen Beteiligten gehen, die am Samstag mit dabei sein werden. Die Champions League ist der entscheidende Grund, wieso Spielerinnen in Europa sind. Für mich war es auch immer der größte Traum, die Champions League zu gewinnen. Alle drei Titel waren besonders auf ihre Art und Weise.
skysport.de: Treffen mit dem FC Barcelona und dem VfL Wolfsburg nun die zwei besten Teams im Finale aufeinander?
Keßler: Ja, absolut. Das sind die zwei besten Mannschaften in dieser Saison, die sich das Finale durch ihre Leistungen verdient haben. Barcelona und Wolfsburg gehören in den letzten Jahren konstant zu den Top-Teams. Beide Klubs arbeiten sehr professionell.
"Vergleiche mit den Männern gehören der Vergangenheit an"
skysport.de: Sie sind bei der UEFA für den Frauenfußball zuständig. Wie sieht Ihr Alltag aus?
Keßler: Ich bin verantwortlich für alle UEFA-Frauen-Wettbewerbe, die es im Frauenfußball gibt. Dazu gehören die Champions League, die Europameisterschaft und alle Jugendwettbewerbe. Außerdem bin ich verantwortlich für die Entwicklung des Frauenfußballs.
skysport.de: Sie haben die Champions League der Frauen komplett revolutioniert. Welche Schritte haben Sie da eingeleitet?
Keßler: Die Champions League wurde vor zwei Jahren mit einer Vielfalt von Veränderungen von A bis Z auf den Kopf gestellt. Das Format wurde genau wie die Zugangsliste für die teilnehmenden Klubs und Länder verändert. Die kommerziellen Rechte wurden unter der UEFA zentralisiert. Damit konnten wir zum ersten Mal globale Sichtbarkeit für den Wettbewerb erzeugen. Das hatte zur Folge, dass wir viel größere Gelder an die Klubs ausschütten konnten. Entscheidend war auch, dass wir dem Wettbewerb einen neuen Look verpasst haben. Ganz wichtig war auch die Zusammenarbeit mit den Klubs, damit Spiele besser terminiert werden können und an welchen Orten diese Spiele stattfinden. Das hat auch dazu geführt, dass mit dem Finale am Samstag 680 000 Menschen in dieser Saison in den Stadien waren. Die Frauen-Champions-League ist der beste Frauen-Team-Wettbewerb der Welt.
skysport.de: Wäre es vermessen zu sagen, in ein paar Jahren möchte man mit der Frauen-Champions-League auf einem Level mit der Champions League der Männer agieren?
Keßler: Ich glaube, die Zeit, in der wir uns ständig mit den Männern vergleichen müssen, gehört der Vergangenheit an. Wir müssen unsere eigenen Ziele setzen. Der Frauenfußball ist in einer anderen Entwicklungsstufe als der Männerbereich. Der Männerfußball wurde vor 30 Jahren kommerzialisiert. Wir sind gerade am Anfang. Wir wollen uns höchstmögliche Ziele stecken, dass wir als Gesamtfußball und neben dem Männerfußball weiterwachsen.
skysport.de: Der Frauenfußball hat in den vergangenen Monaten stetig Fortschritte gemacht. Wie zufrieden sind Sie aktuell mit der Entwicklung?
Keßler: Wir sind gerade an einem Punkt, wo wir alle selbstbewusster werden können. Die Entwicklung ist toll. Das Finale in Eindhoven war vier Wochen im Vorfeld ausverkauft. Es freut uns sehr, dass die Spiele auf so eine große Nachfrage treffen.
skysport.de: Wo steht die Frauen-Bundesliga aus Ihrer Sicht im internationalen Vergleich?
Keßler: Ich möchte da gar nicht zu sehr auf andere Länder schauen. Nach der EM hatte die Bundesliga über 100 Prozent Zuschauerzuwachs, es wurden gute TV-Verträge abgeschlossen und globale Sponsoren gewonnen. Die Klubs stehen dahinter. Es gibt einen konkreten Plan, die Frauen-Bundesliga weiter zu professionalisieren. Wir sehen jetzt schon deutliche Veränderungen im Vergleich zum letzten Jahr. Das ist sehr erfreulich. Wichtig ist letztlich, dass alle Spielerinnen und Trainer professionell arbeiten können. Man muss aber weiter an der Nachhaltigkeit arbeiten. Das Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden, nur weil es aktuell in die richtige Richtung geht.
"Frauenfußball hat einen Preis hat, den es zu bezahlen gilt"
skysport.de: Dem FC Bayern ist mit den Transfers von Pernille Harder und Magdalena Eriksson ein Coup gelungen. Sind die Münchner auch bei den Frauen auf dem Weg zum dominierenden Klub?
Keßler: Der FC Bayern wurde Meister, Wolfsburg hat den DFB-Pokal gewonnen und steht jetzt im Finale. Ich sehe nicht, dass der FC Bayern alleine vorneweg rennt. Ich sehe sehr viele gute Klubs.
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skysport.de: Wenige Wochen vor der WM in Australien und Neuseeland sind die Übertragungsrechte in Deutschland noch offen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Keßler: Wir als UEFA sind in diesen Gesprächen nicht involviert. Klar ist aber, dass ein Kompromiss gefunden werden muss. Alle Beteiligten müssen ihren Anteil dazu beitragen, dass der Sport weiter wächst. Jeder muss sich bewusst sein, dass der Frauenfußball auch einen Preis hat, den es zu bezahlen gilt. Im Moment ist immer noch das allerwichtigste, regelmäßige Sichtbarkeit zu haben. Ich bin nach wie vor guter Dinge, dass noch eine Lösung gefunden wird.
skysport.de: Was trauen Sie den DFB-Frauen bei der WM zu?
Keßler: Die Reise kann bis ins Finale gehen. Deutschland gehört zu den Titel-Favoriten. Es gibt natürlich auch noch andere Mannschaften, die da ein Wörtchen mitreden, aber nach den letzten Eindrücken bei der EM, glaube ich, dass Deutschland bei vielen ganz oben auf der Favoritenliste steht.
Das Interview führte Fabian Schreiner.
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