Sky exklusiv || Badstuber: Nagelsmann-Rückkehr? "Nicht nachvollziehbar"
16.04.2024 | 15:34 Uhr
Vor dem Champions-League-Rückspiel zwischen dem FC Bayern und Arsenal analysiert Holger Badstuber im Interview mit skysport.de die aktuelle Lage beim deutschen Rekordmeister. Eine Rückkehr von Julian Nagelsmann schon in diesem Sommer sieht der Ex-Bayern-Star kritisch.
skysport.de: Herr Badstuber, beim FC Bayern haben Sie mit Xabi Alonso noch zusammengespielt, nun hat er Leverkusen zur historischen Meisterschaft geführt. Ist Bayer mit Alonso auch in der kommenden Saison Meister-Favorit?
Holger Badstuber: Bayern bleibt die Nummer eins in Deutschland. Da das Konstrukt in Leverkusen aber im Sommer zusammenbleibt, kann ich mir schon vorstellen, dass Leverkusen wieder eine gute Saison spielen wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie in dieser Saison das Double holen werden und vielleicht sogar noch mehr. Leverkusen hat etwas aufgebaut, dass nicht nur ein "One-Hit-Wonder" ist, sondern auch Zukunft hat.
skysport.de: Glauben Sie, dass man sich beim FC Bayern Sorgen macht, dass der Nummer-eins-Status ins Bröckeln gerät?
Badstuber: Bayern muss jetzt wieder seine Hausaufgaben machen, eine klare Struktur, einen klaren Plan in den Verein bekommen. Das war in den letzten Jahren nicht der Fall. In den letzten zwei, drei Jahren gab es ständige Wechsel von oben in der Klubführung über den Trainer bis zur Mannschaft. Es benötigt eine Strategie, die nachhaltig ist und auch die Fans mitnimmt und Identifikation ausstrahlt.
skysport.de: Vielen Spieler soll auch eine gewisse Sättigung nachgesagt werden. Gehen Sie da mit oder sind das nur Ausreden?
Badstuber: Das ist individuell zu betrachten. Bei einem Manuel Neuer oder Thomas Müller sehe ich das nicht. In den letzten Jahren sind viele junge Spieler hinzugekommen, die noch nicht diese vielen Titel gewonnen haben. Die sind sicherlich noch nicht gesättigt. Daher lasse ich das auch nicht gelten. Es kam hin und wieder aber schon so rüber, dass der unbedingte Hunger, der absolute Wille, nicht so vorhanden ist, wie es sein muss. Daher kommt so eine Saison auch zustande. Auf der anderen Seite ist es nun auch eine Chance für den Verein, in den nächsten Jahren wieder etwas entstehen zu lassen.
skysport.de: Im Sommer wird es einen Umbruch geben. Wie muss dieser Ihrer Ansicht nach aussehen?
Badstuber: Ich sehe hier immer die Klubführung. Sie hat zuletzt viele neue Leute hinzubekommen. Sie muss sich finden, da muss eine klare Hierarchie vorhanden sein. Es muss alles zum Wohle des Vereins getan werden. Jetzt geht es darum, einen neuen Trainer zu finden, der versteht, was Bayern München bedeutet und die Ausstrahlung und Vita hat, Bayern führen zu können. Bayern muss Spielertypen in den Verein holen, die nicht nur Bayern München in ihrer Vita stehen haben, sondern alles für den Verein tun wollen. Es geht nicht nur um die Qualität, sondern vor allem auch um die Persönlichkeit. Momentan ist keine Harmonie auf dem Platz zu spüren. Da geht es aktuell nicht harmonisch zu. Das ist alles keine einfache Aufgabe für die Verantwortlichen, daher muss man da auch demütig an die Sache herangehen, da Bayern im Moment nicht mehr die Strahlkraft hat, die sie schon mal hatten. Da bekommt man vielleicht nicht mehr den Spieler, den man unbedingt haben wollte. Max Eberl muss nun auch beweisen, dass er dieses neue Konstrukt in die richtige Richtung lenken kann.
skysport.de: Wie sehen Sie die aktuelle Situation bei Alphonso Davies, der seit Wochen seiner Form hinterherhinkt, aber dennoch einen neuen Vertrag mit einem Gesamtpaket von bis zu 20 Millionen Euro jährlich verlangt?
