Matthäus: Platzverweis für Dahoud war "Kindergarten"!
29.09.2021 | 14:25 Uhr
Sky Experte Lothar Matthäus schreibt in seiner Kolumne "So sehe ich das" über die viel diskutierte gelb-rote Karte gegen Mahmoud Dahoud sowie die Leistung der Dortmunder gegen Gladbach. Außerdem befasst sich der Rekordnationalspieler mit der Krise der Hertha und der Situation von Trainer Pal Dardai.
Die gelb-rote Karte für das Abwinken von Mo Dahoud? Kindergarten! Natürlich hätte der Dortmunder etwas cleverer agieren und die Geste gegenüber Schiedsrichter Deniz Aytekin weglassen können. Aber das war weder respektlos noch total sportlich und hat für mich in keinster Weise diese harte Konsequenz verdient.
Aytekin ist einer der besten Schiedsrichter, den wir in Deutschland haben und eigentlich gerade für sein Fingerspitzengefühl und den richtigen Riecher in der jeweiligen Situation bekannt. Dieses Mal hat er sich aber getäuscht. Sowohl seine nachträgliche Erklärung, als auch das Vorgehen auf dem Platz haben mich nicht überzeugt. Ich weiß nicht, ob er in dem Moment vergessen hatte, dass Dahoud bereits verwarnt war oder ihn andere Dinge abgelenkt haben.
Ich bin mir sicher, dass er im Nachhinein anders entscheiden würde. Und nur weil der Unparteiische in einer vorherigen Szene einem anderen Spieler erklärt hat, dass er das Abwinken unterlassen möchte, kann er in einer ganz andere Szene einen Spieler nicht so hart bestrafen. Vor allem nicht in so einem Spiel, mit so einer Brisanz. Da erwarte ich etwas anderes.
Ich selbst bin in Italien bei Inter Mailand in den achtziger Jahren ein oder zweimal wegen Abwinkens mit glatt Rot vom Platz gestellt worden. In Italien konnte man Treten, Faulen und wirklich hart zur Sache gehen, das haben die Schiedsrichter durchgehen lassen, aber das Reklamieren mochten sie überhaupt nicht. Heute ist das anders. Ich sehe kaum mehr italienische Schiedsrichter, die so zimperlich auf eine Alltagsgeste reagieren. Ein bisschen Emotion darf ja wohl noch sein, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt.
Klar ist: die Bundesliga und vor allem Borussia Dortmund werden jetzt darauf achten, wie die Schiedsrichter und allen voran Aytekin beim nächsten Abwinken reagieren. Wenn er konsequent ist, könnte es in Zukunft viele gelbe Karten in Spielen dieses Unparteiischen geben.
Und trotzdem hat Borussia Dortmund das Spiel nicht deswegen verloren. Die Partie war vor allem in der ersten Hälfte sehr schwach mit sehr wenigen Torchancen. Der einzige Treffer resultierte ja auch aus einer unglaublich glücklichen Situation für Denis Zakaria und Borussia Mönchengladbach. Für die war der Sieg eine kleine Befreiung und wahnsinnig wichtig.
Auch der Umstand, dass die zwei Führungsspieler Marco Reus und Erling Haaland nicht zur Verfügung standen, darf nicht als Entschuldigung für den BVB gelten. Ebenso dass Giovanni Reyna und Julian Brandt ausfielen. Dortmund hat genügend tolle Fußballspieler, um für mehr Gefahr zu sorgen, als sie es im Borussia Park getan haben.
Ich hatte den Eindruck, dass überhaupt kein Offensivplan vorhanden war. Der Fokus lag nach den vielen Gegentore zuletzt darauf, keinen Treffer zu kassieren und dabei hat man das Spiel nach vorne total vergessen. Ich habe von einem Meisterschaftskandidaten gegen verunsicherte Gladbacher einiges mehr erwartet. Erst mit einem Mann weniger und zehn Minuten vor Schluss haben sie sich daran erinnert, dass man auch mutig Fußball spielen kann. Wieso nicht davor?
Natürlich kann man das Duo Reus/Haaland nicht eins-zu-eins ersetzen, vor allem nicht die norwegische Naturgewalt. Aber ganz so wenig muss man dann auch nicht anbieten. Die Bayern sind schon wieder klammheimlich vier Punkte vor und wenn Dortmund nicht aufpasst, sind es in ein paar Wochen noch einige mehr und dann kaum aufzuholen. Sollten die Offensivstars auch in der Champions League bei Sporting Lissabon fehlen, muss der BVB so ein Spiel auch mal ohne sie gewinnen. Das ist wahrlich keine Übermannschaft und Dortmund hat mit Hazard, Knauff, Wolf, Moukoko und Bellingham genügend Möglichkeiten das ein oder andere Tor zu schießen.
Auch von Neuzugang Donyell Malen darf man ein bisschen mehr warten. Ich bin bisher enttäuscht von ihm. In Gladbach kam er kaum an den Gegenspielern vorbei und hat keine Akzente nach vorne gesetzt.
Solche hat man auch bei Hertha BSC am Wochenende wieder mal vergeblich gesucht. Natürlich darf man in München und Leipzig verlieren, aber nicht so wehrlos auftreten. Die Hertha ist sehr weit hinter den eigenen Ansprüchen. Diese sind mit Sicherheit nicht, schon wieder im unteren Tabellen-Drittel zu landen.
Sie befinden sich in einer Art Umbruch vom Umbruch. Spieler wie Jhon Cordoba oder Matheus Cunha wurden erst vor kurzem gekauft und nun wieder verkauft, weil die Philosophie von Fredi Bobic eine andere ist. Offensichtlich brauchen die Verantwortlichen in Berlin weiter Zeit, um erfolgreicheren Fußball zu spielen. Die einzigen Punkte hat man gegen Aufsteiger gesammelt und auch hier nicht wirklich spielerisch überzeugt.
Ich kenne Pal Dardai gut und er ist vor allem eines: nämlich ehrlich. Möglich, dass seine Aussagen vor ein paar Wochen nicht die glücklichsten waren, aber sie waren ehrlich. Vielleicht vermisst er die ganz große Rückendeckung des Vereins in der Öffentlichkeit. Sollte es so sein, dass die Herta bereits mit Trainern wie beispielsweise Edin Terzic gesprochen hat, dann bekommt Pal das natürlich mit und das kann ihm nicht gefallen.
Er hat einen tollen Job gemacht und den Klub trotz der schwierigen Quarantäne-Zeit in der letzten Saison gerettet und in der Liga gehalten. Er liebt Hertha BSC, ist Fußballer durch und durch und hilft, wenn man ihn darum bittet. Aber wenn er das Gefühl hat, nicht mehr gebraucht zu werden, dann reagiert er nunmal emotional.
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