Hamann: Sehe beim BVB kein Limit
"Hamanns Top 3" - Die Kolumne des Sky Experten
04.11.2018 | 23:45 Uhr
In seiner Kolumne "Hamanns Top 3" spricht der Sky Experte über die Leistungen der deutschen Champions-League-Teilnehmer. Der BVB erntet besonderes Lob.
TOP 1: Hut ab, Dortmund!
Wie ich bereits gesagt habe: aus Jungs wurden gegen Atletico Madrid richtige Männer. Die eine Sache ist, wenn Außenstehende sagen, dass es eine gute Mannschaft ist und alle aktuell so toll Fußball spielen. Aber es ist etwas anderes, wenn der Punkt erreicht ist, dass alle in der Mannschaft so etwas glauben. Und ich bin mir sicher, dass ist seit dem Abpfiff gegen die Mannschaft aus der spanischen Hauptstadt der Fall. Seit Simeone dort Trainer ist, hat es keine Mannschaft geschafft, so ein hohes, verdientes und deutliches Ergebnis herauszuspielen.
Dortmund ist unglaublich "on fire" und sie müssen diesen großartigen Trend ausnutzen und sich in der Liga ein Polster anfressen, denn das wird natürlich nicht immer so weiter gehen. Unfassbar ist die Statistik, die besagt, dass in der letzten Saison Bayern und Leipzig mit zehn Joker-Toren die erfolgreichsten in dieser Kategorie waren. Dortmund lag mit drei Toren in dieser Statistik auf Rang 17!
Aktuell hat Borussia Dortmund unter Lucien Favre nach acht Spieltagen bereits zehn erfolgreiche Einwechsel-Spieler zu vermelden. Und da kommen garantiert im Laufe der Saison noch zehn obendrauf. Atletico ist für mich trotz der klaren Niederlage in Dortmund einer der Favoriten auf die Champions League. Soweit möchte ich beim BVB noch nicht gehen, aber ich sehe auch kein Limit bei diesen begeisternd aufspielenden Schwarz-Gelben Jungs.
Da passt wirklich alles. Jetzt mögen einige sagen, dass der Sieg noch höher zu bewerten ist, zumal Paco Alcacer nicht von der Partie war. Ich bin (noch) etwas vorsichtig mit den Jubel-Arien auf den Spanier. Es ist nicht dasselbe, nach 60 Minuten eingewechselt zu werden, wenn bereits die Hälfte der Spieler auf dem Feld müde ist, um dann Tore zu machen, als von Beginn an zu spielen und mit dem Druck in die Partie zu gehen, treffen zu müssen, weil man ja schließlich 90 Minuten Zeit hat. Das muss er noch beweisen. Aber es ist zweifelsohne bisher ein Top-Transfer. Er war allerdings auch in Barcelona und Valencia öfter verletzt und hat dort nicht so eingeschlagen, wie es die heutige Form vermuten lässt.
Kann den Dortmundern aber egal sein, solange er dort so weiter macht wie bisher. Eine wunderbare Nachricht war auch die Performance von Mario Götze. Er hat kein überragendes, aber doch ein sehr feines Spiel abgeliefert. Das war vielleicht die schönste Story dieser magischen europäischen Nacht gegen Madrid. Einfach schön zu sehen, dass er es natürlich nicht verlernt hat. Dass er mit seinem feinen rechten Fuß dem Kunstwerk im Signal-Iduna Park den letzten Pinselstrich verpasst hat und in beide Richtungen Akzente gesetzt hat. BVB aktuell? Einfach! Nur! Wow!
TOP 2: Vorsicht, Bayern!
Dass die Bayern in Athen spielerisch noch nicht zu einhundert Prozent überzeugt haben, weiß natürlich auch Niko Kovac. Selbst wenn er das nach dem Spiel so gesagt hat. Aber Auswärtssiege in der Champions League sind keine Selbstverständlichkeit. Schlechter Rasen, extrem laute Fans, Druck auf dem Kessel. Da muss man erst mal 2:0 gewinnen. Mund abputzen, weiter geht es.