Badstuber: Bei Bayern ist im Gehaltsgefüge etwas durcheinander geraten. Dass ein Spieler wie Davies, der stagniert, so viel fordert, ist untypisch. Bayern hat ihm ja auch die Chance geboten, sich diesen Status zu erarbeiten. Da würde ich mir dann auch wünschen, dass sich so ein Spieler auch mal zu Bayern bekennt. Das hat er bisher nicht getan. Es liegt auf der Hand, dass er mit anderen Vereinen liebäugelt, dass er weiterziehen möchte.
skysport.de: Auch Joshua Kimmich hat sich noch nicht zu 100 Prozent zu Bayern committed. Er wolle erst noch abwarten, wer den FC Bayern im Sommer trainieren werde.
Badstuber: Ich bekenne mich doch nicht zum Trainer, sondern zum Verein. Am Ende geht es um Leistung. Wenn man diese bringt, spielt man auch.
skysport.de: Ein großes Thema an der Säbener Straße sind die vielen Verletzungen. Nur Pech? Oder steckt mehr dahinter?
Badstuber: Bayern München muss diesbezüglich alles hinterfragen, was läuft falsch, welche Mechanismen greifen nicht, was ist das Feedback der Spieler. Die Weichen für die Physis der Spieler setzt man nach meiner Erfahrung in der Vorbereitung.
skysport.de: Sprechen wir über den Trainer. Könnte es bei einem Aus gegen Arsenal zu einer vorzeitigen Trennung von Thomas Tuchel kommen?
Badstuber: Nein, das glaube ich nicht. Wichtig wird dann noch sein, den direkten Champions-League-Platz zu behalten. Das liegt allein an der Mannschaft.
skysport.de: Und was wäre eigentlich, wenn Tuchel jetzt noch die Champions League gewinnen würde?
Badstuber: Rein objektiv ist die Chance, dass Bayern in dieser Saison die Champions League gewinnt, nicht die wahrscheinlichste. Falls es aber doch so kommen sollte, könnte Thomas Tuchel den FC Bayern im Sommer mit erhobenen Hauptes verlassen.
skysport.de: Favorit auf den Posten im Sommer ist Julian Nagelsmann. Sie sehen das kritisch?
Badstuber: Die Art und Weise der Kommunikation war von beiden Seiten bei der damaligen Trennung nicht gerade professionell. Der Gedanke, dass Nagelsmann nach 15 Monaten wieder kommen soll, wäre für mich zu früh und nicht nachvollziehbar.
skysport.de: Wie wäre es vielleicht mit einem Antonio Conte?
Badstuber: Das ist ein Trainer mit einem ganz hohen Standing. Zu Bayern muss nun ein Trainer kommen, der anders denkt, der etwas aufbauen möchte, der eine Gewinner-Mentalität reinbringen will und die Spieler, die sich zurzeit zu sicher sind, auch wieder von einer anderen Richtung her fordert. Die Defensive ist der Baustein für erfolgreiche Saisons und Bayern agiert hier zu inkonstant. Mir würde es gefallen, wenn ein Trainer kommt, der der Mannschaft das Verteidigen wieder lehrt. Italienische Trainer können das. Das ist Fakt. Bayern hat im Moment aber möglicherweise nicht die Strahlkraft für solche Top-Trainer.
skysport.de: Werfen wir einen Blick auf den Mittwochabend. Schaffen es die Bayern gegen Arsenal weiterzukommen?
Badstuber: Man wird sehen, wie sie jetzt die erneuten Ausfälle kompensieren können. Ich glaube schon, dass das geht. Arsenal hat in der Champions League schon lange nicht mehr ein Viertelfinale bestritten, zusätzlich können sie sich in der Premier League aktuell nicht schonen. Die Champions League ist auch immer von der Tagesform abhängig, Bayern München spielt zuhause. Champions-League-Nächte sind besondere Nächte, vor allem mit den eigenen Fans im Rücken. Ich sehe klar den Vorteil bei Bayern.
skysport.de: Wie steht's zurzeit um Ihre persönliche Zukunft? Sie hatten in der Vergangenheit angekündigt, in der Bundesliga trainieren zu wollen.
Badstuber: Ich habe die Jugendlizenz, momentan bin ich bei der UEFA und bilde mich dort weiter. Trainer zu sein ist sicherlich eine Option, lasse mir aber auch andere Möglichkeiten offen.
skysport.de: Hat der FC Bayern mal bei Ihnen angefragt bezüglich einer Tätigkeit im Verein? Möglicherweise in der Jugend?
Badstuber: Nein, da gab es noch keinen Kontakt. Mal sehen, was in der Zukunft passiert. Ich bin für alles offen.
Das Interview führte Fabian Schreiner.
Alle weiteren wichtigen Nachrichten aus der Sportwelt gibt es im News Update nachzulesen.