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Spielerberater Raiola ist der perfekte Filmschurke

Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta*

Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta
Image: Reingegrätscht - die Kolumne von Kai Psotta  © Sky

Wieder mal ist Spielerberater Mino Raiola in den Schlagzeilen. Dieses Mal wegen des italienischen Torwarttalents Gianluigi Donnarumma, dem er einen Vertrag mit unglaublichen Klauseln beschert haben soll. Unser Kolumnist Kai Psotta hat beim italienischen Agenten mal die Grätsche ausgepackt.

Ich liebe Filmschurken! Die genial-gerissenen, nicht die brutalen! Solche wie Clive Owen in "Inside Man", der in der Rolle als Dalton Russell versuchte, den perfekten Bankraub zu begehen. Er mimt einen Charakter, der mich fasziniert. Gut ist vor allem, dass Owen nach dem letzten „Cut" wieder ein normaler Mensch mit Moral und Gerechtigkeitssinn (hoffe ich zumindest) wird.

Mino Raiola zieht auf dem internationalen Transfermarkt die Fäden
Image: Mino Raiola zieht auf dem internationalen Transfermarkt die Fäden  © Getty

Wäre der Fußball-Spielerberater Mino Raiola eine Filmfigur, würde ich ihn auch lieben. Dann würde ich dem Drehbuchautoren, der seine Lebensgeschichte erfunden hat begeistert zuklatschen. Dann würde ich Raiola dafür bewundern, dass es ihm gelingt, für einen Transfer dreimal abzukassieren: Zum Beispiel bei Paul Pogba. Vom abgebenden Verein Juventus Turin 27 Millionen der 105 Millionen Gesamtsumme. Von Manchester United eine Honorarzahlung in Höhe von insgesamt 19,4 Millionen Euro. Und von Pogba selbst 2,6 Millionen. Dann würde ich verzückt mit der Zunge schnalzen und in meinem Fernsehsessel rufen: "Ihr Trottel habt es nicht anders verdient, wenn ihr alle so blöd seid und ihm die Millionen in den Rachen schmeißt."

Ferguson über Raiola: "Scheiss-Kerl"

Nun ist Mino Raiola aber keine Filmfigur. Mino Raiola ist real. Und die Geschichte des Spielerberaters ist keiner Autoren-Feder entsprungen.

Wenn man ihn nicht kennt, könnte man ihn auch für einen Eisverkäufer halten, der nur allzu gerne aus seiner eigenen Truhe probiert. Man unterschätzt den 49-Jährigen. Wegen seines Auftretens, wegen seines schwerfälligen Schrittes und des kugelrunden Bauchs. Dass er 7 Sprachen spricht, würden wahrscheinlich die wenigsten vermuten. Ebenso wenig wie seine Fähigkeit, sich rhetorisch brillant auszudrücken, wenn er denn will.

Sir Alex Ferguson - Manchesters Trainer-Legende - hat Raiola ganz aktuell als "Scheiss-Kerl" bezeichnet.

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Nicht die erste Attacke. Bereits in seiner Autobiograhie schrieb Ferguson: "Es gibt zwei Arten von Agenten, die ich nicht leiden kann. Einer davon ist Mino Raiola."

Aurelio De Laurentis, ein italienischer Filmproduzent und Präsident vom SSC Neapel, bezeichnete ihn einmal als "schreckliche Nervensäge". Nachvollziehbar, angesichts der Millionen, die er von den Klubs kassiert. Und angesichts seiner Gerissenheit am Verhandlungstisch.

Ibrahimovic sieht Raiola als "Genie", "wunderbaren, dicken Idioten"

Seine Klienten allerdings lieben ihn dafür. Zlatan Ibrahimović bezeichnete Raiola als "Genie" und als einen "wunderbaren, dicken Idioten", was er als Kompliment meinte. "Ich rufe Mino wegen allem und jedem an. Wir planen die smarten und weniger feinen Tricks immer zusammen. Mino ist meine Schutzmauer. Er ist ein Fuchs. Er kennt alle Tricks."

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Tatsächlich hat Ibrahimović Raiola einiges zu verdanken. Als der Schwede ein junger Kerl war und sich erstmals mit dem Agenten traf, fuhr Ibrahimović mit einem protzigen Porsche vor, in einer Lederjacke von Gucci und mit Golduhr am Handgelenk. "Glaubst du, du kannst mir imponieren mit deiner Uhr, deiner Jacke und deinem Porsche?", fragte Raiola und antworte auf seine eigene Frage: "Nicht im Geringsten. Ich finde das nur lächerlich." Dann forderte der Agent ihn auf, seine Autos und Uhren zu verkaufen. "Du solltest anfangen, dreimal so hart zu trainieren. Du bist nicht der Beste. Du bist scheiße. Du bist niemand. Du musst härter arbeiten. Denn deine Statistik ist der Dreck."Er hat großen Anteil an der Karriere von Ibrahimović.