Den Bayern fehlt - und das kann man nicht oft genug sagen: Tempo, Geschwindigkeit oder einfach nur Kingsley Coman. Den vermissen sie an allen Ecken und Kanten. Karl-Heinz Rummenigge hatte sich auf der legendären Pressekonferenz auch darüber beschwert, dass man die beiden ins Alter gekommenen Kult-Spieler Arjen Robben und Franck Ribéry nicht genügend würdigt und die Alters-Diskussion angprangert. Es ist keine Kritik an den Spielern, sondern an der Vereins-Politik. Welcher europäische Spitzen-Verein hat Flügelspieler in diesem Alter?
Beide machen es immer noch sehr gut. Aber es ist für sie unmöglich in Sachen Geschwindigkeit mit zehn Jahren jüngeren mitzuhalten. Und auch ein James kann seine ganze Klasse nur zeigen, wenn er Platz hat und den müssen andere für ihn "aufreißen". Ich sehe aktuell nur Serge Gnabry der dazu in der Lage ist. Bei ihm muss man abwarten, ob und wie lange er fit bleibt und wie ob er sich im Team wirklich festbeißt.
Bei Bayern läuft es noch immer nicht so wie gewünscht und am 10.11. kommt es zum Spitzenspiel in Dortmund. Die Bayern müssen alles dafür tun, um nicht mit fünf, sechs Punkten Rückstand traurig unterm Weihnachtsbaum zu sitzen. Ich glaube nicht, dass das Spiel in Mainz ein Selbstläufer ist. Die 05er werden mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben, dort ist es immer ungemütlich für den Gegner. Und bis zum Spiel in Gladbach haben sie nur vier Tore kassiert. Sie haben einige gute Spieler dazubekommen. Vorsicht, Bayern.
TOP 3: Schalke muss sich belohnen
Wenn sich die Mannschaft von Domenico Tedesco nicht endlich mal mit Toren und ein paar Siegen in Folge belohnt, wird das gelinde gesagt keine gute Saison. Embolo, der wirklich viel Potenzial hat, vergibt in Istanbul Chancen am Fließband. Irgendwann verliert man das letzte bisschen Selbstbewusstsein und trifft gar nicht mehr. Dann muss man Unvermögen konstatieren. Natürlich müssen die Schalker einen Elfmeter bekommen, aber genauso müssen sie eine von den gefühlt hundert Chancen auch machen.
Das größte Fragezeichen steht für mich hinter der Personalie Sebastian Rudy. Es war ihr Königstransfer, sie haben tief in die Tasche gegriffen und dann muss man ihm auch das Vertrauen geben. Es war zu hören, er sei nicht komplett fit. Da frage ich mich: Wenn jemand Ende Oktober nicht in der perfekten Verfassung ist, bei einem Betreuer-Stab der sich um alles kümmert, wann soll ein Spieler dann fit sein.
Hat man ihn zu Saisonstart zu schnell aufgestellt? Ich kann mich an sein erstes Spiel gegen Berlin erinnern (2. Spieltag), bei dem er in der 51. Minute nach einer Handvoll Ballkontakten ausgewechselt wurde. Kam der Einsatz zu früh? Wenn ich schon so viel Geld in die Hand nehme und mich lange und gegen andere Klubs um ihn bemühe, dann muss er auch das totale Vertrauen genießen und das Spiel sollte mindestens teilweise auf ihn zugeschnitten sein.
Die Stürmer werden nicht richtig in Szene gesetzt, damit wächst der Druck auf die Defensive wenn die wenigen Chancen nicht verwertet werden und umgekehrt steigt der Druck auf die Vorderen, wenn das Team hinten viel anfälliger ist als noch in der letzten Saison. Bei den Standards sind sie nicht annähernd so effektiv wie letztes Jahr, dafür umso anfälliger bei ruhenden Bällen des Gegners.
Schwierig ist es in dieser Mannschaft auch für Mark Uth. Er kommt von der spielstarken TSG aus Hoffenheim zu einer eher defensiv strukturierten Schalker Mannschaft. Ob Serdar eine Verstärkung ist, wage ich noch zu bezweifeln. Sane war ein guter Kauf, funktioniert aber noch nicht perfekt im Zusammenspiel mit Naldo. Tedesco und Heidel haben nach einer tollen Saison, nun eine Menge Baustellen. Und die sollten langsam aber sicher behoben werden, bevor der ungemütliche Winter kommt und es auf Baustellen zu dieser Jahreszeit noch rauer wird also ohnehin.