Auch Mark Van Bommel vertraut Raiola

Und auch Mark van Bommel steht zu 100 Prozent hinter Raiola. Ich habe mit Mark mehrfach über den Agenten gesprochen, der ihn damals von Bayern zum AC Mailand gebracht hat und ihn bis heute berät. Er war stets voller Begeisterung und Vertrauen für Raiola. Er überdenke, sagte mir Mark, immer alles sehr gut. Und er schütze seine Spieler. Und denke nicht nur an Transfers.

In einem seiner seltenen Interviews hat Raiola gegenüber Charlotte Schneider für 11 Freunde einige nette Sachen gesagt.

"Meine Spieler sind das Zentrum, um das ich kreise", hat er behauptet. Und auch: „Ein guter Berater ist viel mehr als ein Vermittler in Vertragsverhandlungen. Ich löse die Probleme meiner Klienten, wie es ein Vater täte." Das deckt sich mit dem, was mir Mark von ihm erzählt hat. Auch wenn es angesichts der Enthüllungen der Spiegel-Journalisten Rafael Buschmann und Michael Wulzinger in "Football Leaks" nur sehr schwer zu glauben ist. Raiola behauptete auch: "Um ehrlich zu sein, ist mir Geld schon lange ziemlich egal." Warum aber kassierte er dann im Sommer 2016 für Pogbas Wechsel von Turin eine Beteiligung in Höhe von insgesamt 49 Millionen Euro für einen Deal?

"Führ mich zum Schotter"

Raiolas Lieblingsfilm heißt "Jerry Maguire - Spiel des Lebens". Tom Cruise spielt einen Sportmanager, der sich gegen die mangelnde Menschlichkeit in dieser Branche auflehnt. Sein Klient Rod Tidwell, gespielt von Cuba Gooding junior, fordert trotzdem von ihm: "Führ mich zum Schotter." Und Maguire führt ihn mit Menschlichkeit am Ende tatsächlich zum Schotter.

Glaubt man der "Gazzetta dello Sport" hat Raiola dem 18-jährigen Donnarumma nun eine vorzeitige Vertragsverlängerung beim AC Mailand beschert, also einen bis 2022 datierten Vertrag mit einem jährlichen Netto-Salär von 6 Millionen Euro. Zudem hat Raiola Milan eine Ausstiegsklausel diktiert, die es Donnarumma bei einem Angebot in Höhe von 100 Millionen Euro ermöglicht, den Klub zu verlassen. Sollte der Klub nicht in der Königsklasse antreten, verringert sich die Klausel angeblich um die Hälfte - dann dürfte der Torwart den Verein für 50 Mio. Euro verlassen.

Raiola hat alle seine Klienten reich gemacht. Aber auch sich selbst. Mit einer Art und Weise, die vorsichtig gesagt, im realen Leben grenzwertig ist, sehr unappetitlich. Sich von allen Seiten die Kohle zu holen, gefährdet meines Erachtens sogar den Fußball.

Ewig lange SMS - Raiolas Antwort: "Maybe"

Ich weiß nicht, was ich von dem echten Menschen Raiola halten soll. Von dem Berater, der Liverpool-Trainer Jürgen Klopp wegen Mario Balotelli als „Scheiß-Kerl" beschimpfte, weil Raiola meinte, mit seinem Schützling würde nicht angemessen umgegangen. Der Dortmund in Sachen Henrikh Mkhitaryan die Pistole auf die Brust setzte.

Gestern Nacht habe ich ihm eine SMS geschickt. Ich habe ihm geschrieben, dass ich ihn gerne interviewen würde. Ich hätte hunderte Fragen. Würde ihm gerne in die Augen schauen, wenn er redet. Meine SMS war ewig lang. Seine Antwort hatte nur ein Wort. "Maybe", also "vielleicht".


*Diskutieren Sie mit Kai Psotta unter Twitter: @KPsotta und #reingegraetscht oder schreiben Sie an kai.psotta@sky.de.
Kai Psotta arbeitet seit Januar 2017 bei Sky. Zuvor berichtete er sieben Jahre bei BILD über den FC Bayern. Psotta veröffentlichte sieben Bücher, unter anderem „Die Paten der Liga", ein Insiderbuch über die Geschäfte von Spielerberatern. Zuletzt war er mit der Autobiographie von Mesut Özil („Die Magie des Spiels) wochenlang in der Spiegel-Bestseller-Liste. Am 1. Juni erschien sein neuestes Werk „Mythos Real Madrid" (Plassen Verlag)

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